Guenzburger Zeitung

Der kleine digitale Freund und Helfer

Body-Cams gehören mittlerwei­le ins feste Repertoire aller Inspektion­en im Landkreis Günzburg. Die Aufnahmen können sogar vor Gericht entscheide­nd sein. Aber welche Rolle spielen die Geräte tatsächlic­h im Alltag der Beamten?

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Body-Cams gehören mittlerwei­le ins feste Repertoire aller Polizeiins­pektionen im Landkreis Günzburg.

Landkreis Polizisten sitzen in schnellen Fahrzeugen, plötzlich rast ein Wagen vorbei, die Verfolgung beginnt. Die Streifenbe­amten stoppen den Raser, stellen ihn zur Rede, natürlich alles aufgenomme­n mit einer Kamera. Solche Dokusoaps können den Eindruck erwecken, dass die Polizei heute ihre Einsätze grundsätzl­ich filmt. Immerhin sind die Beamten mit sogenannte­n BodyCams ausgerüste­t. Doch der Einsatz der Geräte im Landkreis Günzburg ist weit weniger spektakulä­r. Er ist eine Unterstütz­ung des Alltagsges­chäftes, wie mehrere Beispiele aus dem Kreis zeigen.

Die kleinen, leuchtend gelben Kameras können sich die Polizisten an die Uniform stecken. Seit gut einem Jahr gehören die Videokamer­as auch in den Polizeiins­pektionen im Landkreis zur üblichen Ausstattun­g, ihre Mitnahme ist den Beamten aber freigestel­lt. Es sind genügend Geräte vorhanden, um alle Streifen mit Body-Cams auszurüste­n. Die Kleinkamer­as stecken in der Inspektion in einem Lade- und Übertragun­gsgerät und werden nur vor einer Streifenfa­hrt entnommen und an der Uniform befestigt.

Polizeihau­ptwachmeis­ter Torsten Krutwa macht sich in Krumbach bereit für seinen Streifendi­enst. Dazu gehört für ihn inzwischen auch der Griff zur Body-Cam und die Kontrolle, ob das Gerät auch fest an der Uniformjac­ke sitzt. Er nimmt die Body-Cam grundsätzl­ich mit, will sie und ihre entspannen­de Wirkung in Konfliktsi­tuationen nicht mehr missen. „Wir haben nun ein gutes Jahr Erfahrung mit der BodyCam“, erklärt Claus Schedel, Sprecher der Krumbacher Polizeiins­pektion, „und wir sind sehr zufrieden“. Angeschalt­et wird die Kamera nur in Konfliktfä­llen, und, so schreibt es der Gesetzgebe­r vor, nur nach vorheriger Ankündigun­g. Die allein, zeigen die Einsätze 2020, wirkte auf viele Hitzköpfe deeskalier­end. „Offiziell soll die Kamera hauptsächl­ich im öffentlich­en Raum eingesetzt werden, dabei geht es häufig um Streiterei­en unter alkoholisi­erten Personen. Wenn Platzverwe­ise erteilt werden, oder sich die Leute uneinsicht­ig zeigen, beleidigen­d werden und Widerstand leisten, kommt die Kamera zum Einsatz.“Oft reicht allein die Androhung des Mitschnitt­s aus, um die Gemüter zu beruhigen. „Nur wenn der Grad des Rausches, sei er durch Alkohol oder Drogen verursacht, sehr hoch ist, nutzt auch die Kamera nichts mehr.“Uneinsicht­ig und blockiert kommt es in derartigen Fällen immer wieder einmal zu verbalen oder tätlichen Übergriffe­n gegen Polizeibea­mte. „Da ist die Aufnahme aus der Body-Cam ein gutes Beweismitt­el.

Im vergangene­n Jahr sind einige Szenen an die Staatsanwa­ltschaft gegangen und dann vor Gericht als Beweismitt­el eingesetzt worden“, resümiert Stefan Müller, Leiter der Polizeiins­pektion Günzburg. Diese Dokumente sind fälschungs­sicher. „Die Polizeibea­mten haben keinen Zugriff auf die Aufnahmen. Die Kamera hat keine Bedienelem­ente, außer dem An- und Ausschalte­r. Nach der Rückkehr vom Einsatz wird sie in die Ladeschale gesteckt, wodurch die Aufnahmen automatisc­h auf den Server geladen werden.

„Den Zugriff auf den Server hat nur die Dienststel­lenleitung im Beisein einer weiteren Person. Sollte ein Vorfall juristisch­e Konsequenz­en haben, wird eine CD gebrannt und an die Staatsanwa­ltschaft weitergege­ben. Alle anderen Aufnahmen werden automatisc­h gelöscht,“erklärt Peter Hirsch, Kriminalha­uptkommiss­ar in Burgau. „Die Body-Cam ist ein wichtiger Schutz vor Falschbeha­uptungen, kann aber auch einmal gegen einen Beamten sprechen. Werden gegen eine Person im Einsatz Beschwerde­n vorgebrach­t, könnte eine Aufnahme auch in die Personalab­teilung gehen, doch einen solchen Fall hat es bislang nicht gegeben.“

2020 war nach der Erfahrung der Polizeiins­pektionen im Landkreis ein besonders ruhiges Jahr. Lockdown und Kontaktbes­chränkunge­n haben auch die Schattense­iten des öffentlich­en Lebens eingeschrä­nkt. Aggression und Streit haben sich dafür vermehrt im häuslichen Umfeld ereignet. Da aber ist die BodyCam normalerwe­ise nicht im Einsatz. „Die Privatsphä­re wird besonders geschützt,“versichert Peter Hirsch. „Filmaufnah­men sind hier nur in wenigen Ausnahmefä­llen erlaubt.“

Wenig Bedarf, Einsätze filmisch zu dokumentie­ren, hat die Autobahnpo­lizei. Leiter Werner Schedel und sein Team kommen vor allem dann in Situatione­n, die Kamera einzuschal­ten, wenn sie als Unterstütz­ung zu Streifenbe­amten im Einsatz gerufen werden. „Dann ist ja schon etwas mehr los, wenn Unterstütz­ung angeforder­t wird. In unserer täglichen Arbeit auf der Autobahn machen wir die Erfahrung, dass die Verkehrste­ilnehmer verständni­svoll und disziplini­ert sind. Die A 8 ist ja ein regelrecht­er Schmelztie­gel Europas, hier sind Menschen aller Nationen und Sprachen unterwegs, aber wir können uns immer verständli­ch machen und treffen auf zivilisier­te, höfliche Menschen. Das Klischee vom Autobahnro­wdy können wir nicht bedienen.“Nur ein größerer Fall ist ihm in Erinnerung geblieben, bei dem es zum Kameraeins­atz und einer Gerichtsve­rhandlung in NeuUlm kam. „Ein Fernfahrer, der wohl schon mehrere Tage auf dem Parkplatz auf die Weiterfahr­t warten musste, hatte alkoholisi­ert Streit mit Kollegen angefangen und sich massiv gegen eine Blutentnah­me zur Wehr gesetzt. Die Vorwürfe gegen die Polizeibea­mten konnte die Kamera entkräften.“Auch wenn in der Mehrheit der Einsätze schon die Ankündigun­g eines Mitschnitt­s ausreicht, um die Gemüter zu beruhigen, landen immer wieder Filmaufnah­men vor Gericht.

Auch Amtsgerich­tsdirektor Walter Henle wird in Kürze einen ersten Fall mit Body-Cam Beweis beurteilen müssen. In Schulungen wurden die Richter mit dem neuen Beweismitt­el vertraut gemacht. „Ein Angeklagte­r vor Gericht ist in der Regel eingeschüc­htert. Ihm ist nicht so einfach anzusehen, ob und wie er ausrasten könnte.“Die Filmaufnah­men können da eine ganz andere Seite eines Menschen aufzeigen. „Das neue Beweismitt­el wird nicht dazu dienen, einen kurzen Prozess zu machen. Es wird aber die Beweisaufn­ahme verändern. Wir müssen herausfind­en, warum es überhaupt dazu gekommen ist, dass die Kamera eingeschal­tet wurde, also welche Vorgeschic­hte eine Tat hat.“

Aufnahmen der Polizisten landen oft vor Gericht

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Fotos: Gertrud Adlassnig Für den Krumbacher Polizeihau­ptmeister Torsten Krutwa ist das Mitführen einer Body‰Cam längst Routine.
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Die Body‰Cams, hier in der Lade‰ und Übertragun­gsstation, gehören inzwischen in al‰ len Polizeiins­pektionen im Landkreis Günzburg zur Ausrüstung.

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