Guenzburger Zeitung

Putins wahres Problem

- VON ULRICH KRÖKEL redaktion@augsburger‰allgemeine.de

Wladimir Putins willige Helfer in der Justiz haben einmal mehr kurzen Prozess gemacht. Alexei Nawalny, der schärfste Gegner des russischen Präsidente­n, wird hinter Gittern verschwind­en. Wer ein derart willkürlic­hes Urteil fällen kann, wird sich im Zweifel nach Ablauf der Strafe etwas Neues einfallen lassen, um den Unbequemen weiter wegsperren zu können.

Allerdings ist nicht ausgeschlo­ssen, dass der Kreml die Rechnung diesmal ohne das russische Volk gemacht hat. Die jüngsten Proteste haben gezeigt, dass der Unmut vor allem in der jungen Generation groß ist. Aber auch die Älteren murren. 2018 setzte Putin eine Rentenrefo­rm durch, die auf längeres Arbeiten und weniger Geld hinauslief. Eine Alternativ­e hatte der Kreml nicht: Seit der Öl- und Gasrubel nicht mehr so reibungslo­s rollt, leeren sich die Staatskass­en. Und es wird kaum besser werden.

Tatsächlic­h ist Putins größtes Problem nicht Nawalny, sondern die immer wieder beschworen­e, aber genauso oft aufgeschob­ene Modernisie­rung von Staat, Wirtschaft und Gesellscha­ft. Der Grund für die Versäumnis­se ist klar:

Das Regime der „Gauner und Diebe“, das Nawalny in seinen Enthüllung­svideos vorführt, ist zu echten Reformen schlicht nicht in der Lage. Denn dafür müssten die Regierende­n die Menschen im Land aktivieren. Sie zielen aber auf Einschläfe­rung ab, um ungestört herrschen und sich bereichern zu können.

Dieses System wird eher früher als später an seine Grenzen stoßen. Der Hurra-Patriotism­us aus der Zeit nach der Krim-Annexion ist erloschen, und neue militärisc­he Abenteuer kann sich Russland kaum leisten. Es wird für Putin deshalb nicht damit getan sein, Nawalny wegsperren zu lassen.

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