Die Mutmacherin
Erna Dirschinger liebt es, viele Menschen zusammenzubringen, am liebsten mit Musik und Gesang. In Corona-Zeiten ist das unmöglich. Kein Grund aufzugeben, findet sie
Buchdorf „Meine Lieben, und jetzt wünsche ich Euch allen von Herzen eine gute Zeit, frohmachende Gedanken und hin und wieder ein gutes Wort von lieben Menschen. Das alles hilft uns durch diese trüben Tage hindurch. Vergesst vor allem das Lachen nicht – das ist noch immer eine sehr, sehr gute Medizin! Alles Liebe und Gute für Euch alle, Eure Erna“
Wenn E-Mails dieser Art bei zahlreichen Adressaten eintreffen, tragen sie im Betreff stets den Vermerk „i bins“. Dahinter steckt Erna Dirschinger aus Buchdorf im Landkreis Donau-Ries. Längst ist dieser Betreff ihr heimlicher Spitzname geworden: Die „i bins“hat wieder geschrieben – freuen sich dann die Empfänger jener Mails. Ältere Menschen, die digital nicht unterwegs sind, bekommen handschriftliche Briefe oder Postkarten. Auf diese Weise pflegt Erna Dirschinger auch in diesen isolierten CoronaZeiten engmaschig Kontakt zu ihren Freunden und den Mitgliedern ihrer verschiedenen Gruppen. Für ihr bürgerschaftliches Engagement wird Erna Dirschinger nun mit der Silberdistel unserer Redaktion ausgezeichnet.
„Ich schreibe fast täglich an Menschen, von denen ich weiß, dass sie einsam sind“, erzählt die 64-Jährige. „Ich schreibe ihnen von alltäglichen Begebenheiten, lasse sie teilhaben und bemühe mich, sie zum Lachen zu bringen. Mein Credo lautet: Seid damit zufrieden, was ihr habt, verliert nicht den Mut und vergesst das Leben nicht!“
Warum tut Erna Dirschinger das? die energiegeladene, temperamentvolle, kontaktfreudige Frau kennt, weiß, dass sie gar nicht anders kann. Die dreifache Mutter und mehrfache Großmutter scheint über ein unerschöpfliches Reservoir an Fröhlichkeit zu verfügen. Gäbe es jetzt kein Corona, dürften wir alle uns in geselliger Runde treffen, könnten wir Veranstaltungen besuchen, so würde man Erna Dirschinger als Hans Dampf in allen Gassen erleben.
Ihre Landkreisfahrten sind beliebte Exkursionen. Ihre Konzerte, Gottesdienstgestaltungen und Andachten mit dem Buchdorfer Zweigesang locken seit 40 Jahren eine große Fangemeinde an. Mit ihrem JubilateChor und dem Donau-Rieser Heimatchor bringt sie begeisterte Menschen zum Mitsingen und Zuhören. In der von ihr gegründeten KrebsSelbsthilfegruppe schafft sie einen geschützten Raum zum Reden, Weinen und Lachen.
„All das geht uns jetzt gerade so sehr ab“, bedauert Erna Dirschinger. „Was fehlt, ist die große Gemeinschaft.“Die gelernte Heilerziehungspflegerin, Musiktherapeutin und Psychotherapeutin liebt es, mit Menschen zusammenzukommen und Menschen zusammenzubringen.
Legendär sind da auch ihre Singnachmittage in der Bäldleschwaige. Im überdachten Biergarten eines Hofguts nahe Tapfheim hat sie fünf Jahre lang vor Corona regelmäßig eingeladen, mit sich und ihren musikalischen Freunden zu singen und zu ratschen. Erna Dirschinger hat für diese Anlässe Gesangbücher herausgegeben mit den Texten vieler Volkslieder und Gassenhauer. Jeder
dieser Nachmittage steht unter einem speziellen Motto – von der Seefahrt über Wald und Heide bis hin zum Dirndl-Wettbewerb und zu „Mut zum Hut“. Dazu gibt es die passenden Lieder, Texte und immer auch ein kleines Quiz.
Bis zu 500 Teilnehmer reisen jeWer
des Mal aus einem Radius von rund 100 Kilometern an, sind oft schon Stunden vorher da. Münchner Autokennzeichen sind auf dem Parkplatz ebenso auszumachen wie Augsburger, Weißenburger, Eichstätter, Schrobenhausener und viele andere. „Sie wollen mit uns singen, denn Singen ist Therapie“, weiß die Frontfrau. „Wer reden kann, kann auch singen. Und wenn die Worte versagen, ist Singen das weitaus bessere Kommunikationsmittel.“Es geht ein bisschen zu wie im „Musikantenstadl“– aber eben mit Erna Dirschingers ganz persönlicher Note. Am Ende solcher Singnachmittage ist es schon vorgekommen, dass Krücken zurückbleiben oder ein Rollator. „Die Leute kommen mit Beschwerden und gehen ein Stück weit sorgenfreier wieder heim“, freut sich Erna Dirschinger dann.
Sie kann aber auch besinnlicher. Ihre Marienandachten in der Ruinenkirche im Spindeltal nahe Tagmersheim etwa sind ebenso beliebt wie Meditationen an anderen Orten – in Kirchen genauso wie in der freien Natur.
„Ich lebe aus dem Glauben heraus und gewinne Sicherheit aus meinem Gottvertrauen heraus“, sagt die Rentnerin. Sie hat auf diese Weise gelernt, mit Schicksalsschlägen fertigzuwerden, von denen auch sie nicht verschont geblieben ist. Sie hat dabei das Lachen nie verlernt: „Unsere Welt und das Leben sind schön, auch wenn’s nicht alle Tage gleich gut ist.“
Jetzt freut sie sich auf die Zeit nach Corona, schmiedet schon wieder Pläne und blickt für sich und andere Menschen optimistisch nach vorne. Schon heute sieht sie sich in Gedanken wieder mit hunderten Gästen in der Bäldleschwaige sitzen. Und während Akkordeon, Geige, Gitarre und Klavier zusammen die ersten Klänge intonieren, stimmen dann alle mit ein: „Im Prater blühen wieder die Bäume ...“