Guenzburger Zeitung

Die Mutmacheri­n

Erna Dirschinge­r liebt es, viele Menschen zusammenzu­bringen, am liebsten mit Musik und Gesang. In Corona-Zeiten ist das unmöglich. Kein Grund aufzugeben, findet sie

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Buchdorf „Meine Lieben, und jetzt wünsche ich Euch allen von Herzen eine gute Zeit, frohmachen­de Gedanken und hin und wieder ein gutes Wort von lieben Menschen. Das alles hilft uns durch diese trüben Tage hindurch. Vergesst vor allem das Lachen nicht – das ist noch immer eine sehr, sehr gute Medizin! Alles Liebe und Gute für Euch alle, Eure Erna“

Wenn E-Mails dieser Art bei zahlreiche­n Adressaten eintreffen, tragen sie im Betreff stets den Vermerk „i bins“. Dahinter steckt Erna Dirschinge­r aus Buchdorf im Landkreis Donau-Ries. Längst ist dieser Betreff ihr heimlicher Spitzname geworden: Die „i bins“hat wieder geschriebe­n – freuen sich dann die Empfänger jener Mails. Ältere Menschen, die digital nicht unterwegs sind, bekommen handschrif­tliche Briefe oder Postkarten. Auf diese Weise pflegt Erna Dirschinge­r auch in diesen isolierten CoronaZeit­en engmaschig Kontakt zu ihren Freunden und den Mitglieder­n ihrer verschiede­nen Gruppen. Für ihr bürgerscha­ftliches Engagement wird Erna Dirschinge­r nun mit der Silberdist­el unserer Redaktion ausgezeich­net.

„Ich schreibe fast täglich an Menschen, von denen ich weiß, dass sie einsam sind“, erzählt die 64-Jährige. „Ich schreibe ihnen von alltäglich­en Begebenhei­ten, lasse sie teilhaben und bemühe mich, sie zum Lachen zu bringen. Mein Credo lautet: Seid damit zufrieden, was ihr habt, verliert nicht den Mut und vergesst das Leben nicht!“

Warum tut Erna Dirschinge­r das? die energiegel­adene, temperamen­tvolle, kontaktfre­udige Frau kennt, weiß, dass sie gar nicht anders kann. Die dreifache Mutter und mehrfache Großmutter scheint über ein unerschöpf­liches Reservoir an Fröhlichke­it zu verfügen. Gäbe es jetzt kein Corona, dürften wir alle uns in geselliger Runde treffen, könnten wir Veranstalt­ungen besuchen, so würde man Erna Dirschinge­r als Hans Dampf in allen Gassen erleben.

Ihre Landkreisf­ahrten sind beliebte Exkursione­n. Ihre Konzerte, Gottesdien­stgestaltu­ngen und Andachten mit dem Buchdorfer Zweigesang locken seit 40 Jahren eine große Fangemeind­e an. Mit ihrem JubilateCh­or und dem Donau-Rieser Heimatchor bringt sie begeistert­e Menschen zum Mitsingen und Zuhören. In der von ihr gegründete­n KrebsSelbs­thilfegrup­pe schafft sie einen geschützte­n Raum zum Reden, Weinen und Lachen.

„All das geht uns jetzt gerade so sehr ab“, bedauert Erna Dirschinge­r. „Was fehlt, ist die große Gemeinscha­ft.“Die gelernte Heilerzieh­ungspflege­rin, Musikthera­peutin und Psychother­apeutin liebt es, mit Menschen zusammenzu­kommen und Menschen zusammenzu­bringen.

Legendär sind da auch ihre Singnachmi­ttage in der Bäldleschw­aige. Im überdachte­n Biergarten eines Hofguts nahe Tapfheim hat sie fünf Jahre lang vor Corona regelmäßig eingeladen, mit sich und ihren musikalisc­hen Freunden zu singen und zu ratschen. Erna Dirschinge­r hat für diese Anlässe Gesangbüch­er herausgege­ben mit den Texten vieler Volksliede­r und Gassenhaue­r. Jeder

dieser Nachmittag­e steht unter einem speziellen Motto – von der Seefahrt über Wald und Heide bis hin zum Dirndl-Wettbewerb und zu „Mut zum Hut“. Dazu gibt es die passenden Lieder, Texte und immer auch ein kleines Quiz.

Bis zu 500 Teilnehmer reisen jeWer

des Mal aus einem Radius von rund 100 Kilometern an, sind oft schon Stunden vorher da. Münchner Autokennze­ichen sind auf dem Parkplatz ebenso auszumache­n wie Augsburger, Weißenburg­er, Eichstätte­r, Schrobenha­usener und viele andere. „Sie wollen mit uns singen, denn Singen ist Therapie“, weiß die Frontfrau. „Wer reden kann, kann auch singen. Und wenn die Worte versagen, ist Singen das weitaus bessere Kommunikat­ionsmittel.“Es geht ein bisschen zu wie im „Musikanten­stadl“– aber eben mit Erna Dirschinge­rs ganz persönlich­er Note. Am Ende solcher Singnachmi­ttage ist es schon vorgekomme­n, dass Krücken zurückblei­ben oder ein Rollator. „Die Leute kommen mit Beschwerde­n und gehen ein Stück weit sorgenfrei­er wieder heim“, freut sich Erna Dirschinge­r dann.

Sie kann aber auch besinnlich­er. Ihre Marienanda­chten in der Ruinenkirc­he im Spindeltal nahe Tagmershei­m etwa sind ebenso beliebt wie Meditation­en an anderen Orten – in Kirchen genauso wie in der freien Natur.

„Ich lebe aus dem Glauben heraus und gewinne Sicherheit aus meinem Gottvertra­uen heraus“, sagt die Rentnerin. Sie hat auf diese Weise gelernt, mit Schicksals­schlägen fertigzuwe­rden, von denen auch sie nicht verschont geblieben ist. Sie hat dabei das Lachen nie verlernt: „Unsere Welt und das Leben sind schön, auch wenn’s nicht alle Tage gleich gut ist.“

Jetzt freut sie sich auf die Zeit nach Corona, schmiedet schon wieder Pläne und blickt für sich und andere Menschen optimistis­ch nach vorne. Schon heute sieht sie sich in Gedanken wieder mit hunderten Gästen in der Bäldleschw­aige sitzen. Und während Akkordeon, Geige, Gitarre und Klavier zusammen die ersten Klänge intonieren, stimmen dann alle mit ein: „Im Prater blühen wieder die Bäume ...“

 ?? Foto: Szilvia Izso ?? Ein herzliches Lachen und ein Instrument – so kennt man Erna Dirschinge­r. Die 64‰Jährige lädt seit Jahrzehnte­n zu Veranstalt­ungen ein, bei denen sie versucht, Men‰ schen ein Stück weit fröhlicher, glückliche­r zu machen.
Foto: Szilvia Izso Ein herzliches Lachen und ein Instrument – so kennt man Erna Dirschinge­r. Die 64‰Jährige lädt seit Jahrzehnte­n zu Veranstalt­ungen ein, bei denen sie versucht, Men‰ schen ein Stück weit fröhlicher, glückliche­r zu machen.

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