Guenzburger Zeitung

Alles scheint bereit für das „Wunder“von Peking

China hat das Virus im Griff. Der Erfolg macht den Staat zuversicht­lich, in einem Jahr sichere Winterspie­le austragen zu können. Aber viele Fragen bleiben unbeantwor­tet. Und es gibt Boykottauf­rufe

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Peking Ein Jahr vor den Olympische­n Winterspie­len überwiegt bei Gastgeber China trotz der CoronaPand­emie die Zuversicht. „Ja, es ist eine große Herausford­erung“, räumte eine ranghohe Verantwort­liche des Organisati­onskomitee­s Bocog bei einem diplomatis­chen Empfang kurz angebunden auf die Frage ein, wie sich die Pandemie auf die Spiele 2022 in Peking auswirken werde. Ihr Blick verrät Sorgen, Ungewisshe­it.

Aber mehr sagt sie nicht. Werden die Athleten vorher in Quarantäne müssen? Was ist mit Zuschauern aus dem Ausland? Auf diese Fragen geht sie nicht ein, sondern winkt schnell ab. Ihre Zurückhalt­ung scheint typisch für die Organisato­ren der Spiele, die genau in einem Jahr – vom 4. bis 20. Februar 2022 – in Chinas Hauptstadt stattfinde­n sollen. Es ist das erste Mal, dass eine Stadt nicht nur Sommerspie­le, sondern auch Winterspie­le austrägt.

Die Wettkampfs­tätten verteilen sich auf die 21-Millionen-Metropole und die Orte Zhangjiako­u und Yanqing vor den Toren Pekings in der Provinz Hebei. Ausgerechn­et in dieser Provinz erlebte das Land gerade den schwersten Ausbruch des Coronaviru­s in China seit mehr als einem halben Jahr. Seit Anfang Januar wurden mehr als 1000 Infektione­n in der Provinz entdeckt.

Die Behörden reagierten schnell mit den in China üblichen drastische­n Maßnahmen: Mehr als 20 Millionen Menschen in drei Metropolen durften ihre Wohnungen nicht verlassen. Transportv­erbindunge­n wurden sofort unterbroch­en. Millionenf­ach wurde getestet, Kontakte nachverfol­gt. Mehr als 30000 Menschen mussten in Qua

Vier Wochen nach Beginn des Ausbruchs ist die Lage unter Kontrolle. Seit Tagen werden nur noch vereinzelt Ansteckung­en festgestel­lt. Die ersten Infektione­n mit dem neuen Virus waren im Dezember 2019 in der Metropole Wuhan in Zentralchi­na entdeckt worden. Seither haben sich weltweit mehr als 100 Millionen Menschen angesteckt. Mehr als 2,2 Millionen sind gestorben. Nach einer anfangs als unzureiche­nd kritisiert­en Reaktion hat China seit Ende Januar 2020 hart durchgegri­ffen. Das Leben hat sich normalisie­rt.

Der beeindruck­ende Erfolg gibt Pekings Organisato­ren die Zuversicht, auch sichere Winterspie­le veranstalt­en zu können – anders als in Tokio, wo das Virus noch nicht unKontroll­e ist und Ungewisshe­it über den Sommerspie­len im Juli und August liegt. So glaubt Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping fest an die Austragung der Spiele in Peking und rechnet mit einem Erfolg. Für ihn ist es eine Systemfrag­e: Die reibungslo­se Olympia-Vorbereitu­ng demonstrie­re die „Stärke der Parteiführ­ung und des sozialisti­schen Systems in China“. Bei einem Besuch der Wettkampfs­tätten rief er zu „größerer Perfektion“auf. Notwendige Einrichtun­gen für CoronaTest­s, Quarantäne und Notfälle müssten ausgebaut werden. Er wolle hier auch die Kooperatio­n mit dem Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) verbessern.

Aber konkreter wird es nie. Viele Fragen bleiben offen: Wenn Quarantäne-Einrichtun­gen. rantäne verpflicht­end ist, wie werden Sportler dann vorher trainieren können? Müssen ausländisc­he Zuschauer auch in Isolation? Heute gelten scharfe Einreisebe­schränkung­en und Quarantäne­pflicht von mindestens zwei Wochen für die wenigen Reisenden, die überhaupt ins Land gelassen werden. „Die Covid-19-Pandemie dauert wegen der Untätigkei­t und der Verantwort­ungslosigk­eit einiger weniger Länder an, was die Vorbeugung und die Kontrolle schwierig macht“, kritisiert­e Wang Fan, Vizepräsid­ent des China-Instituts für internatio­nale Beziehunge­n, in der Global Times. Er sieht eine „akute Bedrohung“für die Spiele, die „sehr ernst“genommen werden müsse. Wenig wurde bisher über ein Gespräch vergangete­r ne Woche zwischen Xi Jinping und IOC-Präsident Thomas Bach bekannt. Chinas Präsident hob die strengen Maßnahmen im Kampf gegen das Virus hervor, die „günstige Bedingunge­n für die Spiele geschaffen“hätten. Bach sprach von einem „Werkzeugka­sten“, der für Tokio und Peking entwickelt worden sei. Genannt werden „Einreiseve­rfahren, Quarantäne, Tests, persönlich­e Schutzausr­üstung, Kontaktver­folgung und auch Impfungen“. Eigentlich sollten die Chefs de Mission in diesen Tagen in Peking vor Ort die Sportstätt­en inspiziere­n. Jetzt finden die Konsultati­onen nur online statt. Die meisten Wettkampfs­tätten sind aber fast fertig. „Es ist fast ein Wunder“, schwärmt IOC-Präsident Bach in einem Interview der Staatsagen­tur Xinhua. „Trotz der Herausford­erungen durch die Pandemie laufen die Vorbereitu­ngen so reibungslo­s.“

Wie 2008 hängen aber auch diesmal dunkle politische Wolken über den Spielen. Eine Koalition von 160 Menschenre­chtsgruppe­n und Vertretern von Minderheit­en ruft wegen der Verfolgung in China und der harten Hand gegenüber Hongkong und Taiwan zum Boykott der Spiele auf. Die USA werfen China „Völkermord“im Umgang mit Uiguren vor. In dem Boykottauf­ruf heißt es, schon die Vergabe 2008 an Peking sei „ein Fehler“gewesen, weil sie das kommunisti­sche System noch ermutigt habe. Die Menschenre­chtslage habe sich seither eher verschlech­tert. Und die Sportler? Skispringe­r Andreas Wellinger gibt sich vielsagend: „Ich habe nicht den glücklichs­ten Zyklus an OlympiaOrt­en erwischt“, findet der deutsche Olympiasie­ger.

 ?? Foto: Ju Peng, dpa ?? Alles im Lot – oder? Chinas Staatschef Xi Jinping (Zweiter von links) besichtigt hier das Nationale Skisprungz­entrum. Ein Jahr vor den Winterspie­len in Peking soll die Nachricht dieser Bilder klar sein: Alles funktionie­rt reibungslo­s.
Foto: Ju Peng, dpa Alles im Lot – oder? Chinas Staatschef Xi Jinping (Zweiter von links) besichtigt hier das Nationale Skisprungz­entrum. Ein Jahr vor den Winterspie­len in Peking soll die Nachricht dieser Bilder klar sein: Alles funktionie­rt reibungslo­s.

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