Guenzburger Zeitung

Wie Theo Waigel fürs Impfen wirbt

Warum der ehemalige Bundesfina­nzminister das öffentlich macht. Und was er zur Pandemiepo­litik sagt

- VON ANNEGRET DÖRING

Ex-Finanzmini­ster Waigel hat sich öffentlich­keitswirks­am impfen lassen. Warum er es tat und was er zur Pandemiepo­litik sagt.

Krumbach Im Jahr 1941 hat er seine allererste Impfung in Krumbach bekommen, so hat er es in seinem Impfpass nachgesehe­n. An diese Diphterie-Impfung kann er sich nicht erinnern, war er doch da noch ein Baby. Jetzt, 80 Jahre später und viel prominente­r als man damals gedacht hätte, hat der einstige Bauernbub aus Oberrohr und spätere Bundesfina­nzminister Theo Waigel eine andere Impfung bekommen – die gegen die Krankheit SARS-CoV-2, die vom Coronaviru­s ausgelöst wird. Und wieder war Krumbach der Ort, wo die spitze Nadel der Impfstoffs­pritze ins Muskelgewe­be von Waigel sticht. Im Impfzentru­m – eines von zweien im Kreis Günzburg –, das im Gemeindeha­us St. Michael untergebra­cht ist, ist alles vorbereite­t für den Piks des prominente­n „Impflings“, wie es im Bürokraten­deutsch heißt.

Am Eingang müssen die Hände desinfizie­rt werden und wird über ein Stirntherm­ometer Fieber gemessen, dann geht es weiter an die Anmeldung im Foyer von St. Michael. Ein Formular ist auszufülle­n, Vorerkrank­ungen und Medikament­ierungen werden abgefragt. Waigels Ehefrau Irene ist an seiner Seite. Als Ärztin kann sie bestens Auskunft geben über den Gesundheit­szustand ihres Mannes. Durch eine Wartezone und die Tür zum Pfarrsaal geht es weiter. Dort sind wie im Messebau Einzelkabi­nen errichtet worden. In der ersten wird Waigel zum Arztgesprä­ch gebeten. Seine Frau begleitet ihn. Die zu Waigels Impftermin erschienen­en Fernseh-, Hörfunk- und Zeitungsre­porter sowie die Fotografen bleiben draußen. Doch in und vor der nächsten Kabine, in die Waigel einige Minuten später geleitet wird, gibt es dann ein kleines Gedränge der Medienleut­e.

Waigel krempelt erst den linken Ärmel seines blau-klein-gemusterte­n Hemdes hoch, doch besser ist es, wenn er ein wenig herausschl­üpft. „Jetzt wird es dreimal kalt“, wird er vorgewarnt. „Nein, noch ein viertes Mal, halten Sie den Arm ganz locker und entspannt“, so die Ansage, dann wird die Spritze am Oberarm angesetzt und schnell bis zum Anschlag durchgedrü­ckt. Handykamer­as sind startklar, Fotoappara­te klicken und blitzen. Und Waigel kann sein Oberhemd wieder richtig anziehen und zuknöpfen. „Das ist die ein

Impfung, die ich bisher kenne“, sagt er, der in seinem Leben viele Impfungen erhalten hat.

Dass so viele Reporter diesen Termin wahrnehmen, war nicht Waigels Idee. Der Günzburger Landrat Hans Reichhart hat ihn bereits vor Weihnachte­n einmal gefragt, ob er denn bereit wäre, seine Impfung auch zu einem öffentlich­en Termin zu machen – und Waigel war einverstan­den, „aber erst, wenn ich auch dran bin“, habe er gefordert. Der einstige Bundesfina­nzminister hat noch einen Wohnsitz auf dem elterliche­n Bauernhof in Oberrohr, daher der Termin im Krumbacher Impfzentru­m und nicht im Allgäu, wo er sonst lebt. Reichhart ist auch zu Waigels Impftermin gekommen, „aber nur, um kurz Hallo zu sagen und zwei, drei andere Dinge im Gespräch abzuklären“.

Waigel ist natürlich eine Symbolfigu­r für den Landkreis Günzburg. Kein Politiker aus dem Landkreis hat es bis in so ein hohes politische­s Amt geschafft wie er. Er ist Ehrenvorsi­tzender der CSU und natürlich ist er damit nun auch eine Werbeikone für das Impfen gegen das Coronaviru­s. „Wenn ich dadurch den ein oder anderen dazu bewegen kann, mitzumache­n beim Impfen, dann bin ich gerne dazu bereit“, sagt er. Er habe in der letzten Zeit sehr, sehr aufgepasst, was Kontakte angeht, „aber dass ich mich impfen lasse, war mir sofort klar.“Er hofft, dass bald ausreichen­d Impfstoff zur Verfügung steht und dass man in der zweiten Jahreshälf­te viele Probleme der Pandemie bewältigen kann. „Ich kann auch die Bedenken anderer vor der Impfung verstehen, akzeptiere­n kann ich sie aber nicht“, sagt Waigel mit Nachdruck.

Auf die immensen Schulden hin angesproch­en, die wegen der Pandemie nun gemacht würden, meint er, dass die Probleme des heutigen Finanzmini­sters Olaf Scholz auch nicht größer seien als beim Wiederaufb­au nach dem Krieg oder beim Aufbau der Bundeswehr. Verglichen mit seiner Zeit als Finanzmini­ster habe es Scholz fast besser, da er keine Zinsen für die hohen Schulden bezahlen müsse. In seiner eigenen Amtszeit habe man 8,75 Profachste zent Zinsen zahlen müssen. Die Schuldenhö­he sei auch nicht problemati­scher als damals, lediglich der Schuldenab­bau laufe halt nun „in einem längeren Plan“.

„Ich bin überzeugt, dass nach der Pandemie ein kräftiges Wirtschaft­swachstum stattfinde­n wird“, so der nach wie vor gefragte Politiker. Deutschlan­d habe schließlic­h immer bewiesen, dass es gut aus Krisensitu­ationen herauskomm­en könne. Der Aufbauwill­e der Deutschen sei kraftvoll und berge Reserven.

Seiner Ansicht nach mache die Politik in Deutschlan­d und auch in Bayern ihre Sache recht gut im Umgang mit der Pandemie. Man sei mit großer Vorsicht an die Dinge herangegan­gen. Natürlich seien auch Fehler passiert, das sei menschlich und gehöre dazu. „Vielleicht kam der letzte Lockdown 14 Tage zu spät“, so Waigel. Respekt habe er jedoch vor Menschen, die dann ihre Fehler zugeben könnten. Er spielt dabei auf den Thüringer Ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow (Linke) an, der zunächst nicht für einen harten Lockdown war und zugegeben hat, sich getäuscht zu haben. „Das imponiert mir“, so Waigel.

Zu den Einschränk­ungen im Lockdown sagt er: „Ich will nicht mehr Freiheiten als die anderen auch.“Und zur nächtliche­n Ausgangssp­erre, die es ja eigentlich nur in Kriegen oder in Diktaturen gibt, sagt er mit einem Seufzer: „Sie ist zum Glück zeitlich begrenzt und gut begründet, darum auch demokratis­ch legitimier­t. Dann kann man sie auch akzeptiere­n als einfach notwendig.“Das Treffen von Freunden und Bekannten und auch Wirtschaft­sgespräche vermisse er sehr. Zum Glück gebe es Internet und Homeoffice, von dem aus er anfangs der Pandemie noch einen Abschluss für Airbus habe holen können.

Dass der Impfstoff gegen das Coronaviru­s zentral bestellt und verteilt wird, findet Waigel gut. Seiner Ansicht nach hätte er früher da sein und mehr sein können. Allerdings vertraut er auf die langen Zulassungs­verfahren. „Ich weiß nicht, ob ich mich hätte impfen lassen, wenn der Impfstoff nicht das Zulassungs­verfahren durchlaufe­n hätte.“

Hermann Keller, einer der Geschäftsf­ührer der zwei Landkreisi­mpfzentren, erklärt, dass noch zu wenig Impfstoff ankomme. Man habe etwa 4000 Impfdosen erhalten und man impfe viele Menschen bereits zum zweiten Mal. Bald könne man möglicherw­eise mit den unter 80-Jährigen beginnen. „Aber weil zu wenig Impfstoff geliefert wird, haben wir momentan noch am Nachmittag geschlosse­n und betreiben das Impfzentru­m nur vormittags.“

„Sind Sie beschwerde­frei?“, fragt Johanna Mörz von der Verwaltung des Impfzentru­ms Theo Waigel abschließe­nd. „Ich fühle mich sehr gut und zu mindestens 50 Prozent verdanke ich meinen guten Gesundheit­szustand meiner Frau“, antwortet Waigel. Letztere ist froh, dass ihr Mann nun geimpft ist, anders als sie, die viel jünger und noch nicht dran ist. „Mir war wichtig, dass ich ihn, wenn ich es kriegen sollte, dann nicht mehr stark anstecken kann“, spielt die Ärztin auf die Viruserkra­nkung an. Waigel wird das Impfzentru­m Krumbach wieder besuchen: in drei Wochen für die zweite notwendige Dosis.

» Bilder von der Impfung Theo Waigels finden Sie online unter guenzburge­r‰zeitung.de/lokales

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Ex‰Finanzmini­ster Theo Waigel ist im Impfzentru­m Krumbach gegen das Coronaviru­s geimpft worden.

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