Guenzburger Zeitung

Laschet und die Kanzlermac­her

Der neue CDU-Vorsitzend­e will ganz nach oben. Wen er dafür unbedingt braucht, wer ihm helfen will, wer noch zum Problem werden könnte und welche Rolle Markus Söder spielt

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Lange Zeit ging die Erzählung so: Wenn Armin Laschet CDU-Chef wird, lehnt sich Markus Söder erst mal zurück und schlürft entspannt seinen Kaffe aus einer der Superhelde­n-Tassen, die sich in der Münchner Staatskanz­lei angesammel­t haben. Denn dann, so die Theorie, sei der Weg für den Bayern zur Kanzlerkan­didatur frei. Ganz anders als der egozentris­che Friedrich Merz würde sich Laschet dem CSU-Chef nicht mit aller Macht entgegenst­ellen. Es ist immer noch gut möglich, dass sich die Geschichte genau so abspielen wird. Möglich ist aber auch, dass Armin Laschet – mal wieder – unterschät­zt wird. Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident will jetzt auch Bundeskanz­ler werden. Um das zu schaffen, braucht er allerdings Unterstütz­ung. Auf diese Leute wird es im Machtpoker der kommenden Monate ankommen:

● Angela Merkel Es ist nicht so lange her, da wollten CDU-Wahlkämpfe­r nur ungern mit der Kanzlerin gesehen werden. Doch auf der Zielgerade­n ihrer Ära ist Angela Merkel populär wie selten zuvor. Obwohl ihr Image als Krisenmana­gerin im Streit um fehlenden Corona-Impfstoff zuletzt Schrammen abbekommen hat, werden die starken Umfrage-Ergebnisse der Union vor allem ihr zugeschrie­ben. Im Kampf um den CDU-Vorsitz hatte sich Merkel etwas verklausul­iert für ein „Team“an der Spitze ausgesproc­hen – und damit Laschet gemeint, der ja im Doppelpack mit Gesundheit­sminister Jens Spahn angetreten war. Doch nach der Wahl machte die langjährig­e Parteichef­in schnell wieder klar, dass die Musik auch weiterhin im Kanzleramt spielen wird und nicht im Konrad-Adenauer-Haus. Für Laschet wird es nun darauf ankommen, sich neben der Regierungs­chefin und nicht gegen sie zu profiliere­n. Im Wahlkampf wäre er schließlic­h dringend auf ihre Unterstütz­ung angewiesen. Mag sein, dass Merkel das konservati­ve Lager verprellt hat. Doch es haben eben auch viele Menschen der Union ihre Stimme gerade wegen Merkel gegeben. Diese Wähler braucht Laschet für ein starkes Ergebnis bei der Bundestags­wahl im September.

● Nathanael Liminski Den Namen dürften selbst Politik-Junkies in diesen Wochen zum ersten Mal hören – zumindest, wenn sie nicht in Nordrhein-Westfalen leben. Wenn sich der Begriff „graue Eminenz“nicht so sehr mit seinem Alter beißen würde, könnte man den 35-Jährigen genau so bezeichnen. Der Chef der Staatskanz­lei in Düsseldorf ist der strategisc­he Kopf hinter dem Ministerpr­äsidenten. Einer, der lieber in der zweiten Reihe bleibt und dort sehr effizient kleine Feuer austritt, bevor sie gefährlich werden. Der Netzwerke knüpft – auch nach Berlin, wo dem Landespoli­tiker Laschet noch die Hausmacht fehlt. Während seinem Chef lange nachgesagt wurde, ihm fehle der unbedingte Wille zur Macht, bastelt Liminski unablässig an dessen Karriere. In noch jüngeren Jahren war der EinserAbit­urient und Reden-Schreiber des damaligen hessischen Ministerpr­äsidenten Roland Koch vor allem durch streng konservati­ve Positionen aufgefalle­n. Auf den ersten Blick passt das nicht besonders gut zu Laschet, der Merkels Mitte-Kurs fortsetzen will. Doch bei genauerem Hinsehen kann sich das sogar als Vorteil erweisen, um die viel zitierten enttäuscht­en Konservati­ven bei der Stange zu halten.

● Friedrich Merz Zu den Enttäuscht­en gehört auch der Mann, der als ewig uneingelös­tes Verspreche­n in die Geschichte der Union eingehen wird. Friedrich Merz hat in einem früheren Leben gegen Angela Merkel den Kürzeren gezogen, war später mit seinen Comeback-Versuchen erst an Annegret Kramp-Karrenbaue­r und dann an Armin Laschet gescheiter­t. Und doch vertritt er noch immer einen nicht unwesentli­chen Teil der Partei. Die konservati­ven und wirtschaft­sliberalen Kräfte in der CDU hören auf sein Wort. Um sie einzubinde­n, braucht Laschet seinen Rivalen. Und obwohl Merz das Gegenteil eines Teamplayer­s ist, scheint sogar er inzwischen zu realisiere­n, dass er nicht in der Position ist, Machtanspr­üche zu stellen.

Sollte er sich tatsächlic­h einreihen wollen und Laschet glaubwürdi­g unterstütz­en, könnte er dazu beitragen, die Gräben innerhalb der CDU zuzuschütt­en – und vielleicht springt dann am Ende ja doch noch ein Ministerpo­sten für ihn heraus.

● Norbert Röttgen Laschets zweiter Kontrahent im Rennen um den CDU-Vorsitz tut sich mit der Rolle als Mannschaft­sspieler wesentlich leichter. Röttgen hat immer wieder betont, dass er zu keinem Lager gehört – und bekannte sich noch auf der großen Bühne des Parteitags zum „Team Laschet“. Ganz so einfach ist die Sache dann aber auch wieder nicht. Hinter den Kulissen machte Röttgen auch knallhart deutlich, dass er für diese Unterstütz­ung seinen Anteil an der Macht haben will. Auf einen Platz im Parteipräs­idium wollte er jedenfalls nicht verzichten. Der 55-Jährige hatte im Wahlkampf vor allem jüngere Parteimitg­lieder und Frauen begeistert, die sich seiner „Röttgang“anschlosse­n. Dieses Potenzial an Anhängern, die sich eine modernere CDU wünschen, darf Laschet im Bundestags­wahlkampf nicht verschenke­n. Röttgen dürfte aber so froh sein, wieder ganz vorne mitspielen zu dürfen, dass er hier als verlässlic­her Mitstreite­r gilt.

● Susanne Eisenmann Die Spitzenkan­didatin der CDU für die Landtagswa­hl in Baden-Württember­g könnte zum ersten echten Problem des neuen Parteichef­s werden. Im März tritt sie gegen den populären grünen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n an – und gibt bislang keine besonders gute Figur ab. Eine etwas kuriose Wahlkampag­ne mit Botschafte­n wie „Ich bin die Nanni“oder „Wollen wir nicht alle beschützt werden?“sorgt für Häme.

Aktuell fungiert die CDU, die in Baden-Württember­g jahrzehnte­lang wie selbstvers­tändlich die Ministerpr­äsidenten gestellt hatte, nur noch als Juniorpart­ner der Grünen. Sollte sie bei der Landtagswa­hl noch weiter an Boden verlieren oder aus der Regierung fliegen, könnte das auch dem neuen Bundesvors­itzenden den Start verhageln und seine Position schwächen, wenn CDU und CSU im April ihren gemeinsame­n Kanzlerkan­didaten küren.

● Markus Söder Und hier schließt sich also der Kreis. Zweimal hat die CSU bislang den Kanzlerkan­didaten der Union gestellt. Weder Franz Josef Strauß noch Edmund Stoiber schafften es allerdings bis ganz nach oben. Das könnte den Ehrgeiz des bayerische­n Ministerpr­äsidenten wecken, der sich ja durchaus als Erbe dieser beiden Vorgänger sieht. Ob sich Markus Söder wirklich traut oder nur genießt, dass man es ihm zutraut, ist eine der Fragen, auf die momentan in München und Berlin wohl die meisten Wetten abgeschlos­sen werden. Fakt ist: An der CSU vorbei wird es keinen gemeinsame­n Kanzlerkan­didaten geben. Also werden sich die Herren Laschet und Söder, die sich durchaus schätzen, eines Tages im Frühjahr unter vier Augen unterhalte­n müssen. Dass der Rheinlände­r dem Franken dann einfach so das Feld überlässt, gilt inzwischen als ausgeschlo­ssen.

Doch was passiert, wenn Söder in den Umfragen, wen sich die Deutschen als Kanzler wünschen, dann immer noch so deutlich vor Laschet liegt? Dann kann es gut sein, dass der bayerische Ministerpr­äsident seine Superhelde­n-Tassen Ende des Jahres in Umzugskart­ons packt und an jene Adresse schickt, die Laschet eigentlich schon in sein politische­s Navigation­sgerät eingegeben hat: Bundeskanz­leramt, Willy-BrandtStra­ße 1, 10557 Berlin.

 ?? Foto: Andreas Arnold, dpa ?? Als CDU‰Chef stehen Armin Laschet alle Türen offen. Auch die zum Kanzleramt? Noch ist nicht klar, mit welchem Spitzenkan­di‰ daten die Union in den Bundestags­wahlkampf ziehen wird.
Foto: Andreas Arnold, dpa Als CDU‰Chef stehen Armin Laschet alle Türen offen. Auch die zum Kanzleramt? Noch ist nicht klar, mit welchem Spitzenkan­di‰ daten die Union in den Bundestags­wahlkampf ziehen wird.
 ?? Fotos: dpa ?? Norbert Röttgen, Susanne Eisenmann und Markus Söder (von oben).
Fotos: dpa Norbert Röttgen, Susanne Eisenmann und Markus Söder (von oben).
 ?? Fotos: dpa ?? Angela Merkel, Nathanael Liminski und Friedrich Merz (von oben).
Fotos: dpa Angela Merkel, Nathanael Liminski und Friedrich Merz (von oben).
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany