Gutachter über Woelki: „Das ist ein Gewaltangriff“
Erstmals hat sich nun jener Münchner Anwalt ausführlich geäußert, dessen Missbrauchsgutachten der Kölner Kardinal unter Verschluss hält
München Am Mittwoch ist der Druck auf den höchst umstrittenen Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki nochmals gestiegen. Nach einer weiteren Pfarrgemeinde, die ihm das Vertrauen entzogen hatte, meldete sich erstmals einer der Rechtsanwälte ausführlich zu Wort, deren Missbrauchsgutachten Woelki seit Monaten unter Verschluss hält.
Woelki hatte eine Untersuchung der Missbrauchsfälle in seinem Erzbistum Köln bei der renommierten Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl in Auftrag gegeben – dieser dann aber schwere Vorwürfe gemacht. Wegen angeblicher handwerklicher Fehler und äußerungsrechtlicher Bedenken könne das Gutachten, in dem Namen von Verantwortlichen genannt werden, nicht veröffentlicht werden.
Ulrich Wastl sprach jetzt im Interview mit Christ&Welt in der Zeit von einem „Gewaltangriff“auf seine Kanzlei und sich selbst. Ein derartiges Verhalten habe er noch nicht erlebt. Er sei davon ausgegangen, das Gutachten auf jeden Fall veröffentlichen zu können. „Das mag heute blauäugig erscheinen, aber so war es.“Im Vertrag mit dem Erzbistum Köln sei dies jedoch nicht ausdrücklich so festgehalten gewesen.
Anwalt Wastl und seine Kanzlei halten dennoch unverändert eine Veröffentlichung ihres Gutachtens nicht nur für rechtlich möglich, für sie ist sie zwingend geboten. Zum einen stehe man bei den Missbrauchsbetroffenen im Wort. Zum anderen sei die fachliche Kompetenz der Kanzlei massiv in Zweifel gezogen worden – ohne dass deren Gutachten der Öffentlichkeit zur Prüfung vorliege. In einem von Woelki in Auftrag gegebenen „Gegen-Gutachten“hatten zwei Strafrechtsprofessoren das Gutachten der Münchner Kanzlei regelrecht verrissen.
Dabei gilt ein mit dem Kölner Gutachten vergleichbares Gutachten für Aachen – ebenfalls von Westpfahl Spilker Wastl – inzwischen als Vorbild für weitere Untersuchungen, die im Auftrag katholischer Bistümer noch von unabhängigen Juristen oder Historikern erstellt werden sollen. Es wurde im November im Beisein des Aachener Bischofs öffentlich und unter Nennung der Namen von Verantwortlichen vorgestellt. Beanstandungslos.
Wie in drei Pressemitteilungen zuvor, wies der Münchner Jurist den Vorwurf, gepfuscht zu haben, vehement zurück. Einen Rücktritt Woelkis forderte Wastl, der als Anwalt unter anderem bereits für den damaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel tätig war, nicht. Dies sei ihm egal. „Ich hege keine Rachegefühle.“Zudem sagte er, in der katholischen Kirche ginge ein „Reflex, die Institution schützen zu wollen, und das Bedürfnis nach Selbstschutz oft Hand in Hand“.
Und so vergeht kaum ein Tag, an dem die Kritik an Kardinal Woelki und sein Gebaren nicht weiter anwächst.
Wie tief er im Ansehen gesunken ist, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Erklärung der Gemeindegremien der Kirche der Jesuiten Sankt Peter Köln. In ihr wird – wegen „erwiesener Unfähigkeit zur Selbstreform“– eine externe Begutachtung gefordert. Diese sollte „dringend“über eine Apostolische Visitation von Bischöfen hinausgehen. Es ist ein Hilferuf an den Papst. Am Dienstagabend erklärte die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“: „Jeder Tag, an dem im Kölner Erzbistum die Unklarheit über das zurückgehaltene Missbrauchsgutachten andauert, ist einer zu viel.“