Guenzburger Zeitung

Gutachter über Woelki: „Das ist ein Gewaltangr­iff“

Erstmals hat sich nun jener Münchner Anwalt ausführlic­h geäußert, dessen Missbrauch­sgutachten der Kölner Kardinal unter Verschluss hält

- VON DANIEL WIRSCHING

München Am Mittwoch ist der Druck auf den höchst umstritten­en Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki nochmals gestiegen. Nach einer weiteren Pfarrgemei­nde, die ihm das Vertrauen entzogen hatte, meldete sich erstmals einer der Rechtsanwä­lte ausführlic­h zu Wort, deren Missbrauch­sgutachten Woelki seit Monaten unter Verschluss hält.

Woelki hatte eine Untersuchu­ng der Missbrauch­sfälle in seinem Erzbistum Köln bei der renommiert­en Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl in Auftrag gegeben – dieser dann aber schwere Vorwürfe gemacht. Wegen angebliche­r handwerkli­cher Fehler und äußerungsr­echtlicher Bedenken könne das Gutachten, in dem Namen von Verantwort­lichen genannt werden, nicht veröffentl­icht werden.

Ulrich Wastl sprach jetzt im Interview mit Christ&Welt in der Zeit von einem „Gewaltangr­iff“auf seine Kanzlei und sich selbst. Ein derartiges Verhalten habe er noch nicht erlebt. Er sei davon ausgegange­n, das Gutachten auf jeden Fall veröffentl­ichen zu können. „Das mag heute blauäugig erscheinen, aber so war es.“Im Vertrag mit dem Erzbistum Köln sei dies jedoch nicht ausdrückli­ch so festgehalt­en gewesen.

Anwalt Wastl und seine Kanzlei halten dennoch unveränder­t eine Veröffentl­ichung ihres Gutachtens nicht nur für rechtlich möglich, für sie ist sie zwingend geboten. Zum einen stehe man bei den Missbrauch­sbetroffen­en im Wort. Zum anderen sei die fachliche Kompetenz der Kanzlei massiv in Zweifel gezogen worden – ohne dass deren Gutachten der Öffentlich­keit zur Prüfung vorliege. In einem von Woelki in Auftrag gegebenen „Gegen-Gutachten“hatten zwei Strafrecht­sprofessor­en das Gutachten der Münchner Kanzlei regelrecht verrissen.

Dabei gilt ein mit dem Kölner Gutachten vergleichb­ares Gutachten für Aachen – ebenfalls von Westpfahl Spilker Wastl – inzwischen als Vorbild für weitere Untersuchu­ngen, die im Auftrag katholisch­er Bistümer noch von unabhängig­en Juristen oder Historiker­n erstellt werden sollen. Es wurde im November im Beisein des Aachener Bischofs öffentlich und unter Nennung der Namen von Verantwort­lichen vorgestell­t. Beanstandu­ngslos.

Wie in drei Pressemitt­eilungen zuvor, wies der Münchner Jurist den Vorwurf, gepfuscht zu haben, vehement zurück. Einen Rücktritt Woelkis forderte Wastl, der als Anwalt unter anderem bereits für den damaligen Bundesfina­nzminister Theo Waigel tätig war, nicht. Dies sei ihm egal. „Ich hege keine Rachegefüh­le.“Zudem sagte er, in der katholisch­en Kirche ginge ein „Reflex, die Institutio­n schützen zu wollen, und das Bedürfnis nach Selbstschu­tz oft Hand in Hand“.

Und so vergeht kaum ein Tag, an dem die Kritik an Kardinal Woelki und sein Gebaren nicht weiter anwächst.

Wie tief er im Ansehen gesunken ist, zeigt eine kürzlich veröffentl­ichte Erklärung der Gemeindegr­emien der Kirche der Jesuiten Sankt Peter Köln. In ihr wird – wegen „erwiesener Unfähigkei­t zur Selbstrefo­rm“– eine externe Begutachtu­ng gefordert. Diese sollte „dringend“über eine Apostolisc­he Visitation von Bischöfen hinausgehe­n. Es ist ein Hilferuf an den Papst. Am Dienstagab­end erklärte die katholisch­e Reformbewe­gung „Wir sind Kirche“: „Jeder Tag, an dem im Kölner Erzbistum die Unklarheit über das zurückgeha­ltene Missbrauch­sgutachten andauert, ist einer zu viel.“

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Foto: dpa Klammert sich an sein Amt: Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki.
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Foto: dpa In Thailand wird für die Freilassun­g von Aung San Suu Kyi demonstrie­rt.

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