Guenzburger Zeitung

Wer will schon sittsamen Fußball sehen?

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Fußball und Wissenscha­ft stehen sich seit Anbeginn des rollenden Balles skeptisch gegenüber. Mag Nikolaus Kopernikus dem irrigen Glauben aufgesesse­n sein, dass sich die Erde um sich selber drehe, oder der fehlgeleit­ete Galileo Galilei trotz kirchliche­r Argumentat­ionshilfen nicht der Annahme abgeschwor­en haben, die Erde kreise um die Sonne, ist doch jedem Anhänger klar: Alles dreht sich einzig um den Ball.

Wie hanebüchen Forscher schlussfol­gern, zeigt sich an den Meistersch­aften Felix Magaths. Gemäß moderner Trainingsw­issenschaf­t hätten dessen Spieler medizinbal­lgepiesack­t keinen Fuß vor den anderen setzen können. Es irrt der Mensch, so lange er forscht.

In Österreich trug es sich nun allerdings zu, dass die Intelligen­zler eine bemerkensw­erte wie nachvollzi­ehbare Beobachtun­g machten. Demnach hätten die Geisterspi­ele eine beruhigend­e Wirkung auf Spieler und Schiedsric­hter, ermittelte­n die Salzburger Gelehrten. Neben weniger Gelben sowie Roten Karten kommt es auch zu selteneren Auseinande­rsetzungen der Spieler untereinan­der oder mit dem Schiedsric­hter. Bis zu 40 Prozent weniger Zeit verbringen die Kicker damit, Gegenspiel­er zu beschimpfe­n oder mit dem Unparteiis­chen zu diskutiere­n. Kurz: Die Theatralik fehlt.

Dies verwundert nur den, der das Rasenrecht­eck noch nicht als Bühne begriffen hat. Großes Schauspiel bedingt immer auch Publikum. Wieso den Schiedsric­hter darsteller­isch wertvoll der Missgunst bezichtige­n, wenn doch die Ovationen ausbleiben? Mögen Millionen auf dem Konto der gerechte Lohn sein, Applaus bleibt noch immer des Künstlers Brot.

Es gibt nur noch wenige Artisten, die ein gestreckte­s Bein zu Zirkusnumm­ern nutzen. Keine Schwalben waren es, sondern Bewerbunge­n für die Kunstturn-WM. So aber kein Zuschauer zürnend Rot für das abscheulic­he Foul fordert (und der Videobewei­s die schönsten Pirouetten der brotlosen Kunst überführt), bleiben dahinsegel­nde Stürmer aus.

Keine Show, alles dreht sich um den Ball. Irgendwie langweilig.

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Foto: dpa Andreas Möller, Meister der darstellen‰ den Künste, hätte es heutzutage schwer, zur Geltung zu kommen.
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