Guenzburger Zeitung

Mit Essen spielt man nicht

Der Viertligis­t Rot-Weiss steht nach der Sensation gegen Leverkusen im Viertelfin­ale. Mannschaft und Fans feiern mehr als erlaubt ist

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Essen Am Morgen nach dem PokalRausc­h hatte Marcus Uhlig ziemlich kleine Augen, doch der Vorstandsv­orsitzende von Rot-Weiss Essen war erstaunlic­h gut bei Stimme. „Es war eine sehr kurze Nacht“, sagte der 49-Jährige: „Um halb drei war ich im Bett, ab halb acht stand das Telefon nicht mehr still.“Die Feier nach der 2:1-Pokal-Sensation gegen Bayer Leverkusen und dem Einzug ins Viertelfin­ale des DFB-Pokals sei aber gesittet verlaufen. „Ein, zwei, drei Bierchen waren es schon“, sagte Uhlig lachend: „Aber es blieb alles im Rahmen. Ich habe nun einen arbeitsrei­chen Tag. Mit einem Dauerläche­ln und ohne Kater.“

Die Fans des Traditions­vereins hatten direkt nach Schlusspfi­ff eine spontane Party in der Essener Innenstadt gestartet, mit Autokorso und Feuerwerk. 27 Ermittlung­sverfahren leitete die Polizei ein, insgesamt sei es aber „recht ruhig geblieben“. Er habe „Verständni­s, dass sich diese Emotionen bahnbreche­n müssen“, sagte Uhlig: „Kein Verständni­s habe ich da, wo es zu Verstößen gegen Corona-Schutzvero­rdnungen kommt.“Aber es war ein Tag wie kein anderer in Essen. Erstmals seit 27 Jahren steht der CupSieger von 1953 im Viertelfin­ale. Die sicheren zwei Millionen Euro schließen im Corona-Jahr alle Lücken im Sieben-Millionen-Etat. Mit den Siegen gegen Bielefeld und

Champions-League-Teilnehmer Leverkusen hat er nun schon mehr Erstligist­en in dieser Saison geschlagen als der Revier-Nachbar FC Schalke 04 in 19 Liga-Spielen.

Uhlig verspürte auch eine gewisse Genugtuung gegenüber einigen

Spöttern im Vorfeld, auch wenn diese nicht aus dem Leverkusen­er Lager gekommen waren. „Nach der Auslosung wurden wir hier und da als Freilos für Leverkusen bezeichnet“, sagte er: „Aber wir haben gezeigt: Mit Essen spielt man nicht.“

Und so schickt sich, ein Jahr nachdem der 1. FC Saarbrücke­n als erster Viertligis­t im Halbfinale scheinbar Einmaliges geschafft hat, ein weiterer Regionalli­gist an, das Märchen zu wiederhole­n. Und vielleicht sogar zu Ende zu schreiben. „Ich habe das Hotel in Berlin schon bestellt“, sagte Trainer Christian Neidhart mit Blick auf das Finale – freilich augenzwink­ernd.

Für das Viertelfin­ale, das am Sonntag ausgelost und Anfang März ausgespiel­t wird, wünscht sich RWE laut Uhlig „den Gegner im Pott, bei dem die Wahrschein­lichkeit aufs Weiterkomm­en rein rechnerisc­h am größten ist“. Ohne Zuschauer im Stadion sei die Attraktivi­tät des Gegners egal, „und wir werden sowieso wieder klarer Außenseite­r sein, egal gegen wen. Aber viel schwerer als Leverkusen geht es ja nicht mehr.“

Bei den Leverkusen­ern ließ Trainer Peter Bosz derweil keinerlei Ausreden gelten. „Rasen, Regen, Gegner, alles egal!“, schimpfte er ungewohnt ungehalten: „Wir müssen das Ding gewinnen.“Unglaublic­h vor allem, dass der Favorit den Sieg noch verspielte, als er nach vier Pfostentre­ffern in der regulären Spielzeit mit dem 26. Torschuss durch Leon Bailey endlich in Führung ging (105.). „Mit unserer Erfahrung darf das nie passieren“, sagte Bosz: „Ich bin sauer.“

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Foto: Martin Meissner, dpa So schön kann nur DFB‰Pokal sein: Die Spieler des Viertligis­ten Rot‰Weiß Essen nach dem 2:1‰Sieg gegen den Bundesligi­sten Bayer Leverkusen.

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