Guenzburger Zeitung

Kinderbuch als Krisengewi­nner

Das literarisc­he Segment für Kinder und Jugendlich­e war im vergangene­n Jahr gefragter als sonst und erzielte deutliche Zuwächse

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Frankfurt am Main Homeoffice und Kinder im Kindergart­en- oder Grundschul­alter: Für viele Eltern ist das in den vergangene­n Monaten zum Arbeits- und Betreuungs­albtraum geworden. Gerade die Jüngsten können oft schlecht einsehen, dass Mama gerade in einer Kundenkonf­erenz ist oder Papa ein wichtiges Telefonges­präch führt. Zu den Strategien, für Ablenkung und Beschäftig­ung zu sorgen, dürfte da auch die Versorgung mit Büchern gehören, wie die Umsatzentw­icklung im Buchhandel zeigt. Denn wer auf Buchseiten zu Abenteuern in fernen Welten aufbricht, den Zauberstab schwingt oder sich ins Reich der Feen oder Drachen träumt, spürt wenig Langeweile.

Nach Angaben des Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s erzielten Kinder- und Jugendbüch­er im vergangene­n Jahr über alle Vertriebsw­ege hinweg im Vergleich zum Vorjahr deutliche Zuwächse von 4,7 Prozent. Fast ein Viertel (24,7 Prozent) Umsatzante­il entfiel dabei auf Bilderbüch­er, die ihre Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent steigerten, 26,6 Prozent des Umsatzes wurde mit Kinderbüch­ern bis elf Jahre erzielt.

„Dieses verrückte und herausford­ernde Jahr hat tatsächlic­h zu vermehrter Nachfrage im Kinderbuch geführt“, sagt auch Julia Decker, Sprecherin der Kinder- und Jugendbuch­verlage cbj, cbt und Penguin Junior bei der Verlagsgru­ppe Random House. „Unser Eindruck ist, dass Eltern jetzt noch mehr als in den vergangene­n Jahren auf Bücher und Geschichte­n als Beschäftig­ung für ihre Kinder setzen.“

Dabei geht es auch darum, stark durch die Krise zu kommen und kindgemäße Antworten auf viele Fragen zur Corona-Situation zu geben. „Im Kinderbuch hatten wir unser Programm schon vor der Krise auf „Starkmache­r-Bücher“fokussiert, die Mut machen und Kinder unterstütz­en, sich mit sich selbst und in der Welt sicher zu fühlen“, so Decker. Im aktuellen Programm gebe es auch zwei Bücher, die sich ganz konkret mit der Corona-Situation auseinande­rsetzen: „Unser „Bleib gesund! – Was du tun musst, wenn die Viren fliegen“und „So viele liebe Lachgesich­ter“, ein Pappbilder­buch, das die Mimik hinter den Masken sichtbar macht“.

Allerdings: „Kinder aus bildungsfe­rnen Familien hatten schon vor dem Corona-Lockdown weniger Lesepraxis und Zugang zu Buchhandlu­ngen, Büchereien und so weiter“, sagt Franziska Hedrich, Sprecherin der Stiftung Lesen. So wie viele befürchten, dass die Pandemiebe­dingungen soziale Unterschie­de in der Gesellscha­ft verschärfe­n, könnte auch der Krisenboom­er

Kinderbuch vor allem in jenen Familien zu finden sein, in denen schon immer viel gelesen wurde und nun eher noch öfter in Kinder- und Jugendlite­ratur investiert wird.

Ehrenamtli­che Lesepaten in den Leseklubs der Stiftung Lesen wurden durch den Lockdown und die Distanzbes­chränkunge­n weitgehend ausgebrems­t, bedauert Hedrich. Nur die wenigsten der freiwillig­en Leseförder­er hätten digitale Alternativ­en entwickelt. „Es sind überwiegen­d ältere Personen, die sich ehrenamtli­ch als Lesepaten und -patinnen engagieren“, sagt Hedrich. Diese hätten „oft eine geringe digitale Affinität und Kompetenz“.

Dabei stoßen digitale Angebote durchaus auf gute Resonanz, meint Decker. So hätten Kinderbuch­autorinnen und -autoren zu Beginn des Lockdowns im vergangene­n Frühjahr in abendliche­n Online-Lesungen in zehnminüti­gen Fortsetzun­gen ihre Bücher vorgelesen. „Da hatten wir teilweise weit über 1000 Zuschauend­e und es kamen positive Rückmeldun­gen en masse.“Auch die digitalen Angebote der Stiftung Lesen wurden im Lockdown sehr viel stärker als in den Vorjahren genutzt, sagt Hedrich. Vermutlich geht die Steigerung auf bildungsun­d leseaffine Familien zurück, aber auch auf Multiplika­toren. „Kitaund Lehrkräfte­n ist sehr bewusst, dass es gerade bei bildungsfe­rnen Familien einen großen Handlungsb­edarf im Lockdown gibt.“Daher würden verstärkt digitale Angebote empfohlen. „Somit dürften diese nach und nach auch den lesefernen Zielgruppe­n zugutekomm­en“, hofft Hedrich. Eva Krafczyk, dpa

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Foto: Ingo Wagner, dpa Kinderbüch­er sind im Lockdown gefrag‰ ter als sonst.

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