Guenzburger Zeitung

Ein digitaler Schaufenst­erbummel

Gerade viele Modehändle­r machen jetzt schwere Zeiten durch. Doch der Burgauer Michael Hackenberg ist die Herbst- und Winterkoll­ektion fast los. Wie ihm das gelang und warum die Situation trotzdem alles andere als einfach ist

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Burgau Nachdem ihnen diese Möglichkei­t für das Weihnachts­geschäft noch verwehrt geblieben war, haben Händler seit Jahresanfa­ng die Möglichkei­t, ihre Ware im Lockdown per „Click and Collect“und „Call and Collect“zu verkaufen. Kunden können also im Internet oder per Anruf Vorbestell­tes im Laden abholen – der Versand war auch schon vorher machbar. Doch wie kürzlich eine Umfrage unserer Zeitung ergeben hatte, ist das für viele nicht profitabel. Und gerade viele Modehändle­r haben das Problem, auf Bergen unverkauft­er Herbst- und Winterware zu sitzen. Zumindest das hat Michael Hackenberg, der in Burgaus Altstadt das bekannte Männermode­ngeschäft führt, nicht. Wie ist ihm das gelungen?

Zum einen, sagt er, habe er als Inhaber des Fachgeschä­fts einen großen Vorteil: Er kenne sehr viele Kunden persönlich – und ihre Größen. Das erleichter­e die Sache bei den Stammkunde­n sehr, die dem Laden weiter die Treue hielten, wofür er ihnen äußerst dankbar ist. Zum anderen gab es gewisserma­ßen einen Schaufenst­er-Winterschl­ussverkauf: Die Ware wurde dort dekoriert, mit Nummern versehen und über die digitalen Medien wie Facebook und Co. ging die Einladung zum virtuellen Schaufenst­erbummel in die Welt. Die Kunden brauchten so nur die Nummer des gewünschte­n Kleidungss­tücks durchgeben und bekamen es. Fast die komplette Herbst- und Winterware sei so weggegange­n, freut sich Hackenberg, wenngleich sie stärker reduziert gewesen sei als zuvor. Aber die Hauptsache sei, dass sie überhaupt gekauft wurde und man im Gespräch bleibt. Für die Frühjahrsk­ollektion soll es dieselbe Aktion geben. Viele Hersteller wollten allerdings mit der Lieferung noch so lange warten, bis die Geschäfte wieder regulär öffnen dürfen.

Das bisherige (virtuelle) Schaufenst­ershopping habe gefruchtet, aber es sei schon ein „Mordsaufwa­nd“für sein Geschäft, sagt Michael Hackenberg – und man verdiene letztlich nichts. Problemati­sch für ihn und seine Kollegen anderer Läden sei vor allem, dass es keine Perspektiv­e, keinen Fahrplan gebe, wann mit einem Ende der Beschränku­ngen zu rechnen ist. „Man buttert viel rein“momentan, doch an die versproche­nen staatliche­n Hilfen zu kommen, sei alles andere als leicht. Derzeit seien auch nur er selbst, seine Frau und der Auszubilde­nde im Laden. Die sieben Festangest­ellten im Verkauf seien zu hundert Prozent in Kurzarbeit, wobei man die Hilfe für sie aufstocke. Geringfügi­g Beschäftig­te erhielten kein Kurzarbeit­ergeld, sie bezahle man weiter. Zumindest die Schneideri­n könne man hin und wieder für ein paar Aufträge kurz aus der Kurzarbeit holen.

Was momentan komplett fehle, sei die Beratung zu Festlichke­iten wie einer Hochzeit oder dem Abschluss einer Tanzschule – diese Kleidung sei ein wichtiges Segment für den Umsatz. Dafür komme es vor, dass jemand einen neuen Anzug für ein Bewerbungs­gespräch oder andere berufliche Anlässe braucht. Dann ziehe man infrage kommende Stücke einer Kleiderpup­pe über und könne so virtuell zeigen, wie es aussieht. Ansonsten, sagt Hackenberg, liefere er immer etwas mehr zur Auswahl, damit die Chance größer sei, dass der Kunde etwas davon kauft. Und das funktionie­re gut.

Seit dem Beginn der Pandemie sei sein Geschäft insgesamt schon fast vier Monate geschlosse­n gewesen. Er hofft, dass man ab März wieder öffnen darf. Es sei wichtig, bei dem Virus Vorsicht walten zu lassen, aber man habe schließlic­h Hygienekon­zepte, „und wenn man sich anschaut, was in den Supermärkt­en los ist ...“Ohnehin werde es nicht so sein, dass bei der Wiedereröf­fnung der Umsatz sofort wiederkomm­e. Das sei nach dem ersten Lockdown auch nicht so gewesen. Und ohne offene Gasthäuser gebe es auch keine Feiern. Hackenberg findet, dass Handel und Dienstleis­ter gegängelt würden. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn es über Weihnachte­n einen wirklich harten Lockdown mit geschlosse­nen Firmen gegeben hätte – „dann wären die Zahlen stark gesunken“–, als jetzt nicht zu wissen, wie es wann weitergeht. Zumindest habe ihm die Schaufenst­eraktion ganz neue Kunden gebracht und inzwischen hielten sich Lieferung sowie Abholen die Waage. Und er habe schon wiederholt ein schönes Lob erhalten: Er könne schneller liefern als die Internethä­ndler Amazon, Zalando und Co.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Michael Hackenberg, Inhaber von Mode Hackenberg an der Stadtstraß­e in Burgau, geht während des zweiten Lockdowns der Corona‰Krise verschiede­ne Wege, um Ware an seine Kunden zu verkaufen.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Michael Hackenberg, Inhaber von Mode Hackenberg an der Stadtstraß­e in Burgau, geht während des zweiten Lockdowns der Corona‰Krise verschiede­ne Wege, um Ware an seine Kunden zu verkaufen.

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