Guenzburger Zeitung

Das alte neue Gesicht der Hertha

Porträt Mit Pal Dardai ist der Rekordspie­ler des Berliner Bundesligi­sten als Trainer zurückgeke­hrt. Jetzt, da er wieder da ist, fragt man sich, warum er überhaupt weg war

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Pal Dardai legt großen Wert auf ausreichen­d Schlaf. Abends geht er zeitig zu Bett, in der Regel um zehn, und das selbst dann, wenn ein wichtiges ChampionsL­eague-Spiel im Fernsehen gezeigt wird. Insofern hatte er nach der 1:4-Niederlage der Hertha gegen Werder Bremen ein hartes Wochenende hinter sich.

Der 44-Jährige hatte sich nach der Entlassung von Manager Michael Preetz und Trainer Bruno Labbadia plötzlich vor der Frage gesehen, ob er nicht zum zweiten Mal nach 2015 als Cheftraine­r einspringe­n könne. Die Aussicht hat ihm den Schlaf geraubt. „Ich habe nicht geschlafen, weil ich gedacht habe, hier sind 20 Alligatore­n, die mich auffressen werden“, sagte der gebürtige Ungar in einer Medienrund­e. Ein typischer Dardai-Satz. Es bleibt unklar, ob er mit den Alligatore­n die Berliner Profis meinte, mit denen er als bisheriger Trainer von Herthas U16-Nachwuchs wieder zu tun haben würde, oder die Situation überhaupt, deren Opfer auch er im Falle eines Berliner Abstiegs werden könnte. Dardai-Sätze sind bildhaft, vorgetrage­n mit rauem ungarische­m Charme. Manchmal knapp vorbei und deshalb vieldeutig treffend. So wie es dieser ganze Kerl ist. Nahbar, emotional, geradehera­us. Von seiner U16 hat er sich mit Tränen verabschie­det. Dardai: „Mein Herz ist fast rausgeflog­en.“

Jetzt, wo der 44-Jährige wieder Cheftraine­r der Profimanns­chaft ist, fragt man sich, warum er überhaupt zwei Jahre weg war. Wozu die Umwege über Ante Covic, Jürgen Klinsmann, Alexander Nouri und Bruno Labbadia, von denen sich keiner länger als einige Monate in Berlin gehalten hat? Weil Dardai, nach zwei guten Spielzeite­n, die hochfliege­nden Pläne der notorisch anspruchsv­ollen Berliner nicht mehr erfüllen konnte. Die Stagnation war für den selbst ernannten Big City Club nur schwer zu ertragen. Dardai, mit 286 Einsätzen der Rekordspie­ler des Vereins, musste aus der ersten Reihe zurücktret­en.

Nun ist er wieder da und mit ihm – nach dem Abgang von Manager Michael Preetz – die große Identifika­tionsfigur der Hertha, die den Sprössling einer Sportlerfa­milie als 20-Jährigen verpflicht­ete. Dardais Vater war selbst Fußball-Profi. Zwei seiner drei Söhne kicken ebenfalls. Verheirate­t ist der 44-Jährige mit einer ehemaligen ungarische­n Handball-Nationalsp­ielerin. Als Mittelfeld­spieler hat es auch Pal Dardai zum ungarische­n Nationalsp­ieler gebracht.

Nun soll er der Hertha, die in Richtung Abstiegszo­ne taumelt, neuen Halt geben. Das ist ihm zuzutrauen. Die Mannschaft ist besser als ihr aktueller Rang 15, den sie sich mit dem punktgleic­hen Aufsteiger Bielefeld teilt. Aber das Auftaktpro­gramm für den Rückkehrer hat es in sich. Nach der 1:3-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt, die Mannschaft der Stunde, empfängt die Hertha heute Abend (20 Uhr/ DAZN) Spitzenrei­ter FC Bayern. Nicht auszuschli­eßen, dass ihn dieser Umstand zuletzt einigen Schlaf gekostet hat. Anton Schwankhar­t

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Foto: dpa

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