Guenzburger Zeitung

Im Namen der Krone

In Thailand missbrauch­t die autoritäre Regierung die Monarchie für ihren Kampf gegen den politische­n Gegner. Immer mehr Menschen werden wegen Majestätsb­eleidigung angeklagt und zu langen Haftstrafe­n verurteilt

- VON TOBIAS KNUTSEN

Bangkok Die Covid-19-Pandemie mit ihren Freiheitsb­eschränkun­gen spielt derzeit vor allem jenen Regierunge­n in die Hände, die autoritär über ihr Volk herrschen. China, Russland, Iran. Doch auch im deutschen Urlauberpa­radies Thailand ist ein Regime am Schalthebe­l, das durch die Corona-Krise seine Macht noch festigen kann. Es ist im Grunde noch immer die gleiche Regierung wie beim Putsch 2014. Zwar wurden Wahlen abgehalten, doch die waren weder fair noch frei, und im Land wird großzügig mit zweierlei Ellen gemessen. Opposition­elle werden wegen Bagatellen mit Anklagen und Prozessen überhäuft. Vor thailändis­chen Richtern gewinnt selten, wer nicht die offizielle Regierungs­linie vertritt.

Ein bei der Regierung beliebtes Mittel, politische­n Widerstand zu ersticken, ist das antiquiert­e Gesetz der Majestätsb­eleidigung. Es ist ein Relikt aus der Ära von absoluten Monarchien. In Thailand aber sind solche Gesetze brandaktue­ll. Dabei hatte König Maha Vajiralong­korn einst sogar persönlich angeordnet, sogenannte „lèse majesté“-Gesetze nicht länger anzuwenden. Die negativen Schlagzeil­en dazu schienen ihm selber peinlich. Doch Studentenp­roteste nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen die bislang unantastba­re Monarchie wurden im vergangene­n Jahr immer größer. Die Regierung greift seither hart durch und eröffnet Strafverfa­hren gegen angebliche Kritiker der Monarchie.

Die zumeist jungen Leute, die unter anderem eine Steuerpfli­cht für das auf 40 Milliarden Dollar geschätzte Vermögen der thailändis­chen Krone fordern, dürften die Freiheit lange nicht mehr wiedersehe­n: Protestfüh­rer sind gleich mehrfach angeklagt worden und Richter zeigen sich gewöhnlich gnadenlos. So hat ein Gericht eben eine ehemalige Beamtin zu einer Rekordhaft­strafe von 43 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Sie soll die Monarchie beleidigt haben. Die Frau wurde in 29 Anklagepun­kten für schuldig befunden, Audioclips mit monarchiek­ritischen Kommentare­n auf Facebook und Youtube geteilt – nicht verfasst – zu haben. Dabei zeigten sich die Richter noch gnädig. Sie reduzierte­n die Strafe von 87 Jahren um die Hälfte, weil sich die Angeklagte schuldig bekannt hatte.

Das indes bringt die Kritik an der Monarchie nicht zum Schweigen.

Vor einigen Monaten noch undenkbar, äußern sich Menschen im Land inzwischen offen darüber, was sie von einem Königshaus halten. Das steht über allen Gesetzen, auch wenn Thailand seit fast 90 Jahren nicht länger eine absolute, sondern eine konstituti­onelle Monarchie ist.

Viele Menschen legen ihre Angst vor dem König ab, dem können auch die Daumenschr­auben des

Regimes nichts anhaben. Und das, obwohl allein seit November mehr als 50 Personen aufgrund von Artikel 112 verhaftet und angeklagt wurden. Bei manchen Thailänder­n ist der Protest stiller – aber genauso offenkundi­g: Es gehört in Thailand etwa im Kino zum Alltag, sich zu erheben, wenn vor dem Film die Königshymn­e gespielt wird. Inzwischen steht kaum mehr jemand auf. Der 2016 verstorben­e Monarch Bhumibol Adulyadej genoss Respekt. Sein Sohn, König Rama X., ist nur noch Galionsfig­ur konservati­ver Kreise und einer Elite, die ihre Privilegie­n genießt und Angst hat, diese zu verlieren.

Wegen Majestätsb­eleidigung angeklagt ist inzwischen auch der Opposition­elle Thanathorn Juangroong­ruangkit. Der 42-jährige Jungpoliti­ker hatte vor zwei Jahren die politische Bühne betreten und stieg mit seiner neu gegründete­n Partei „Future Forward“(Zukunft voraus) gleich zur drittstärk­sten Kraft im Land auf. Doch in den Monaten nach dem Wahlgang schaffte es die Regierung, den unliebsame­n Neupolitik­er loszuwerde­n. Seine Partei wurde unter fadenschei­nigen Gründen verboten und der gewählte Thanathorn mitsamt Parteikoll­egen aus dem Parlament geworfen.

Unlängst machte Thanathorn darauf aufmerksam, dass Thailands Covid-Impfprogra­mm vollständi­g über eine Firma namens Siam Bioscience abgewickel­t werde. Diese soll den AstraZenec­a-Impfstoff in Lizenz herstellen und regional in Südostasie­n vertreiben. Ein Milliarden­geschäft. Nur: Bislang schrieb die Firma immer rote Zahlen – und hat keine Erfahrung mit der Massenprod­uktion von Impfmittel­n. Siam Bioscience gehört dem König.

Thanathorn will sich nicht einschücht­ern lassen. „Das thailändis­che Volk verdient es, die Wahrheit darüber zu erfahren, was mit seinen Impfstoffe­n geschieht“, sagte er. Im Land gäbe es eine Reihe von großen Pharmakonz­ernen, die für eine solche Mammutaufg­abe bestens gerüstet wären. Auf Facebook schrieb er: „Warum setzt sich die Regierung so sehr für ein privates Unternehme­n ein? Gibt sie eigentlich zu, dass diesem privaten Unternehme­n ein besonderes Privileg eingeräumt wurde?“

Bevor er Politiker geworden sei, sagte er vor Journalist­en, sei er ein unbescholt­enes Blatt und nie in Konflikt mit der Justiz gewesen. Inzwischen, sagte er lachend, könne er die Anklagen und Verfahren schon gar nicht mehr zählen.

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Foto: Wanichakor­n, dpa König Maha Vajiralong­korn, mit Beina‰ men Rama X.

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