Viel Spaß mit dem Kolonialismus
Nach „Floß der Medusa“widmet sich Franzobel in „Die Eroberung Amerikas“dem erfolglosesten Entdecker
Die Exkursion scheint doppelt clever. Erstens hat der österreichische Schriftsteller Franzobel zuletzt mit dem historischen Roman „Das Floß der Medusa“den bislang größten Erfolg seiner nicht eben kurzen Autorenkarriere gefeiert – da kann man, wo er sonst so vielfältig anderes geschrieben hat, nun schon mal sofort im gleichen Feld nachlegen.
Und zweitens: Während sich damals das tatsächliche Drama hinter einem berühmten Gemälde als Chiffre in der Zeit der Bootflüchtlingsdramen anbot – heute bilden die Debatten um Folgen der einstigen Kolonialisierung und der bis heute davon unterschwellig bewahrte Duktus das perfekte Umfeld für den neuen Roman. Rassismus, kultureller Chauvinismus…: Willkommen in der Kampfzone USA. Franzobel schreibt über die Urszene, „Die Eroberung Amerikas“vor bald 500 Jahren, die er betont und von der üblichen, im weißen Weltbild gründenden Pathos-Phrase abweichend eben nicht Entdeckung nennt. Und er hat sich dazu einen ganz besonderen Feldzug ausgesucht: den, der als der erfolgloseste der Geschichte gilt, geführt vom Spanier Hernando de Soto, in den Jahren 1538 bis 1542.
Der hängt zwar bis heute in der Rotunde des kürzlich von TrumpAnhängern angegriffenen Kapitols, verewigt zu Pferde auf einem Gemälde bei der „Entdeckung“des Mississippi – aber nachdem er zuvor an der Seite Pizarros in Südamerika so verheerend wie erfolgreich gehaust hat, wurde seine Tour über
Kuba nach Florida Richtung Mexiko zum Fiasko. Was der ohnehin gerne saftig schildernde und frei von aller Verpflichtung auf den historischen Ton schreibende Franzobel nutzt, um eine Groteske der Grausamkeit und des Versagens zu inszenieren. Was ja – wie im mitunter mächtig melodramatischen „Floß der Medusa“bereits – schon allein eine Zumutung bedeutet.
Aber Franzobel macht hier noch mehr. Er inszeniert im Gegenschnitt dazu eine weitere Groteske in der Gegenwart, bei der ein Anwalt namens Trutz Finkelstein in einer Sammelklage gegen die USA die Rückgabe des gesamten Staatsgebiets an die Indigenen fordert. Und dann treibt er auch noch als Erzähler selbst grenzwertigen Schabernack. Nur zum Beispiel: Als de Soto einer
Szene beiwohnt, bei der Inseleinheimische zur Unterhaltung der Eroberer von Kampfhunden zerfetzt werden, verzweifelt er in Gedanken daran, dass er seine Geliebte nicht heiraten darf, weil sie die Tochter des Chefs ist – und nennt das „hundsgemein“! Haha? Auweia. Und immer wieder blendet sich auch der Erzähler selbst kommentierend aus der Jetztzeit ein, wenn er etwa beschreibt, was die damals alles mitschleppten, dagegen: „Im 21. Jahrhundert muss man am Flughafen jeden Nagelknipser abgeben …“
So ist hier vor allem ein Autor zu erleben, der seinem Stoff nicht traut oder sich mit ihm gelangweilt hat – und darum sein Buch zerstört.
» Franzobel: Die Eroberung Amerikas. Zsolnay, 544 S., 26 ¤