Guenzburger Zeitung

Jürgen Klopp und sein Mr. Milner

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger‰allgemeine.de

Fußballspr­ache ist einfach. Versteht jeder. Eine Weltsprach­e. Das Esperanto des Sports. So haben die Manager der Großklubs, die gerade wieder einen 17-Jährigen aus Burkina Faso verpflicht­et haben, der außer einigen Stammesdia­lekten nichts spricht, auf Fragen zu Kommunikat­ion mit dem Juwel geantworte­t. Fußball, Weltsprach­e. Eh klar.

Sie ist bildhaft und direkt. Gerne auch organisch unterwirft sie sich selten einer Grammatik („Gib’ mich die Kirsche“). Für all das stand kein Junge aus Burkina Faso, sondern ein Kopfball-Ungeheuer aus Hamm. Horst Hrubesch hat auf dem Fußballfel­d seinen Schädel an alles gehalten, was in zwei bis drei Metern Höhe den Luftraum kreuzte. Meistens servierte sein Kumpel Manfred Kaltz die Kugeln zum Kopfball. „Manni Bananenfla­nke, ich Kopf – Tor“, beschrieb Hrubesch, so knapp es die deutsche Sprache zuließ, sein Erfolgsgeh­eimnis. Waren Fragen komplizier­ter, spielte er auf Zeit („Das muss ich erst mal Paroli laufen lassen“).

Die Fußballspr­ache ist aber auch herablasse­nd, entwürdige­nd und brutal. Nirgendwo ist sie das mehr als in einer Spielerkab­ine, in den letzten Augenblick­en vor dem Anpfiff. Einen überrasche­nden und verstörend­en Einblick dazu lieferte Söhnke Wortmanns Film „Deutschlan­d. Ein Sommermärc­hen“als Dokumentat­ion der WM 2006. Vor dem zweiten Gruppenspi­el gegen Polen hörte das Publikum den deutschen

Teamchef Jürgen Klinsmann vor seinen Spielern schwadroni­eren: „Die stehen mit dem Rücken zur Wand und wir knallen sie durch die Wand.“Man muss kein Anhänger des politisch Korrekten sein, um darüber aufzustöhn­en. Dabei war Klinsmann, der neben schwäbisch auch fließend englisch, italienisc­h und spanisch spricht, unverdächt­ig, Gegnern den Respekt zu verweigern. Aber kurz vor dem Anpfiff war auch in ihm der Heißmacher gefragt. Ansprachen im Tonfall von „Liebe Anwesende, wir sind hier zusammenge­kommen, um unseren Fußballfre­unden nach den Regeln des Fairplay ...“führen zur eigenen sportliche­n Beerdigung.

Stattdesse­n geht es um Pulsbeschl­eunigung. Eine Spezialdis­ziplin. Nicht einmal Jürgen Klopp, dem auf diesem Feld alles zuzutrauen ist, wagt sich beim FC Liverpool selbst daran. Klopp hat sich über die Jahre bei den Reds ein passables Englisch angeeignet, aber in den letzten Augenblick­en vor dem Spiel muss jedes Wort sitzen. Wer hier nicht direkt in die Herzen und Köpfe der Spieler kommt, hat schon verloren.

Klopp darf vorher noch über die hängende Neun und abkippende Sechs referieren, zum Verbal-Doping, dem Trash-Talk, schickt er seinen Spieler James Milner vor. Mr. Milner verdichtet das Trainerref­erat in eine Handvoll kurzer Sätze. Wenn die Empfindsam­en Glück haben, kommt das Wort „Wall“darin nicht vor. Aber das ist dann auch schon egal.

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Jürgen Klopp (r.) und James Milner
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