Guenzburger Zeitung

Mutanten machen Lockerungs‰Träume zunichte

Die besonders ansteckend­e „britische“Variante hat bereits 13 Bundesländ­er erreicht. RKI-Präsident Wieler warnt: „Die Situation ist noch lange nicht unter Kontrolle.“Gesundheit­sminister Spahn sendet ein Signal an die Familien

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Ein Jahr nach dem Ausbruch von Covid 19 in Deutschlan­d sieht Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) allenfalls einen zarten Hoffnungss­chimmer. „Wir sind auf dem Weg raus aus der Pandemie. Diesen Weg gehen wir entschloss­en, aber vorsichtig“, sagte er am Freitag in Berlin. Denn trotz sinkender Infektions­zahlen hat die Bundesregi­erung große Sorgen. Durch die Mutationen ist das Coronaviru­s gefährlich­er geworden. Schon in 13 Bundesländ­ern ist etwa die britische Variante aufgetauch­t, die als besonders ansteckend gilt. Das Robert Koch Institut rechnet mit einer weiteren Verbreitun­g. So machte Spahn denn auch deutlich, dass mit einem schnellen Ende der staatliche­n Infektions­schutzmaßn­ahmen nicht zu rechnen ist. Lockerunge­n müssten „mit Augenmaß“erfolgen, zuerst seien Kitas und Schulen an der Reihe. Bund und Länder würden darüber kommende Woche beraten.

„Wir erleben harte Wochen des Lockdowns und Schwierigk­eiten beim Start der Impfkampag­ne“, räumte Spahn ein. Doch Deutschlan­d habe nun „die Mittel, das Virus zu besiegen“, sagte er. Zu den beiden Impfstoffe­n von Biontech und Moderna komme nun der von Astrazenec­a. 800000 meist ältere Bürger hätten schon die Zweitimpfu­ng. 80 Prozent der Pflegeheim­bewohner seien einmal, die Hälfte davon bereits zweimal geimpft. Das seien durchaus auch im europäisch­en Vergleich erfreulich­e Zahlen. Infektions­zahlen sinken, aber sie sinken nicht genug“, sagte Spahn. Dass die Zahl der aktiven Corona-Fälle auf unter 200000 gesunken sei, nannte Spahn eine „ermutigend­e Entwicklun­g, die wir als Gesellscha­ft mühsam erreicht haben“. Das dürfe nun nicht leichtfert­ig verspielt werden, zeigte er sich skeptisch gegenüber zu frühen umfangreic­hen Lockerunge­n. Denn die Entwicklun­g in anderen Länder zeige, dass Erfolge auch schnell verspielt werden könnten. Neu aufge

Mutationen des Coronaviru­s erschwerte­n dessen Bekämpfung.

Die Bundesregi­erung werde aber auch Perspektiv­en für den Weg aus dem Stillstand aufzeigen, kündigte Spahn an. „Familien mit Kindern sind am Limit, wir haben sie nicht vergessen“, sagte er: „Wenn wir öffnen, dann Kitas und Schulen zuerst.“Noch allerdings sei große Vorsicht geboten: „Die Jahrhunder­tpandemie bleibt eine Zumutung und ein Test für den Charakter unserer Gesellscha­ft. Ich bin über„Die zeugt, dass wir ihn bestehen.“Es gelte jetzt, noch ein wenig durchzuhal­ten. „Auch ich bin diese Pandemie leid“, so der Bundesgesu­ndheitsmin­ister.

Lothar Wieler, Präsident des staatliche­n Robert Koch Instituts, warnte ebenfalls vor raschen Lockerunge­n: „Die Situation ist noch lange nicht unter Kontrolle.“Die Infektions­zahlen gingen aktuell zwar zurück, gleichzeit­ig aber seien die Intensivst­ationen voll. Große Sorgen bereiten ihm die neuen Virustrete­ne

Varianten, alle drei seien bereits in Deutschlan­d nachgewies­en worden. Die sogenannte britische Variante sei am weitesten verbreitet, habe inzwischen 13 Bundesländ­er erreicht. Diese Variante sei ansteckend­er, und es gebe auch erste Hinweise, dass sie zu schwereren Verläufen führen könne, so Wieler. Im Moment habe sie knapp sechs Prozent Anteil an den erkannten Corona-Infektione­n, mit steigender Tendenz. „Die Varianten dominieren noch nicht, wir müssen aber damit rechnen, dass sich vor allem die britische weiter verbreitet“, sagte Wieler. Corona sei dadurch gefährlich­er geworden: „Geben wir Covid 19 keine Chance.“

Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, sagte, dass alle drei aktuell zur Verfügung stehenden Corona-Impfstoffe ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis aufwiesen. Der jüngst zugelassen­e Impfstoff von Astrazenec­a habe in Studien 60 Prozent Wirksamkei­t bewiesen. Weil die Datenlage für die Wirksamkei­t bei älteren Personen noch unklar sei, würden zunächst Jüngere mit dem Astrazenec­a-Präparat geimpft. Ältere Personen dagegen erhielten bevorzugt die Impfstoffe von Biontech und Moderna. Cichutek warb um Vertrauen in die Zulassungs­behörden: „Alle drei Impfstoffe wirken.“

Die Zahl der Verstorben­en nach einer Corona-Infektion in Deutschlan­d ist auf mehr als 60 000 gestiegen. Innerhalb von 24 Stunden wurden 855 neue Todesfälle verzeichne­t - insgesamt 60 597. (mit dpa)

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Foto: dpa Sie mahnen und mahnen: RKI‰Präsident Lothar Wieler und Gesundheit­sminister Jens Spahn warnen davor, die „ermutigend­e Ent‰ wicklung“in der Pandemie mit sinkenden Zahlen nun leichtfert­ig zu verspielen.

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