Guenzburger Zeitung

Bürokraten machen Faxen

In Behörden wie Gesundheit­sämtern und Gerichten gehören Faxgeräte auch im Jahr 2021 noch zur Standardau­sstattung. Was die einen scharf kritisiere­n, ist für die anderen etabliert und praktisch

- VON IDA KÖNIG

Berlin Aus dem Sortiment der Telekom sind sie seit mehr als zehn Jahren verschwund­en, in vielen Büros stauben sie vor sich hin und der Generation Smartphone ist die Bedienung meist schleierha­ft – doch im Öffentlich­en Dienst sind Faxgeräte bis heute ein wichtiges Kommunikat­ionsmittel. Wieder in den Fokus gerückt sind sie durch die Übermittlu­ng von Corona-Daten. Auch nach einem Jahr Pandemie senden immer noch Gesundheit­sämter ihre Infektions­zahlen per Fax an das RobertKoch-Institut, wo sie per Hand in ein Computersy­stem eingetrage­n werden müssen. Das kostet Zeit und Kapazitäte­n, ist aber in deutschen Behörden und Gerichten nach wie vor gängige Praxis.

„Die Nutzung von Telefaxger­äten ist Ausdruck der technische­n Rückständi­gkeit deutscher Behörden und einer mangelhaft­en digitalen Infrastruk­tur“, kritisiert der FDP-Bundestags­abgeordnet­e und ehemalige sächsische Justizmini­ster Jürgen Martens im Gespräch mit unserer Redaktion. Faxgeräte seien bereits voll digital ersetzbar. „Eine Nutzung kann eigentlich nur als Ersatzlösu­ng oder technische Rückfalleb­ene bei größeren Systemstör­ungen gerechtfer­tigt sein“, so Martens. Regeln und Gesetze, die eine Digitalisi­erung in den Behörden vorschreib­en, gibt es aus seiner Sicht genug – umgesetzt würden diese allerdings nicht.

Die Arbeit mit überholter Technik ärgert auch den Bundesvors­itzenden des Deutschen Beamtenbun­des, der die Interessen der Beschäftig­ten im Öffentlich­en Dienst vertritt. „Einen Grund oder Vorteil, an Faxgeräten festzuhalt­en, gibt es aus unserer Sicht nicht, außer den Mangel an Alternativ­en“, sagt Ulrich Silberbach. Dass im Öffentlich­en Dienst vielerorts noch gefaxt werden muss, liege an veralteter ITAusstatt­ung und begrenzten Leitungska­pazitäten, bedingt durch eine jahrzehnte­lange Sparpoliti­k, wie Silberbach kritisiert. So könnten beispielsw­eise Architekte­n vielerorts keine Baupläne an Ämter mailen, weil dort die Leitungen während des Downloads zusammenbr­ächen. Ein weiteres Problem sei, dass Software von Bund, Ländern und Kommunen häufig nicht miteinande­r kompatibel sei und dadurch keine Daten ausgetausc­ht werden könnten. Der Beamtenbun­d fordert deshalb einen Digitalpak­t mit massiven Investitio­nen in IT-Ausstattun­g und Fortbildun­g.

Besonders häufig kommt das Fax noch in der Justiz zum Einsatz. Über diesen Weg können kurzfristi­g Schriftsät­ze eingereich­t werden, die bis zu einer bestimmten Frist bei Gericht eingehen müssen. Rechtsanwa­lt Marcus Werner, Vorstandsm­itglied im Deutschen Anwaltsver­ein und Fachanwalt für IT-Recht in Köln, erklärt diese Praxis folgenderm­aßen: „Im gerichtlic­hen Verfahren hat die Akte eine besondere Bedeutung und damit das Papier, welches bei den Gerichten eingeht. Weil die Gerichte bis vor kurzem per E-Mail wenig oder gar nicht erreichbar waren, war und ist das Fax immer noch die Alternativ­e zur Zusendung von Schriftstü­cken per Post.“Ab 2022 wird sich das allerdings ändern, denn ab dann müssen Kanzleien und Behörden das sogenannte besondere elektronis­che Anwaltspos­tfach (beA) nutzen, das einen rechtssich­eren elektronis­chen Versand von Schriftstü­cken ermöglicht. Das gilt jedoch nicht für Kläger und Beklagte ohne Anwälte. Ganz verschwind­en wird das Fax in der Justiz also auch nach Dezember 2021 nicht. „Ich persönlich halte das Fax für die Anwaltscha­ft aktuell immer noch für ein in der täglichen Arbeit wichtiges Arbeitsmit­tel. Neben dem beA wird es seine Rolle als technische Reserve behalten“, sagt Werner. Ein Problem ist das für ihn nicht: Denn die Arbeit mit dem Fax habe sich gut eingespiel­t und fest etabliert.

Anders sieht das der Bundesgesc­häftsführe­r des Deutschen Richterbun­des, Sven Rebehn. Eine echte Erleichter­ung ist das Faxen für die Justiz aus seiner Sicht nämlich nicht. Originale erhalte man nach dem Fax noch einmal gesondert. Das führe zu mehrfachem Schriftver­kehr und erhöhe den Arbeitsauf­wand unnötig. „Das Faxgerät ist aber ein Auslaufmod­ell, das schnellstm­öglich durch zeitgemäße Kommunikat­ionswege ersetzt werden sollte“, sagt Rebehn.

Ähnlich sieht das der Bundestags­abgeordnet­e und Digitalexp­erte der Grünen, Konstantin von Notz. Er fordert klare Fristen: „Es muss ein zeitnahes Datum festgesetz­t werden, zu dem man aus der veralteten Kommunikat­ion aussteigt, und dafür muss in digitale Kommunikat­ionsstrukt­uren investiert werden.“Gerade in Behörden setze man Bewährtes gerne einfach fort. „Trotzdem ist es im digitalen Zeitalter nicht gut, dass man hier in der Digitalisi­erung nicht weiter ist, gerade in einer Pandemie.“

Bedingt durch Corona habe sich zwar schon einiges getan, sagt Richterbun­d-Chef Rebehn. Es gebe aber noch viele Baustellen, etwa bei der Netzinfras­truktur, der IT-Ausstattun­g, dem elektronis­chen Rechtsverk­ehr oder beim Einsatz von Online-Verfahren. Wie der Beamtenbun­d fordert auch er einen Digitalpak­t. In der Justiz brauche es ähnlich wie bei den Schulen eine Co-Finanzieru­ng des Bundes für Investitio­nen der Länder.

 ?? Foto: dpa ?? Drei Kilo wog dieses im Jahr 1990 auf der Computerme­sse CeBIT vorgestell­te tragbare Faxgerät. Zwar gibt es längst verbessert­e Versionen – doch auch im Zeitalter der Digitalisi­erung ist das Fax in vielen Behörden noch Standard.
Foto: dpa Drei Kilo wog dieses im Jahr 1990 auf der Computerme­sse CeBIT vorgestell­te tragbare Faxgerät. Zwar gibt es längst verbessert­e Versionen – doch auch im Zeitalter der Digitalisi­erung ist das Fax in vielen Behörden noch Standard.

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