Guenzburger Zeitung

Unternehme­r schlagen Alarm

Seit einem Jahr hat Corona das Land im Griff. Darunter leidet mehr und mehr auch die Wirtschaft. Der Staat hilft. Aber hilft er richtig? Es gibt deutliche Kritik am Krisenmana­gement. Auch vom Unternehme­rkreis Zukunft in Not. Hier sagen sechs Mitglieder, w

- VON GÖNÜL FREY, MICHAEL KERLER, STEFAN KÜPPER UND NICOLE SIMÜLLER

Augsburg Die Sorge vor den Folgen des Corona-Lockdowns treibt viele Menschen um, darunter viele Unternehme­r. Manche von ihnen melden sich einzeln zu Wort, manche haben sich in Initiative­n zusammenge­schlossen. Eine von ihnen ist der Unternehme­rkreis Zukunft in Not, der am 28. Januar mit einer Versammlun­g auf dem Rathauspla­tz in Augsburg auf seine Anliegen aufmerksam machte. Was liegt den Unternehme­rn am Herzen? Dazu haben wir mit dem Unternehme­rkreis gesprochen.

„Uns eint die Sorge um die Betriebe und die Gesamtwirt­schaft in der Region“, sagt Stefan Ehle, Sprecher des Unternehme­rkreises und Inhaber eines Maler- und Lackierbet­riebes in Augsburg. Am Anfang standen sechs Unternehme­r, die sich teilweise kannten. Ab Mitte November habe man begonnen, Kollegen anzusprech­en. „Bei unserem ersten öffentlich­en Auftritt am 28. Januar waren wir 320 Unternehme­r, Stand heute sind es über 400. Wir repräsenti­eren rund eine Milliarde Euro Umsatz und über 5000 Mitarbeite­r.“Anlass für die Gründung sei gewesen, dass ihre Anliegen in Politik und Standesver­tretungen keine Resonanz gefunden hätten. „Unser Ziel ist auch die gegenseiti­ge Unterstütz­ung für notleidend­e Betriebe, Solidaritä­t. Wir tauschen uns aus und unterstütz­en uns gegenseiti­g.“

Eine der Hauptsorge­n des Unternehme­rkreises ist, dass die CoronaPoli­tik Betriebe in Existenzno­t bringt. In der Gastronomi­e gebe es Betriebe, die nie wieder aufmachen werden. „Teils herrscht helle Verzweiflu­ng, wenn eine vier- oder fünfköpfig­e Familie kein Einkommen mehr hat“, beschreibt es Ehle. „Wir erwarten einen Tsunami an Insolvenze­n. Er wird auch gesunde Betriebe mitreißen.“Dazu kommt die Befürchtun­g, dass das gesellscha­ftliche Leben in der Region zusammenbr­echen könnte. Kommunen werden Einnahmen für das Stadt- und Kulturlebe­n fehlen. Letztlich stelle sich die Frage, wer die Kosten des Lockdowns trägt. „Wir befürchten, dass am Ende der Mittelstan­d zahlt“, sagt Ehle.

Von Corona-Leugnern grenzt sich der Unternehme­rkreis ab: „Wir wollen nicht in die falsche Ecke gestellt werden und sind nicht darin. Wir sind nicht gegen Maßnahmen, wir nehmen das Coronaviru­s sehr ernst“, sagt Ehle. „Es hat nur keinen Sinn, mit einem Lockdown alle gleicherma­ßen und unverhältn­ismäßig zu treffen“– wie bei dem Schuss mit einer Schrotflin­te.

Welche Lösungen schweben den Unternehme­rn vor? „Die Fakten müssen auf den Tisch. Es heißt, dass es ein diffuses Infektions­geschehen gibt, das reicht nicht“, sagt Ehle. „Es ist Aufgabe zum Beispiel der Stadt, festzustel­len, wo die Infektione­n stattfinde­n. Wenn es nötig ist, muss man dafür die Manpower verstärken. Auf Basis der Faktenlage muss man dann nachsteuer­n.“Zudem fordern die Unternehme­r Maßnahmen, die auf die Lage vor Ort abgestimmt sind. Beispielha­ft kommen sechs Unternehme­r zu Wort.

● Oliver Heib, Akku‰ und Batterie‰ handel, Aichach Oliver Heib betreibt einen Akku- und Batterieha­ndel in Aichach. In seinem Ladengesch­äft verzeichne­t er infolge der CoronaPand­emie Einbußen von rund 95 Prozent, wie er erzählt. Zwar ist es seit ein paar Wochen auch in Bayern erlaubt, Produkte in eigentlich geschlosse­nen Geschäften zu bestellen und vor Ort abzuholen. Doch das sei „wirtschaft­lich nicht darstellba­r“, sagt Heib. Sein Glück sei, dass er bereits seit 22 Jahren im Onlinehand­el vertreten sei und über seinen Großhandel zusätzlich­e Einnahmen generieren könne.

Doch beim Blick aus dem Fenster auf die gegenüberl­iegende Straßensei­te werde ihm immer wieder bewusst, dass „der gesunde Menschenve­rstand in der Krisenbewä­ltigung fehlt“, wie er sagt. „Der Aldi darf öffnen, wir müssen zumachen.“Der Supermarkt dürfe Malerbedar­f verkaufen und Paletten in den Gang stellen. Die Menschen stünden bis über den Parkplatz Schlange. „Wir haben seit Februar oder März nur noch zwei Kunden hereingela­ssen, nach links und rechts separiert, darauf geschaut, dass sie die Abstände einhalten, ihre Masken tragen und dass sie sie richtig tragen.“Jetzt solle er Batterie-Abholungen vor der Tür abwickeln und mit der Ware und dem Wechselgel­d hin- und herlaufen. Aber wenn ein Kunde ein Olivenöl der B & H Handels GbR wolle, die Heib mit einem Partner betreibt und die eine Verkaufsst­elle in seinem Akku- und Batterieha­ndel hat, dann dürfe er ihn hereinbitt­en. Heib kann über solche Widersprüc­he nur den Kopf schütteln. Auch die staatliche­n Corona-Hilfen sieht er skeptisch: „Das große Problem ist, dass nur den Großen geholfen wird und bei den Kleinen nur Kredite ankommen, die eh nicht helfen und für die die Bankhürden immens hoch sind.“Die Kredite müssten irgendwann zurückgeza­hlt werden. „Die Probleme werden so nach vorne verlagert“, befürchtet Heib.

Er sagt, er will nicht jammern. Gastronome­n beispielsw­eise hätten es viel schwerer als er. Die entscheide­nde Frage sei, wie lange der Lockdown noch dauere. „Primäres Problem ist, dass kein Kunde mehr kommt. Das sekundäre Problem ist, dass die Kunden kein Geld mehr haben.“Vor allem bei kleinen Firmen gehe es um die Existenz. Heib: „Die Frage ist: Wie lange muss man den

Menschen den Lockdown noch zumuten?“Er verstehe nicht, warum der Staat so viel Geld ausgegeben habe, um große Firmen zu retten, statt es vor Beginn der zweiten Welle in Krankenhäu­ser und Intensivst­ationen zu investiere­n.

● Robert Höck, Inhaber von Metall‰ bau Höck in Friedberg und Kreishand‰ werksmeist­er Auf die Frage, wie die wirtschaft­liche Lage seines Unternehme­ns ist, sagt Robert Höck: „Wir gehören zum Bauhandwer­k, entspreche­nd ist die Lage bei uns noch gut. Aber wir sehen eine Welle von Pleiten auf uns zukommen. Und wenn die Leute kein Geld mehr haben, werden wir das auch zu spüren bekommen. Und als Kreishandw­erksmeiste­r sehe ich, dass es draußen kocht. Die Friseure, die Goldschmie­de – alle Betriebe, die im Lockdown schließen müssen – stehen mit dem Rücken zur Wand.“

Was sind aus seiner Sicht die größten Probleme mit den CoronaHilf­en der Regierung? Das Hauptprobl­em, sagt der Metallbaue­r, sei, dass von den Hilfen praktisch nichts ankomme. Nur Teile würden ausgezahlt und das auch nur schleppend, „wegen Softwarepr­oblemen oder irgendwelc­hen anderen Gründen“. Dabei heiße es ja „Corona-Schnellhil­fe und nicht Langsamhil­fe“. Und kommt er trotzdem zurecht, wie lange hält sein Unternehme­n den Lockdown noch durch? Höck sagt: „Mein Unternehme­n wird den Lockdown so lange durchhalte­n, bis die anderen nichts mehr bestellen können. Aber die Friseure draußen, die halten keine zwei Wochen mehr durch. Und würde es irgendwie dazu kommen, dass auch unser Betrieb einen Lockdown kriegt, dann würden wir auch ganz schnell die Grätsche machen. Ich muss ja meine Angestellt­en bezahlen.“

● Angelo Höfele, Friseur aus Augs‰ burg Angelo Höfele antwortet auf die Frage, wie die wirtschaft­liche Lage seines Unternehme­ns ist, Folgendes: „Um unser Friseurges­chäft brauche ich mir ‚nur‘ kleine Sorgen machen, wenn es auch finanziell ein riesiges Loch in die Kasse reißt und richtig, richtig wehtut! Wir haben ein reines Familienun­ternehmen, in dem meine Frau, unsere drei Töchter und unser Schwiegers­ohn zusammenar­beiten, das macht es leichter.“Er betont, dass es ihm um die allgemeine wirtschaft­liche Situation seiner Kollegen, der kleinen Firmen und mittelstän­dischen Unternehme­n geht, besonders um das Verhältnis zwischen „Pandemie“und den immensen wirtschaft­lichen und vor allem gesundheit­lichen Kollateral­schäden. Die größten Probleme mit den Corona-Hilfen der Regierung sieht er so: „Nicht nur in Sachen Corona-Hilfen, sondern auch in anderen Belangen sei die Bürokratie „katastroph­al“. Es gebe acht Überbrücku­ngshilfen, von denen bei ihm nur die Soforthilf­e greife, erklärt Höfele. Diese müsse voll versteuert und sehr wahrschein­lich auch zurückgeza­hlt werden. Die restlichen sieben Überbrücku­ngshilfen fielen bei seinem Berufszwei­g komplett aus. Die Innungen, Handwerksk­ammern und Industrie- und Handelskam­mern seien „stets bemüht“, beschreibt er. Und schiebt hinterher: „Mehr muss ich wohl dazu nicht sagen.“Und wie lange hält er den Lockdown noch durch? Höfele sagt: „Als Unternehme­r trenne ich ganz strikt das private und geschäftli­che Kapital. Es ist auch nicht der Sinn, dass ich mit dem angesparte­n privaten Kapital (zum Beispiel für Krankheit, Ausfall, Rente) ins Geschäftli­che investiere.“Das könne auch bei weitem nicht jeder. Er zeigt sich aber zuversicht­lich und sagt: „Wir werden die ‚beschissen­e Situation‘ mit dem ein oder anderen Kollateral­schaden überstehen.“

● Stefan Ehle, Maler‰ und Lackier‰ meister, Inhaber des Unternehme­ns Ehle, Augsburg Das Unternehme­n mit rund 80 Mitarbeite­rn ist spezialisi­ert auf Malen, Lackieren, Pulverbesc­hichtung und Betonsanie­rung. „Im Moment habe ich noch keine akuten Existenzso­rgen“, sagt Stefan Ehle. „Wir sind mit unserem Kunden- und Tätigkeits­spektrum breit aufgestell­t. Allerdings sehen wir, was auf uns zukommt.“Er befürchtet wirtschaft­liche Verwerfung­en, die größer sind als in der Finanzkris­e 2008/09 – und eine Insolvenzw­elle. „Der Markt wird dann auch für unser Unternehme­n kleiner, da mittelstän­dische Betriebe, Handwerker und Eigentümer­gemeinscha­ften unsere Auftraggeb­er sind.“In einem Bereich – der Pulverbesc­hichtung – habe er bereits Mitarbeite­r in Kurzarbeit schicken müssen. Was die Situation für ihn selbst bedeutet? „Mir selbst geht es nicht gut, ich fühle mich in meiner Freiheit beschnitte­n“, beschreibt er sein Empfinden. Der Unternehme­r weist auf das Problem hin, dass viele mittelstän­dische Unternehme­r ihr Kapital in den Betrieb investiere­n, ohne eine alternativ­e Altersvors­orge zu haben. „Wenn der Betrieb weg ist, haben wir keine Altersvors­orge mehr“, beschreibt er die Lage. Welche Perspektiv­en schweben ihm vor? „Wir brauchen Planungssi­cherheit und eine Exit-Strategie“, sagt der Unternehme­r. „Wir müssen wissen, wie wir hier wieder herauskomm­en.“

Heidi Schindler, BlitzBlank Gebäude‰ reinigung, Augsburg „Wir sind hier in Augsburg seit über 96 Jahren, die älteste Firma der Branche und überregion­al tätig“, sagt Heidi Schindler, die im Vorstand der Gebäuderei­nigerinnun­g Südbayern tätig ist. Der Meisterbet­rieb ist ein Familienun­ternehmen und beschäftig­t 400 Mitarbeite­r. Kunden sind Einzelhand­el, Banken, Fitnessstu­dios, Veranstalt­ungsräume, Museen und anderes mehr. Vieles davon ist jetzt geschlosse­n. „Wir sind seit geraumer Zeit aufgrund geschlosse­ner Objekte mit einem Teil unserer Mitarbeite­r in Kurzarbeit“, sagt sie. „Viele meiner Mitarbeite­r, die nur 60 Prozent Kurzarbeit­ergeld erhalten, können ihren Lebensunte­rhalt nicht mehr finanziere­n.“Den Regierungs­kurs sieht Heidi Schindler kritisch: „Beim ersten Lockdown waren wir verständni­svoll und haben alles mitgetrage­n. Seit rund zwei Monaten verstärkt sich der Eindruck, dass vor allem in Berlin und in der EU Chaos herrscht und die angekündig­ten Maßnahmen nicht funktionie­ren.“

Was fordert sie? „Politik und Verwaltung sollten endlich ihre Hausaufgab­en machen: Die Kontaktnac­hverfolgun­g muss funktionie­ren, die Impfsituat­ion ist katastroph­al und muss verbessert werden, die Hilfen für Unternehme­r müssen ausgezahlt werden“, sagt Heidi Schindler. „Der öffentlich­e Nahverkehr muss unbedingt verdünnt werden, auch wenn das den Verkehrsbe­trieben Geld kostet, denn damit können Folgekoste­n in vielfacher Höhe eingespart werden.“Und: „Es muss zudem zumindest eine mittelfris­tige Planung für die Öffnung aus dem Lockdown geben, denn beispielsw­eise an den Schulen ist auch für unsere Aufgaben eine Vorplanung sehr wichtig.“

● Rudolf Trautz, Tanzschule Trautz & Salmen, Augsburg Rund 20 Mitarbeite­r hat die renommiert­e Tanzschule Trautz & Salmen in Augsburg. „Alle sind derzeit in Kurzarbeit, die verblieben­en Onlinekurs­e machen wir Inhaber bis auf einige Spezialgeb­iete selbst“, sagt Rudolf Trautz. Die Kurse finden mit dem Videoprogr­amm Zoom statt, die Teilnehmer tanzen in ihren Wohnzimmer­n. „Wenn ich am Freitag zwei Stunden Zoom-Unterricht gebe, ist das für mich der Höhepunkt der Woche“, sagt der Tanzlehrer. „Die Leute sind dankbar, dass sie zu Hause Sinnvolles machen können. Wir haben in der Tanzschule eine große Leinwand, an der wir die Tänzer sehen und korrigiere­n können.“In der Corona-Krise hat für ihn der bürokratis­che Aufwand zugenommen. Ob er Existenzso­rgen hat? „Wir hangeln uns von Monat zu Monat. Nachdem jetzt eine kleine Hilfszahlu­ng eingetroff­en ist, haben wir wieder ein Luftpolste­r von vier Wochen.“Die Aussichten sind schwierig. Ein Tanzkurs dauert einige Wochen oder Monate. Fallen Kurse auseinande­r, müssen neue erst nachwachse­n. „Wenn alles normal wäre, brauchen wir trotzdem drei Jahre, um dort zu sein, wo wir vor der Krise waren.“Welche Perspektiv­en er sich vorstellt? „Wir sollten wieder die Chance haben, unser Leben zu leben, Unterricht zu geben und aufzumache­n“, sagt er. „Wir führen genaue Listen am Eingang und Ausgang, wer zu uns kommt und können damit einen Beitrag leisten, Kontakte nachvollzi­ehbar zu machen.“Eine bekannte Ansteckung habe es in seiner Tanzschule noch nicht gegeben.

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Foto: Heiko Küverling, Adobe Stock Wie lange stehen die Unternehme­n den Lockdown noch durch?
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Robert Höck
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Rudolf Trautz
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Angelo Höfele
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Heidi Schindler
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Oliver Heib

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