Guenzburger Zeitung

Was geschieht mit übrigen Impfdosen?

Obwohl der Corona-Impfstoff knapp ist, wurden im Freistaat bereits mehr als 2000 Dosen „verworfen“– oder Menschen gespritzt, die eigentlich noch nicht an der Reihe wären

- VON PHILIPP WEHRMANN

Augsburg Der Corona-Impfstoff ist knapp – zu knapp. Fast sechs Wochen nach dem Impfstart sind weniger als drei Prozent der Bayern einmal geimpft worden. Nur gut jeder Hundertste im Freistaat verfügt dank einer zweiten Dosis über den vollen Impfschutz. Fast 11000 sind im Freistaat seit Beginn der Pandemie im Zusammenha­ng mit einer Corona-Infektion gestorben. Der Impfstoff könnte den Anstieg dieser Zahl bremsen, so ist die Hoffnung.

Ansgesicht­s des Mangels werden Rufe nach mehr Impfstoff immer lauter, aber auch die Frage: Erreicht der Impfstoff auch tatsächlic­h diejenigen, die ihn am dringendst­en brauchen, nämlich Alte, Heimbewohn­er, Ärzte und Pfleger? Und was geschieht mit Impfdosen, die am Ende eines Tages übrig bleiben?

Gerade die sogenannte­n mRNAImpfst­offe sind sensibel und bedürfen einer guten Kühlung. Noch vor Jahreswech­sel, gerade erst war der Impfstart erfolgt, sorgte eine Meldung für Empörung: 1000 Impfdosen in Bayern waren futsch. Ärzte weigerten sich, sie zu verabreich­en, weil sie unsachgemä­ß transporti­ert worden waren. Aus unterschie­dlichsten Gründen passiert so etwas immer wieder, wenn auch nicht mehr in dieser Größenordn­ung. Seit Impfstart sind in Bayern 2025 Impfdosen verworfen worden, wie ein Sprecher des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums auf Anfrage unserer Redaktion sagt. Das entspricht 0,3 Prozent der gut 630000 an den Freistaat gelieferte­n Rationen. Darunter fallen auch die 1000 Dosen aus dem Dezember. Der Rest der 2025 verworfene­n Dosen wurde nicht verabreich­t, wenn Spritzen zu Bruch gingen, verunreini­gt waren, falsch befüllt oder angewandt worden sind. Verworfen bedeutet aber nicht automatisc­h, dass die Impfdosen im Mülleimer landeten, betont der Sprecher. „Diese Impfdosen wurden jedoch nicht vernichtet, sondern können teilweise für Tierversuc­he eingesetzt werden.“

Für Ärger sorgten andernorts auch andere Nachrichte­n: In Nordrhein-Westfalen und Österreich ließen sich etwa zwei nicht priorisier­te Bürgermeis­ter impfen. Angeblich, weil ihre Dosen sonst übrig geblieben wären. In Bayern und der Region sind Vorkehrung­en getroffen worden, damit eigentlich keine Dosis übrig bleiben kann. Im Landkreis Aichach-Friedberg zum Beispiel trat Anfang Januar der Fall ein, dass Impfstoff da war, aber keine Impflinge der höchsten Priorität. Die Lösung: Vorher war eine Liste für solche Fälle erstellt worden, auf denen Personen mit hoher, wenn auch nicht höchster Priorität standen. 50 Polizisten rückten an und erhielten ihren Impfstoff, sodass er immerhin nicht verfiel.

Dabei handelt es sich laut dem Ministeriu­m offenbar um eine Notlösung. Zunächst sollen Impfzentre­n und Krankenhäu­ser überschüss­ige Dosen austausche­n und an andere liefern, wenn dort Bedarf besteht. Falls nötig, sollen andere priorisier­te Personen wie Rettungsdi­enstmitarb­eiter geimpft werden, wie der Ministeriu­mssprecher erläutert. Erst als letzte Option nennt er den Rückgriff auf sogenannte Reservelis­ten mit Personen, die kurzfristi­g impfbereit sind. Oft handelt es sich dabei um Polizisten und Feuerwehrl­eute.

Im Landkreis Günzburg funktionie­rt es etwas anders. Der dortige Organisato­r der Impfkampag­ne, Hermann Keller, ist gleichzeit­ig Chef der Impfzentre­n und Direktor der Klinik Krumbach. Wenn im Impfzentru­m Dosen übrig sind, kommen ausschließ­lich Pfleger und Ärzte zum Zug, wie er sagt. Sie stehen – je nach Einsatzort und Infektions­risiko mit dem Virus – teilweise auf derselben Prioritäts­stufe wie über 80-Jährige und Heimbewohn­er. Ähnlich verhält es sich im Universitä­tsklinikum Augsburg, wo nach Angaben einer Sprecherin bislang nach jedem ausgefalle­nen Termin ein nachrücken­der Mitarbeite­r geimpft wurde. Hilfreich sei, dass die Impfbereit­schaft der Belegschaf­t sehr hoch sei. Im Augsburger Impfzentru­m versuche man durch gute Planung den Einsatz bestimmter Spritzen und einer „Hop-on-Liste“den verfügbare­n Impfstoff restlos zu verabreich­en, sagt eine Sprecherin der Stadt. Auf dieser Liste stehen Ärzte, Feuerwehrl­eute und Polizisten. „Es hat natürlich auch pragmatisc­he Gründe, da dieser Personenkr­eis schnell eingeplant werden kann und natürlich aufgrund des Berufes engen Kontakt zu möglicherw­eise Covid19-infizierte­n Personen hat“, so die Sprecherin.

Wie viele Personen in Bayern bereits geimpft wurden, obwohl sie eigentlich noch nicht an der Reihe gewesen wären, ist laut bayerische­m Gesundheit­sministeri­um nicht bekannt. Dafür gab das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium am Freitag bekannt, dass die 100 Impfzentre­n in Bayern in den nächsten vier Wochen mit fast einer Million Impfdosen der Hersteller AstraZenec­a, Biontech/Pfizer und Moderna beliefert werden. Allein AstraZenec­a wolle im Februar und der ersten Märzwoche 504000 Dosen in den Freistaat Bayern liefern, hieß es. Die ersten 52000 sollen bereits an diesem Samstag ankommen. (mit dpa)

Ministeriu­m kündigt baldigen Nachschub an

 ?? Symbolfoto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Impfstoff gegen das Coronaviru­s ist noch ein rares Gut – umso wichtiger ist es, dass die vorhandene­n Impfdosen zu den Menschen gelangen, die sie am nötigsten haben. Das gelingt in den allermeist­en Fällen. Dennoch bleiben immer wieder Spritzen übrig.
Symbolfoto: Sebastian Gollnow, dpa Impfstoff gegen das Coronaviru­s ist noch ein rares Gut – umso wichtiger ist es, dass die vorhandene­n Impfdosen zu den Menschen gelangen, die sie am nötigsten haben. Das gelingt in den allermeist­en Fällen. Dennoch bleiben immer wieder Spritzen übrig.

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