Was geschieht mit übrigen Impfdosen?
Obwohl der Corona-Impfstoff knapp ist, wurden im Freistaat bereits mehr als 2000 Dosen „verworfen“– oder Menschen gespritzt, die eigentlich noch nicht an der Reihe wären
Augsburg Der Corona-Impfstoff ist knapp – zu knapp. Fast sechs Wochen nach dem Impfstart sind weniger als drei Prozent der Bayern einmal geimpft worden. Nur gut jeder Hundertste im Freistaat verfügt dank einer zweiten Dosis über den vollen Impfschutz. Fast 11000 sind im Freistaat seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion gestorben. Der Impfstoff könnte den Anstieg dieser Zahl bremsen, so ist die Hoffnung.
Ansgesichts des Mangels werden Rufe nach mehr Impfstoff immer lauter, aber auch die Frage: Erreicht der Impfstoff auch tatsächlich diejenigen, die ihn am dringendsten brauchen, nämlich Alte, Heimbewohner, Ärzte und Pfleger? Und was geschieht mit Impfdosen, die am Ende eines Tages übrig bleiben?
Gerade die sogenannten mRNAImpfstoffe sind sensibel und bedürfen einer guten Kühlung. Noch vor Jahreswechsel, gerade erst war der Impfstart erfolgt, sorgte eine Meldung für Empörung: 1000 Impfdosen in Bayern waren futsch. Ärzte weigerten sich, sie zu verabreichen, weil sie unsachgemäß transportiert worden waren. Aus unterschiedlichsten Gründen passiert so etwas immer wieder, wenn auch nicht mehr in dieser Größenordnung. Seit Impfstart sind in Bayern 2025 Impfdosen verworfen worden, wie ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums auf Anfrage unserer Redaktion sagt. Das entspricht 0,3 Prozent der gut 630000 an den Freistaat gelieferten Rationen. Darunter fallen auch die 1000 Dosen aus dem Dezember. Der Rest der 2025 verworfenen Dosen wurde nicht verabreicht, wenn Spritzen zu Bruch gingen, verunreinigt waren, falsch befüllt oder angewandt worden sind. Verworfen bedeutet aber nicht automatisch, dass die Impfdosen im Mülleimer landeten, betont der Sprecher. „Diese Impfdosen wurden jedoch nicht vernichtet, sondern können teilweise für Tierversuche eingesetzt werden.“
Für Ärger sorgten andernorts auch andere Nachrichten: In Nordrhein-Westfalen und Österreich ließen sich etwa zwei nicht priorisierte Bürgermeister impfen. Angeblich, weil ihre Dosen sonst übrig geblieben wären. In Bayern und der Region sind Vorkehrungen getroffen worden, damit eigentlich keine Dosis übrig bleiben kann. Im Landkreis Aichach-Friedberg zum Beispiel trat Anfang Januar der Fall ein, dass Impfstoff da war, aber keine Impflinge der höchsten Priorität. Die Lösung: Vorher war eine Liste für solche Fälle erstellt worden, auf denen Personen mit hoher, wenn auch nicht höchster Priorität standen. 50 Polizisten rückten an und erhielten ihren Impfstoff, sodass er immerhin nicht verfiel.
Dabei handelt es sich laut dem Ministerium offenbar um eine Notlösung. Zunächst sollen Impfzentren und Krankenhäuser überschüssige Dosen austauschen und an andere liefern, wenn dort Bedarf besteht. Falls nötig, sollen andere priorisierte Personen wie Rettungsdienstmitarbeiter geimpft werden, wie der Ministeriumssprecher erläutert. Erst als letzte Option nennt er den Rückgriff auf sogenannte Reservelisten mit Personen, die kurzfristig impfbereit sind. Oft handelt es sich dabei um Polizisten und Feuerwehrleute.
Im Landkreis Günzburg funktioniert es etwas anders. Der dortige Organisator der Impfkampagne, Hermann Keller, ist gleichzeitig Chef der Impfzentren und Direktor der Klinik Krumbach. Wenn im Impfzentrum Dosen übrig sind, kommen ausschließlich Pfleger und Ärzte zum Zug, wie er sagt. Sie stehen – je nach Einsatzort und Infektionsrisiko mit dem Virus – teilweise auf derselben Prioritätsstufe wie über 80-Jährige und Heimbewohner. Ähnlich verhält es sich im Universitätsklinikum Augsburg, wo nach Angaben einer Sprecherin bislang nach jedem ausgefallenen Termin ein nachrückender Mitarbeiter geimpft wurde. Hilfreich sei, dass die Impfbereitschaft der Belegschaft sehr hoch sei. Im Augsburger Impfzentrum versuche man durch gute Planung den Einsatz bestimmter Spritzen und einer „Hop-on-Liste“den verfügbaren Impfstoff restlos zu verabreichen, sagt eine Sprecherin der Stadt. Auf dieser Liste stehen Ärzte, Feuerwehrleute und Polizisten. „Es hat natürlich auch pragmatische Gründe, da dieser Personenkreis schnell eingeplant werden kann und natürlich aufgrund des Berufes engen Kontakt zu möglicherweise Covid19-infizierten Personen hat“, so die Sprecherin.
Wie viele Personen in Bayern bereits geimpft wurden, obwohl sie eigentlich noch nicht an der Reihe gewesen wären, ist laut bayerischem Gesundheitsministerium nicht bekannt. Dafür gab das Bundesgesundheitsministerium am Freitag bekannt, dass die 100 Impfzentren in Bayern in den nächsten vier Wochen mit fast einer Million Impfdosen der Hersteller AstraZeneca, Biontech/Pfizer und Moderna beliefert werden. Allein AstraZeneca wolle im Februar und der ersten Märzwoche 504000 Dosen in den Freistaat Bayern liefern, hieß es. Die ersten 52000 sollen bereits an diesem Samstag ankommen. (mit dpa)
Ministerium kündigt baldigen Nachschub an