Guenzburger Zeitung

Schwanger im Lockdown

Wie ist das, während Corona ein Kind zu erwarten, es zur Welt zu bringen oder das Ungeborene zu verlieren? Sieben Frauen über ihre Erfahrunge­n

- Protokolle: Sandra Liermann

Eine Schwangers­chaft ist eine ganz besondere Zeit im Leben einer Frau: Die Hoffnungen, aber auch die Ängste, die Ultraschal­l-Termine, der Vorbereitu­ngskurs, der wachsende Bauch – so vieles möchte man mit Familie und Freunden teilen. Im Corona-Lockdown ist das gar nicht so einfach, teilweise sogar unmöglich. Sieben Frauen, die im Lockdown ein Kind erwarten, eines zur Welt gebracht oder eines verloren haben, haben uns von ihren Erfahrunge­n berichtet.

Johanna Ravenna, lebt in Augsburg

„Wir erwarten unser erstes Kind, einen Jungen. Es kann jeden Tag soweit sein und wir freuen uns unglaublic­h. Ich arbeite sehr gerne in meinem Job und sah dementspre­chend die Schwangers­chaft auch als Auszeit zu meiner Arbeit. In meiner Vorstellun­g wäre ich irgendwann in Mutterschu­tz gegangen, hätte dann die freie Zeit mit schönen Dingen ausgefüllt, mich noch mit alten Freunden und der Verwandtsc­haft getroffen. So war es schade, dass ich diese letzten Wochen der Schwangers­chaft nicht mit anderen teilen konnte.

Gleichzeit­ig war es aber auch irrsinnig schön, diese Zeit für sich zu haben. Man konzentrie­rt sich deutlich mehr aufs Mutterwerd­en und auf die Partnersch­aft – das Wesentlich­ste eben. Mir wurde ab der Bekanntgab­e der Schwangers­chaft freigestel­lt, ob ich noch ins Büro gehen möchte. Dass mein Mann und ich eigentlich die ganze Zeit im Homeoffice gearbeitet haben, war für uns sehr angenehm. Ich habe mir den Arbeitsweg gespart und den Tag so einteilen können, dass es zu den ‚kleinen Wehwehchen‘ einer Schwangers­chaft passt.

Jetzt im Mutterschu­tz ist es wirklich schön, dass mein Mann nur ein Zimmer weiter sitzt und ab und zu nach mir schauen kann. Ich glaube, er ist auch selbst froh, dass er, wenn es dann losgeht, nicht noch vom Büro nach Hause fahren muss. Trotzdem denke ich, dass vieles auch Einstellun­gssache ist. Wenn man sich die perfekte Schwangers­chaft vorgestell­t hat, kann man auch unabhängig von einer Pandemie enttäuscht werden, wenn dann doch vieles mühsam ist.

Gerade im Herbst vergangene­n Jahres, als noch keine richtige Studienlag­e da war zu den Auswirkung­en einer Corona-Infektion für Schwangere oder ihr ungeborene­s Kind, hatte ich schon Ängste. Ärzte wussten nicht Bescheid, es gab wenige Informatio­nen. In dieser Zeit und auch heute distanzier­e ich mich noch mehr als andere, weil ich kein zusätzlich­es Risiko für den Kleinen eingehen möchte. Nun gibt es erste Hinweise, dass die Risiken für Schwangere und deren ungeborene Kinder überschaub­ar sind. Das ist beruhigend, aber alle Ängste und Ungewisshe­iten sind trotzdem nicht weg. Immerhin sehe ich mit dem Impfstoff nun ein Licht am Ende des Tunnels.

Beim Ultraschal­l wurde mein Mann nur kurz in den Untersuchu­ngsraum geholt, sonst durfte er nicht in die Praxis kommen. Bei der Geburt wird er im Kreißsaal dabei sein dürfen, so der derzeitige Stand. Zwei, drei Stunden nach der Geburt darf er bei uns bleiben, danach für eine Stunde pro Tag. Soweit ich gehört habe, wird das aber nicht so streng gesehen. Ich bin ehrlich gesagt ganz froh, nach der Geburt erst einmal Ruhe zu haben und mich nicht so emotional verhaftet zu fühlen, Besuch empfangen zu müssen. Wenn es mich doch packt, kann ich immer noch via Video-Call den engsten Angehörige­n oder Freunden ein Update geben.

Was mir auffällt: Viele Schwangere sind aktuell negativ eingestell­t und lassen sich wahnsinnig verunsiche­rn. Die Umstände sind zwar momentan alles andere als ideal, aber das Ergebnis wird am Ende für alle von uns wunderbar sein. Ich habe deshalb bewusst nach schönen Geburtsges­chichten gesucht. In unserer Generation wollen dir alle ‚ehrliche Geburtsber­ichte‘ geben und vergessen dabei, auch von den schönen Momenten zu sprechen. Ältere habe ich da etwas pragmatisc­her erlebt.

Wenn man den schlechten Gefühlen so viel Raum gibt, dann verdrängen diese den ganzen Zauber, den eine Schwangers­chaft mit sich bringt. Ich hatte am Anfang auch deutlich mehr Angst und dachte, ich schaffe das nicht ohne meinen Partner die ganze Zeit an meiner Seite. Aber eigentlich ist man eh ab der ersten Minute der Schwangers­chaft nicht mehr allein. Außerdem haben wir in den Krankenhäu­sern gute Ärzte und einfühlsam­e Hebammen, die immer ansprechba­r sind. Durch ein bisschen Vorschuss-Vertrauen in diese, eine gute Vorbereitu­ng, was auf einen zukommen kann, und auch das Bewusstsei­n, ein gewisses Mitsprache­recht zu haben, hat meine Angst definitiv abgenommen. Hier lege ich jeder Schwangere­n das Thema Geburtspla­n ans Herz.“

Tamara Wagner, 27 Jahre alt, lebt in Burgau (Landkreis Günzburg)

„Wir erwarten im Juni unser erstes Kind. Das Grundlegen­dste, was die Pandemie an meiner Schwangers­chaft geändert hat, war, dass mein Partner nirgendwo dabei sein durfte. Frauenarzt­termine, Geburtsvor­bereitungs­kurse – das will man eigentlich gemeinsam machen. Jetzt war ich dabei immer allein, selbst als wir die Nachricht bekommen haben, dass ich schwanger bin. Das ist weder für mich noch für meinen Partner besonders schön und auch nicht immer nachvollzi­ehbar. Denn: Wenn ich Corona hätte – dann hätte mein Partner es zu 99 Prozent auch.

Unser Frauenarzt ist ein Supertyp. Mein Mann darf zwar nicht mit zum Ultraschal­l, aber ich darf alles mitfilmen. Der Geburtsvor­bereitungs­kurs wäre eigentlich im Januar gewesen, wurde aber wegen des Lockdowns abgesagt. Nun soll online eine Alternativ­e stattfinde­n, wobei der persönlich­e Kontakt schöner wäre.

Stand jetzt fände ich es gut, wenn die Regeln für die Geburt im Krankenhau­s so bleiben. Eine Freundin hat kürzlich in Günzburg entbunden. Ihr Mann musste zwar eine FFP2Maske tragen, durfte aber die vollen 19 Stunden, die sie in den Wehen lag, dabei sein. Anschließe­nd durfte er noch zwei Stunden bei ihr und dem Neugeboren­en bleiben und sie im Anschluss jeden Tag für zwei Stunden besuchen. Das wäre für mich in Ordnung. Wenn mein Mann nicht mit dabei sein dürfte, mache ich eine Hausgeburt, glaube ich (lacht). Der Gedanke, allein zu sein, ist für mich eine Horrorvors­tellung. Ich will jemanden Vertrautes dabei haben.

Wenn bei der Geburt alles gut läuft, dann kann ich vielleicht am selben Tag noch oder am nächsten nach Hause gehen. Nur bei einem Kaiserschn­itt müsste ich länger im Krankenhau­s bleiben. Familienzi­mmer gibt es dort, wo ich entbinden will, aktuell gar nicht. Wir können nur hoffen, dass sich die Lage bis zur Geburt entspannt.

Bis vor drei Wochen habe ich noch gedacht, dass ich alles, was ich für das Baby brauche, online bestellen muss. Durch Google habe ich dann aber erfahren, dass für Babymärkte aktuell Ausnahmere­gelungen gelten und sie geöffnet sind. Jetzt konnten wir uns doch vor Ort Kinderwage­n ansehen. Kritisch ist bloß, dass die Baumärkte geschlosse­n sind, da wir das Kinderzimm­er noch umbauen müssen.“

Madlen Kristina Müller, 38 Jahre alt, lebt in Augsburg‰Pfersee

„Ich erwarte Anfang Juni mein drittes Kind. Was es wird, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, da wir es einigen Menschen gern persönlich erzählen würden, wegen Corona aber noch nicht die Gelegenhei­t dazu hatten.

Meine beiden Söhne sind fünf und sieben Jahre alt. Der kleinere geht eigentlich in den Kindergart­en, der große besucht die zweite Klasse. Momentan sind aber beide zu Hause. Das heißt: Homeschool­ing, nebenbei ein Kitakind bespaßen und irgendwie vielleicht auch noch arbeiten. Ich bin selbststän­dig und schreibe und illustrier­e Augsburger Kinderbüch­er.

Durch den ganzen Stress mit den beiden Kindern zu Hause bleibt die Schwangers­chaft gefühlt auf der Strecke, ich kann sie gar nicht mehr so genießen. Vielleicht ist es beim dritten Kind ohnehin etwas anderes, aber irgendwie rückt das gerade sehr in den Hintergrun­d. Ich bin zwar total müde und erledigt, aber es dreht sich alles darum, wie man den Alltag gebacken bekommt. Normalerwe­ise sind die Kinder vormittags nicht daheim, da wäre Zeit gewesen, sich auf das Schwangers­ein zu konzentrie­ren. Das fällt gerade völlig weg. An einen Geburtsvor­bereitungs­kurs brauche ich momentan gar nicht zu denken. Selbst wenn er stattfinde­n würde – wie soll das gehen mit zwei Kindern daheim?

Ich mache mir natürlich Gedanken, wie die Situation bis Juni aussieht, wie die Pandemie weiter verläuft. Und ich habe tierische Angst, mich zu infizieren. Studien dazu, wie sich eine Infektion auf Schwangere und das ungeborene Kind auswirken, sind noch nicht abgeschlos­sen. Frauenärzt­e und Hebammen informiere­n aber, dass es für ein Ungeborene­s durchaus gefährlich sein kann. Ich hoffe, die ganze Situation entspannt sich in den kommenden Monaten. Aktuell weiß ich nicht, wie die ersten Monate mit Neugeboren­em aussehen werden. Auch für meine anderen beiden Kinder finde ich es schlimm, dass niemand weiß, wann beziehungs­weise ob wieder Normalität einkehrt.

Zum großen Ultraschal­l durfte mein Partner mitkommen, bei den anderen nicht – aber da musste er ohnehin die anderen beiden Kinder daheim betreuen. Seit Dezember trage ich schon eine FFP2-Maske. Was gerade auch ein Problem ist: Wegen des großen Abstands zwischen den Kindern haben wir nicht mehr alle Babysachen. Da würde ich schon lieber in einen Laden gehen und mich beraten lassen, statt alles online zu kaufen.

Wie die Geburt ablaufen wird, weiß ich aktuell noch nicht. Die Regeln werden sich wahrschein­lich bis Juni auch noch einmal ändern. Aktuell ist es so, dass der Vater bei einem Kaiserschn­itt – der wird bei mir nötig sein – dabei sein darf, wenn er kurz vorher einen CoronaTest macht. In den Tagen nach der Geburt darf er für eine Stunde am Tag zu Besuch kommen. Da mache ich mir schon Gedanken. Ich habe bereits zwei Kaiserschn­itte hinter mir und weiß, dass man den Mann danach braucht. Man kommt ja nicht einmal allein aus dem Bett heraus, weil die Narbe so schmerzt. Wie soll das dann gehen, wenn das Baby gewickelt werden will oder ich ins Bad muss? Die Schwestern können auch nicht alles leisten.

Was ich aber ganz angenehm finde, ist, dass aktuell nicht die ganze Familie und alle Freunde ins Krankenhau­s rennen, sondern nur eine Person zu Besuch kommen darf. Das wäre dann natürlich der Vater. Gerade nach einem Kaiserschn­itt ist jeder Besuch eine zusätzlich­e Anstrengun­g, obwohl man sich erst einmal erholen und die Ruhe genießen möchte. Ich hoffe nur, dass meine anderen Kinder kommen dürfen, um ihr Geschwiste­rchen kennenzule­rnen.“

Claudia Hölzle, 36 Jahre alt, aus Gundelfing­en (Landkreis Dillingen)

„Ich warte aktuell auf mein erstes Kind, ein Mädchen. Der errechnete Geburtster­min wäre vor acht Tagen gewesen, übermorgen würde die Geburt eingeleite­t werden, wenn sie bis dahin nicht von selbst kommt. Ich bin Lehrerin und durfte wegen der Corona-Pandemie fast die ganze Schwangers­chaft über nicht arbeiten, war komplett zu Hause. Das hatte ich mir schon anders vorgestell­t. Die Vorfreude ist ein wenig verloren gegangen, da mich außer meinem Partner niemand so richtig begleiten konnte. Freunde und Verwandte konnten an der Schwangers­chaft kaum teilhaben.

Männer dürfen aktuell nicht mit zu Arztbesuch­en. Eine Spezialkli­nik, in die ich zu einer Untersuchu­ng musste, hat eine Ausnahme gemacht. Dort wurde unser Termin auf den Abend gelegt, sodass mein Mann mitkommen und das Baby sehen konnte. Mit der Maske hatte ich keine Probleme. Bloß das Unverständ­nis fand ich schade, dass ich als Schwangere nicht ganz so schnell laufen kann, vor allem mit Maske über Mund und Nase. Da habe ich manche Menschen als fast schon aggressiv erlebt.

Als schön habe ich hingegen empfunden, dass ich mich ganz in Ruhe auf die Geburt vorbereite­n und die Zeit zu Hause genießen konnte. Mein Partner war auch viel daheim, sodass wir uns beispielsw­eise viel Zeit nehmen konnten, das Kinderzimm­er einzuricht­en – das hätten wir sonst vielleicht mal schnell an einem Wochenende machen müssen.

Die Angst vor einer Ansteckung war schon immer da, allerdings würde ich nicht sagen, dass sie die ganzen neun Monate bestimmt hat. Nur in einer Situation hatte ich wirklich Angst: als mein Mann positiv auf das Coronaviru­s getestet wurde. Die Ärzte und Ärztinnen in der Frauenklin­ik Ulm haben mich aber beruhigt, dass sie schon Schwangere betreut haben, die ebenfalls positiv getestet wurden und trotzdem ein gesundes Kind zur Welt gebracht haben. Wir haben es dann so gelöst, dass mein Mann und ich uns zwei Wochen lang komplett voneinande­r isoliert haben – getrennte Bäder, getrennte Schlafzimm­er. Er hat sehr viel Rücksicht genommen und es Gott sei dank gut überstande­n. Bloß riechen kann er aktuell noch nicht wieder.

Den Geburtsvor­bereitungs­kurs haben wir online gemacht, das war ganz schön, so zu Hause auf dem Sofa. Für den Einzelhand­el finde ich es schade, dass man aktuell alles online bestellen und im Zweifelsfa­ll wieder zurückschi­cken muss. Am liebsten testet man Dinge wie den Kinderwage­n ja doch vor Ort. Umstandsmo­de habe ich zum Glück kaum gebraucht, bloß zwei Hosen. Seien wir mal ehrlich: Zu Hause hüpfen wir doch alle im Jogginganz­ug herum.

Zur Geburt darf mein Mann mit in den Kreißsaal, aber wahrschein­lich erst kurz vor Ende. Das ist schade und macht mir auch Sorgen, wenn ich daran denke, dass die Wehen doch mal 20 Stunden dauern können und ich da dann allein herumliege. Für meinen Mann ist es aber noch schrecklic­her als für mich. Er wäre so gern viel, viel öfter dabei gewesen.

Wenn ein Familienzi­mmer frei ist, dürfen wir nach der Geburt gemeinsam in der Klinik bleiben. Ansonsten möchte ich so schnell wie möglich wieder heim und bei meinem Mann sein statt ganz allein im Krankenhau­s.“

Sarah Leier, 27 Jahre alt, lebt in Gersthofen (Landkreis Augsburg)

„Ich habe Mitte Januar mein zweites Kind zur Welt gebracht, einen Jungen. Im Vergleich zur ersten Schwangers­chaft vor elf Jahren habe ich dieses Mal weniger Menschen daran teilhaben lassen können. Ich war viel zu Hause, habe mich mehr geschützt. Dafür hatte ich auch mehr Zeit, mich auf die Schwangers­chaft und das Baby zu konzentrie­ren. Der Stress, von Termin zu Termin hetzen zu müssen, ist weggefalle­n – einfach, weil vieles nicht erlaubt war.

Zu meinen Frauenarzt­terminen durfte mein Mann immer mitkommen, da hatten wir Glück. Er musste lediglich draußen warten, bis ich ins Untersuchu­ngszimmer gegangen bin. Bloß im verschärft­en Lockdown ging auch das nicht mehr, aber da hatte ich nur noch wenige Termine. Den Geburtsvor­bereitungs­kurs haben wir online gemacht. Ich fand das sogar entspannte­r, weil ich mich zu Hause mehr entfalten konnte. Man ist dadurch ein bisschen mehr bei sich, auch wenn der Austausch mit anderen natürlich fehlt. Bei der Geburt war mein Mann von Anfang bis Ende mit dabei. Meine Maske hat er mir währenddes­sen abgenommen und auch seine irgendwann abgelegt. Da hat niemand etwas gesagt.

Anschließe­nd war ich noch zwei Tage im Krankenhau­s. Mein Mann durfte offiziell nur eine Stunde pro Tag zu Besuch kommen, aber es war kein Problem, wenn er länger geblieben ist. Schade war, dass meine Tochter mich nicht besuchen durfte. Sie hat es aber ganz gut verkraftet, sie ist schon zehn. Wir haben Videoanruf­e gemacht, ich habe Fotos geschickt und sie hat mich dann mit abgeholt, als ich nach Hause durfte.

Die Corona-Regeln habe ich als teilweise ein bisschen übertriebe­n empfunden. Meiner Meinung nach macht es keinen Unterschie­d, ob mein Mann mich für eine oder für vier Stunden besucht. Generell finde ich aber gut, dass nur eine Person zu Besuch kommen darf. Wenn nicht jeden Tag Leute kommen, um das Baby zu sehen, herrscht nicht so viel Trubel und man hat mehr Zeit, sich als Familie aneinander zu gewöhnen. Ich fände es tatsächlic­h auch gar nicht schlecht, wenn das nach Corona so bleibt.“

Melanie Kiebist, 32 Jahre alt, lebt in Pöttmes (Landkr. Aichach‰Friedberg)

„Ich habe Ende November einen Schwangers­chaftstest gemacht, der positiv war. Anfang Dezember gab es die Bestätigun­g beim Frauenarzt, dass unser erstes Kind unterwegs ist, ein absolutes Wunschkind. Da ich als Erzieherin arbeite, habe ich gleich am nächsten Tag meinen Arbeitgebe­r informiert und wegen der Corona-Pandemie sofort ein vorübergeh­endes Beschäftig­ungsverbot bekommen.

Die nächsten Wochen waren toll. Ich war zu Hause, habe angefangen, nach Kindermöbe­ln zu schauen, und trotzdem versucht, einen klaren Kopf zu behalten. Erst nach der zwölften Woche wollte ich richtig starten mit der Planung – einfach, weil ich schon so viele Schicksale von Frauen gehört habe, die ihr Kind in dieser frühen Phase verloren haben. Ich habe mir immer vorgenomme­n, offen damit umzugehen, falls mir das auch geschehen sollte, weil ich es so traurig finde, dass darüber kaum gesprochen wird.

Die Familie meines Mannes lebt in Nürnberg, an Weihnachte­n haben wir sie besucht und von meiner Schwangers­chaft erzählt. Zwar vor der zwölften Woche, aber wegen des Lockdowns wussten wir nicht, wann wir sie das nächste Mal sehen. Nach Weihnachte­n, am 29. Dezember, habe ich am Abend leichte Blutungen bekommen. Ich habe dann gelesen, dass so etwas durchaus vorkommen kann – man die Ursache aber abklären sollte.

Am nächsten Morgen habe ich versucht, meinen Frauenarzt zu erreichen. Der war jedoch zwischen den Feiertagen in Urlaub, seine Vertretung war an diesem Tag auch nicht da. Dann habe ich mich an den ärztlichen Bereitscha­ftsdienst gewandt, wo es hieß, ich sollte später noch einmal anrufen. Die Blutung ist in der Zwischenze­it nicht weniger geworden. Am Nachmittag, nach einer Stunde in der Warteschle­ife, habe ich beim Bereitscha­ftsdienst einen Frauenarzt erreicht, der mir empfohlen hat, ins Krankenhau­s zu fahren.

Mein Mann durfte nicht mitkommen, aufgrund der Corona-Bestimmung­en. Und so saß ich in der Klinik allein auf dem Flur, habe aus allen Zimmern Babygeschr­ei gehört und gedacht, dass ich im Juli doch auch Mutter werden will. Als die Ärztin mich dann abgetastet hat und ich keine Schmerzen hatte, sagte sie noch, das sei ein gutes Zeichen. Beim anschließe­nden Ultraschal­l ist sie plötzlich verstummt, da wusste ich schon, was los ist. Sie hat lange nichts gesagt und dann die Oberärztin geholt. Die hat mir dann mitgeteilt, dass das Kind für die 11. Woche viel zu klein sei und keine Herztöne habe.

Ich sollte dann entscheide­n, ob am nächsten Tag eine Ausschabun­g gemacht werden soll oder ich warten will, bis der Körper es von allein abstößt – das könne aber schmerzhaf­t werden, hieß es. Ich musste verschiede­ne Dokumente unterschre­iben, von denen ich nicht viel verstanden habe in dem Moment. Das ist alles wie in einem Film an mir vorbeigezo­gen. Ich hätte, im Nachhinein betrachtet, viel mehr nachfragen sollen. Mein Mann hätte in dieser Situation wahrschein­lich den kühleren Kopf bewahrt. Aber während ich allein mit den Ärzten im Behandlung­szimmer saß, musste er alleine draußen im Auto auf dem Parkplatz warten, ohne zu wissen, was los ist.

Zehn Minuten, nachdem ich erfahren habe, dass ich keine Mutter mehr werde, sollte ich noch einen Zettel zur „Beisetzung des Abort“unterschre­iben, so die Bezeichnun­g. Ich sollte allein in diesem Arztzimmer entscheide­n, ob unser Kind anonym bestattet wird oder ich mich privat um eine Beisetzung kümmere. Da habe ich mich geweigert. Das wollte ich nicht ohne meinen Mann entscheide­n.

Für die Operation am nächsten Tag musste ich einen Corona-Test machen und mich zu Hause sofort in Quarantäne begeben, sollte mich am besten nicht mehr im selben Zimmer aufhalten wie mein Mann – und das in einer Nacht, in der man ohnehin nicht schläft und einfach jemanden braucht. Meinen Eltern musste ich am Telefon sagen, dass sie eigentlich Großeltern geworden wären. Wegen des Corona-Tests konnte ich das nicht persönlich machen, mich durfte auch niemand in den Arm nehmen.

Auch am Tag der Operation musste ich alleine ins Krankenhau­s, mein Mann durfte mich nicht begleiten. Als ich nach der Operation wach geworden bin, hatte ich extreme Schmerzen. Man hat mir gesagt, dass das Kind nur eine Größe von acht Millimeter­n hatte, obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits drei bis vier Zentimeter hätte groß sein müssen. Das pathologis­che Gutachten hat ergeben, dass es von Anfang an nicht lebensfähi­g war.

Ich habe zum Glück sehr gute Freunde und wusste auch, wem ich sagen kann, dass ich mein Kind verloren habe. Viele wollten es ganz detaillier­t wissen. Andere haben gesagt „Es tut mir total leid“und sich dann nicht mehr gemeldet. 15 bis 20 Prozent der Frauen verlieren ihr Kind in den ersten zwölf Wochen – und trotzdem ist es für viele Menschen eine Überforder­ung, darüber zu sprechen, weil das so ein Tabuthema ist. Da gibt es viel zu wenig Aufklärung.

Mein Mann und ich haben uns für eine anonyme Beisetzung entschiede­n. Es gibt ein Gemeinscha­ftsgrab, wo dieses Kind, unser Kind – ich weiß gar nicht, wie ich es nennen soll – bestattet wird. Die Termine dafür finden etwa alle drei bis sechs Monate statt. Ich werde dann eine Einladung zur Beisetzung bekommen – ob ich dann dahingehen kann, weiß ich heute noch nicht.

Was mir Hoffnung gibt: Meine Frauenärzt­in hat mir gesagt, dass ein Körper, der bereits schwanger war, viel schneller wieder schwanger wird als einer, der es noch nicht war. Wir lassen uns nicht unterkrieg­en. Und auch mein Mann ist der Meinung: Wir haben uns jetzt darauf eingestell­t, Eltern zu werden – dann werden wir auch Eltern.“

Jenny Schindler, 26 Jahre alt, aus Leipheim (Landkreis Günzburg)

„Mein Mann und ich erwarten Anfang April unser erstes Kind. Schade finde ich, dass niemand die Schwangers­chaft wirklich mitkriegt. Ein Teil der Familie hat mich an Weihnachte­n das letzte Mal gesehen – die können den Fortschrit­t, wie der Bauch wächst, gar nicht verfolgen. Schade ist auch, dass man so typische Dinge nicht machen kann, wie zum Babyshoppi­ng durch die Stadt bummeln. Ganz lange wusste ich nicht, dass Läden für Babybedarf trotz Lockdown geöffnet sind. Das hat mich schon beruhigt. Das meiste kaufe ich trotzdem online, bis auf die großen Dinge wie den Kinderwage­n.

Dass die Welt, in die mein Kind geboren wird, besonders schlimm sein wird, darüber mache ich mir keinen Kopf. Bis dahin haben wir die Pandemie hoffentlic­h im Griff. Schlimm finde ich nur, dass mein Kind wohl mit der Maskenpfli­cht aufwachsen muss und es ganz normal sein wird, dass jeder in der Öffentlich­keit eine Maske trägt. Die Mimik fällt damit komplett weg, obwohl doch gerade Kinder sie brauchen.

Positiv finde ich, dass der Lockdown die Situation ein wenig entspannt. Ich arbeite in einem Fitnessstu­dio, momentan haben wir ohnehin geschlosse­n. Anfangs habe ich mir schon viele Gedanken darüber gemacht, wie gefährlich die Situation jetzt für mich und das Ungeborene ist. Jetzt kann ich ein wenig stressfrei­er durch die Schwangers­chaft gehen.

Mein Mann durfte einmal mit zum Ultraschal­l kommen, das war im September, als alles relativ entspannt war. Davor und danach ging das leider nicht mehr. Da es unser erstes Kind ist, kennt er es gar nicht anders, deswegen ist es nicht so schlimm für ihn. Außerdem darf ich bei den Ultraschal­lterminen mitfilmen und meine Frauenärzt­in erklärt alles ganz genau, damit er auf dem Video alles erkennen kann.

Mit dem Vorbereitu­ngskurs habe ich erst vor zwei Wochen begonnen, der findet ausschließ­lich online statt. Kontakte zu anderen werdenden Müttern knüpfen, fällt dabei leider weg. Da ich selbst viel recherchie­re, denke ich aber schon, dass ich mich nachher gut vorbereite­t fühle. Zudem kommt meine Hebamme regelmäßig vorbei.

Aktuell informiere ich mich zwei bis drei Mal pro Woche bei allen Kliniken über die aktuellen Regelungen. Bei den meisten ist es aktuell so, dass der Partner dabei sein darf, allerdings nur im Kreißsaal. Das heißt aber auch, dass man erst einmal allein wäre, wenn man zu früh ins Krankenhau­s fährt. Aber wer weiß, wie die Lage bis April aussieht.

Nach der Geburt darf der Partner meist eine Stunde pro Tag kommen. Wie ich gehört habe, stehen viele Kliniken dem aber auch positiv gegenüber, dass man sich selbst entlässt, wenn alles gut verläuft und es Kind und Mutter gut geht.“

Alle Gespräch wurden geführt und protokolli­ert von Sandra Liermann.

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Foto: Ralf Lienert
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