Guenzburger Zeitung

Ein Volk von Ratgebern

- VON ERICH PAWLU redaktion@guenzburge­r‰zeitung.de

Als Goethe von Herzog Carl August mit dem Titel „Würckliche­r Geheymer Rath“ausgezeich­net wurde, jubelte Weimar. Wenn heute Scharen von Räten in die Ministerie­n geholt werden, jubelt das Volk nicht, sondern macht sich Gedanken über die Kosten. 2020 sollen Bund, Länder und Gemeinden drei Milliarden Euro für Berater ausgegeben haben.

Die allgemeine Spezialisi­erung hat den Beratungsb­edarf von Politikern schlagarti­g erhöht. Mancher Karrierist entdeckt erst auf dem Ministerse­ssel, dass er keine Ahnung von wichtigen Dingen seines Ressorts hat. Dann werden die wirklichen geheimen Räte engagiert. Ihre ständig steigende Zahl lässt vermuten, dass wir alle demnächst für Beratungen zur Verfügung stehen müssen. Denn das fachliche Spezialwis­sen in Volksköpfe­n muss besser genutzt werden. Wenn ein Tierfreund herausgefu­nden hat, dass er mit Hahnengesc­hrei die Legeleistu­ng von Batteriehü­hnern positiv beeinfluss­en kann, wird er vom Landwirtsc­haftsminis­terium schleunigs­t zum Rat befördert. Wer weiß, wie man Homeoffice-Schüler auch im Mittagssch­laf mit übermittel­ten Mathematik­aufgaben glücklich macht, wird bald beratender Mitarbeite­r des Münchener Staatsmini­steriums für Digitales. Selbstvers­tändlich werden auch alle Fantasiebe­gabten ordentlich bezahlt, wenn sie Vorschläge zur sofortigen Überwindun­g der Corona-Pandemie vorzutrage­n wissen. Aber billig ist das nicht. Auch das wusste schon Goethe, als er seinen Bär Braun in „Reineke Fuchs“sagen ließ: „Guter Rat ist teuer.“

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