Ein Volk von Ratgebern
Als Goethe von Herzog Carl August mit dem Titel „Würcklicher Geheymer Rath“ausgezeichnet wurde, jubelte Weimar. Wenn heute Scharen von Räten in die Ministerien geholt werden, jubelt das Volk nicht, sondern macht sich Gedanken über die Kosten. 2020 sollen Bund, Länder und Gemeinden drei Milliarden Euro für Berater ausgegeben haben.
Die allgemeine Spezialisierung hat den Beratungsbedarf von Politikern schlagartig erhöht. Mancher Karrierist entdeckt erst auf dem Ministersessel, dass er keine Ahnung von wichtigen Dingen seines Ressorts hat. Dann werden die wirklichen geheimen Räte engagiert. Ihre ständig steigende Zahl lässt vermuten, dass wir alle demnächst für Beratungen zur Verfügung stehen müssen. Denn das fachliche Spezialwissen in Volksköpfen muss besser genutzt werden. Wenn ein Tierfreund herausgefunden hat, dass er mit Hahnengeschrei die Legeleistung von Batteriehühnern positiv beeinflussen kann, wird er vom Landwirtschaftsministerium schleunigst zum Rat befördert. Wer weiß, wie man Homeoffice-Schüler auch im Mittagsschlaf mit übermittelten Mathematikaufgaben glücklich macht, wird bald beratender Mitarbeiter des Münchener Staatsministeriums für Digitales. Selbstverständlich werden auch alle Fantasiebegabten ordentlich bezahlt, wenn sie Vorschläge zur sofortigen Überwindung der Corona-Pandemie vorzutragen wissen. Aber billig ist das nicht. Auch das wusste schon Goethe, als er seinen Bär Braun in „Reineke Fuchs“sagen ließ: „Guter Rat ist teuer.“