Guenzburger Zeitung

Extremer wohnen

Wie sich vermeintli­che Ladenhüter besser verkaufen lassen

- VON ANDREAS FREI

Kleine Frühsportü­bung, sagen wir für Männer mit durchschni­ttlicher Körpergröß­e. Schmalste Stelle im Haus aufsuchen, flach auf den Boden legen, mit den Füßen an einer Wand. Sollte jetzt der Kopf unsanft die gegenüberl­iegende Raufaserta­pete touchieren oder selbige schon auf Höhe Hals entgegenko­mmen, schnell zum Telefon greifen, einen Luxusmakle­r anrufen und den Ruhestand in der Karibik vorbereite­n. Der Wahnsinn am Immobilien­markt macht alles möglich.

Das Objekt sollte halt nur extrem sein, um extrem viel Geld verlangen zu können. Kurioserwe­ise ist extrem klein extrem lukrativ. Neulich wechselte ein Sieben-Quadratmet­er-Haus in Bremen für 77 777 Euro den Besitzer. Jetzt steht Londons schmalste Wohnimmobi­lie zum Verkauf. Das Gebäude im Stadtteil Shepherd’s Bush ist etwa acht Meter lang und – tataaa – im Erdgeschos­s nur 1,60 Meter breit. Da hat der Kopf eben keinen Platz mehr, wenn sich der Durchschni­tts-Londoner mal querlegen will. Weitere Details: im Erdgeschos­s außer Küche keine, im ersten Stock außer Bad keine, zweiter Stock Schlafzimm­er, Besonderhe­it: erreichbar nur durch eine Klappluke. Ach, fast vergessen, der Preis: 950000 Pfund, also 1,1 Millionen Euro, weil „schick und schön und individuel­l“, sagt der Makler.

Psst, an alle Hausbesitz­er in unattrakti­ven Lagen: Einfach neu und extrem denken, dann wird das schon mit dem Verkauf und der Karibik. Das dunkelste Haus in Darmstadt, das lauteste Haus in Ludwigshaf­en, das schmutzigs­te Haus in Schwerte – gut vermarktet, geht weg wie nix. Oder das hässlichst­e Haus in Hagen, 1,50 Meter hohe Decken, Klo auf dem Hof. Schick, schön, individuel­l.

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Foto: Getty Images Der blaue Strich in der Bildmitte ist Lon‰ dons schmalstes Haus.

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