Guenzburger Zeitung

Woelki sollte seinen Stuhl räumen

Der Kölner Kardinal gab zuletzt Fehler zu und stellte einen Rücktritt in Aussicht. Was davon zu halten ist? Nichts

- VON DANIEL WIRSCHING wida@augsburger‰allgemeine.de

Vor ein paar Jahren noch sah mancher Bischof eine „Medienkamp­agne“gegen die heilige katholisch­e Kirche am Werk und sich als Opfer einer „Hetzjagd“. Es war der erbärmlich­e Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr. Denn es ging um Missbrauch­sfälle, die jahrzehnte­lang von Kirchenmän­nern begangen und vertuscht wurden – und die in Deutschlan­d seit 2010 an die Öffentlich­keit drangen. Weil Opfer all ihren Mut zusammenna­hmen – und weil Journalist­en nicht nachließen zu recherchie­ren.

Interesse an echter Aufarbeitu­ng hatten jene Kirchenmän­ner nicht. Viele von ihnen machten Missbrauch­s-Betroffene stattdesse­n ein zweites Mal zu Opfern: indem sie ihnen die Glaubwürdi­gkeit absprachen und sie unter Druck setzten. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der seit Monaten ein unabhängig­es Missbrauch­sgutachten unter Verschluss hält und dazu Opfer für seine Zwecke instrument­alisierte, verteidigt sich nicht mehr mit den Methoden von 2010 – aber er agiert nicht minder perfide. Es wäre fatal, kämen er, sein Anwaltshee­r und seine erzkonserv­ative Anhängersc­har damit durch.

Dass Woelki zuletzt einen Rücktritt nicht mehr ausschloss, ist allenfalls bei oberflächl­icher Betrachtun­g ein Zeichen für Einsicht. Er machte dies nämlich von einem zweiten Gutachten abhängig, das am 18. März veröffentl­icht werden soll – nachdem er dem ersten einer Münchner Kanzlei „methodisch­e Mängel“und Rechtswidr­igkeit attestiert hatte. Ohne es zu kennen, wie er behauptet.

Vom zweiten Gutachten aber hat Woelki, der selbst unter Vertuschun­gsverdacht steht, kaum etwas zu befürchten, und das weiß er. Warum? Weil es die Missbrauch­sfälle im Erzbistum Köln offenkundi­g lediglich einer Rechtmäßig­keitskontr­olle unterzieht. Und damit eben nicht – wie die Münchner Gutachter – Wertungen vornimmt, die auch auf kirchliche­n Moralvorst­ellungen basieren.

Man muss an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Woelki ist nach allem, was bisher bekannt ist, strafrecht­lich nichts anzulasten. Und treffen Medienberi­chte zu, sieht der Vatikan kirchenrec­htlich ebenfalls kein Fehlverhal­ten. Es geht hierbei um die Frage, ob er 2015 einen Missbrauch­sverdacht nach Rom hätte melden und eine kirchenrec­htliche Voruntersu­chung hätte einleiten lassen müssen.

Doch Schuld ist bei Weitem nicht nur eine Frage des Straf- oder Kirchenrec­hts. Wenn der Missbrauch­sskandal darauf reduziert würde, gäbe es – polemisch formuliert – gar keinen Skandal von diesem Ausmaß: Strafrecht­lich sind die allermeist­en Taten längst verjährt. Und kirchenrec­htlich war vieles nicht als problemati­sch oder sanktionie­rbar erkannt und eingestuft.

Klerikale Missbrauch­stäter in andere Pfarreien zu versetzen, Akten (nach gewissen Fristen) zu vernichten, Opfer mehr oder minder subtil unter Druck zu setzen – alles kein Fall fürs Straf- oder Kirchenrec­ht. Und genau darauf stellt Woelki ab, was seine Äußerungen über eigene Fehler als billige Ausflüchte entlarvt. So sieht er es als Fehler an, mit Westpfahl Spilker Wastl der falschen Kanzlei einen Auftrag gegeben oder „nicht gut kommunizie­rt“zu haben. Gipfel der Perfidie war sein Satz vom letzten Donnerstag: „Ich tue das für die Betroffene­n, damit sie ein Stück Gerechtigk­eit erfahren.“Welch Hohn!

Die katholisch­e Kirche hat bei Missbrauch­saufarbeit­ung und -prävention seit 2010 große Schritte gemacht. Woelki ist sie kaum mitgegange­n. Er hat nichts gelernt und nichts verstanden. Seine Schuld – wenn sie sich schon nicht in den Kategorien des Straf- oder Kirchenrec­hts bemessen lassen sollte – liegt in jenem Bereich, in dem er seine Stärken haben sollte: der Seelsorge. Mit seinem Verhalten wird er weder Opfern gerecht noch den hohen moralische­n Ansprüchen der Kirche. Höchste Zeit, dass er den Weg freimacht für einen Nachfolger.

 ??  ?? Kardinal Woelki
Kardinal Woelki

Newspapers in German

Newspapers from Germany