Trauerfeier mit 100 Gästen sorgt für Ärger
In Rain wurde eine junge Frau zu Grabe getragen. Dazu reisten Angehörige aus ganz Deutschland an. Aus der Not heraus wurde eine Ausnahmegenehmigung erteilt
Rain Am Montag danach herrscht Tourismus in Rain am Lech: Menschen kommen und gehen, zücken ihre Smartphones oder Tablets und fotografieren die gut 80 Kränze auf dem Stadtfriedhof. In der Kleinstadt im Landkreis Donau-Ries hat eine Beerdigung, die am Freitagnachmittag stattfand, für Aufregung gesorgt. Der Grund: Gut 100 Trauergäste aus ganz Deutschland waren angereist. Was zu anderen Zeiten normal erscheint, gerät während der Pandemie zu einer ebenso vielschichtigen wie aufgeregten Debatte.
Es geht um Gerechtigkeit, um vermeintlich falsches oder richtiges rechtliches Handeln, um Solidarität, Corona-Regeln, Mitgefühl, manchmal aber auch nur um Wut. Die Kommentierungen in den sozialen Netzwerken kommen aus einem breiten Spektrum. Doch der Reihe nach – was war geschehen? Eine junge Frau Mitte 20 war gestorben, sie sollte am Freitag in Rain beerdigt werden. Bürgermeister Karl Rehm hatte zuvor Anfragen wegen einer Ausnahmegenehmigung zur Höchstzahl der Besucher zweimal abgelehnt. Nach den aktuellen Corona-Auflagen dürfen bei Beerdigungen maximal 25 Personen mit
Abstand und Mund-Nasen-Schutz anwesend sein. Die Trauergäste dürfen zudem nur Personen aus dem engsten Familien- und Freundeskreis sein. Rasch zeichnete sich jedoch vor Ort ab, dass es mehr Gäste werden würden, die – wie der Bürgermeister erklärt – ohne Absprache, unabhängig voneinander anreisten. Die Menschen waren da, die junge Frau sollte zu Grabe getragen werden. Rehm musste handeln.
Gemeinsam mit dem Inspektionsleiter der örtlichen Polizei und in Absprache mit dem Polizeipräsidium in Augsburg habe er sich für „Deeskalation“entschieden, sagt Rehm: Eine Ausnahmegenehmigung unter der Auflage, unbedingt auf den Infektionsschutz zu achten.
Es wäre nicht anders gegangen – andernfalls hätte die Trauerfeier unter Androhung von Zwangsmitteln aufgelöst werden müssen. Das sei für das Stadtoberhaupt nicht infrage gekommen. „Ich stehe zu dieser
Entscheidung, auch im Nachhinein – das sage ich auch als Christ“, erklärt Rehm – eine laufende Beerdigung unter Zwang auflösen, nein, sagt er, das wäre letztlich unmenschlich gewesen.
Derweil kochte die Stimmung das ganze Wochenende auch in diversen Foren im Internet. Es gab Solidaritätsbekundungen mit dem Rainer Bürgermeister, seriöse Nachfragen, was das rein Rechtliche angeht, aber auch üble Beschimpfungen sowie Rücktrittsforderungen. „Ich habe geahnt, dass es Reaktionen geben wird. Aber die Masse hat mich überrascht.“Gut zwei Drittel der Zuschriften und Kommentare unterstützten seinen Entschluss zur Ausnahmegenehmigung, bilanziert Rehm. Diverse Äußerungen des übrigen Drittels seien aber zum Teil ziemlich beleidigend. Rehm bleibt dabei: Er habe im Sinne der Verhältnismäßigkeit entschieden – und letztlich das mildere Mittel gewählt.