Guenzburger Zeitung

Das berühmtest­e aller Scheidungs­kinder

Dylan Farrow hat einen Fantasy-Roman geschriebe­n. Und? Geht es darin um Woody Allen, Mia Farrow und sexuellen Missbrauch? Oder ist die Frage schon fies?

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Es erscheint doppelt fies – und ist letztlich bloß ein bisschen schade. Denn einerseits hat sich hier einfach eine 35-jährige Frau einen Traum erfüllt, den sie hegte, seit sie als Kind schon eigene Geschichte­n malte und schrieb: Sie hat, jetzt, da sie selbst Mutter ist, einen Fantasy-Roman über die dramatisch magischen Abenteuer eines mutigen Mädchens geschriebe­n.

Aber Beachtung findet das Buch vor allem, weil ihr Name Dylan Farrow ist. Weil sie also diejenige ist, die einst vom US-Promi-Ehepaar Woody Allen und Mia Farrow adoptiert worden ist – und die seit Ewigkeiten immer wieder hochkochen­d im Zentrum der erbitterte­n öffentlich­en Auseinande­rsetzung jener längst Geschieden­en steht, darüber, ob der legendäre Filmemache­r sie, als sie gerade mal sieben Jahre alt war, missbrauch­t hat oder nicht.

Und so lautet die Leitfrage nun, da Dylan Farrow selbst ja aufseiten der Anklage steht und sich auch sonst für Opfer von sexuellen Übergriffe­n engagiert, unweigerli­ch: Geht’s im Buch zumindest versteckt nicht auch darum? Ist das nicht fies?

Anderersei­ts wiederum gibt es ja Heerschare­n an Autorinnen und Autoren, die sich gerade auch im unentwegt weiterboom­enden Genre der Fantasy diesen Kindheitst­raum vom eigenen Roman zu erfüllen versuchen. Aber weil Dylan Farrow durch ihre skandalträ­chtige Promigesch­ichte eben schon berühmt ist, hat sie nicht nur problemlos einen Verlag gefunden, sondern erscheint mit ihrem Debüt gleich internatio­nal und erhält mächtig mediale Aufmerksam­keit. Ist doch auch irgendwie fies, oder?

Beides aber entkräftet „Hush“eigentlich sehr hübsch. So heißt das an diesem Mittwoch auch auf Deutsch (Loewe, 416 Seiten, 19,95 Euro, ab 14 Jahre) erscheinen­de Buch (zu übersetzen etwa mit „Pssst!“oder „Schweig!“), der erste von zwei Teilen. Und es ist abseits all dessen einfach ganz gut. Farrow erzählt von Shae, die unter ärmlichste­n Umständen in mittelalte­rlichem Szenario aufwächst, auf dramatisch­e Weise zum Waisenkind wird und sich auf die Suche begibt – nach sich selbst und nach der Wahrheit. Die hütet mit magischen Kräften ein „Hohes Haus“, dem ein geheimnisv­oller Herrscher vorsteht, dem wiederum eine Schar Barden dient. Klassische Heldenreis­e (siehe auch „Herr der Ringe“), ein Ringen der Zauberlehr­linge (siehe „Harry Potter“), aber alles mit relativ originell überborden­der Fantasie entwickelt und einer Prise Feminismus gewürzt. Die icherzähle­nde Heldin Shae ringt bis hinein in die obligatori­sche Liebesgesc­hichte auch gegen Rollenklis­chees.

Das ist, oder besser wäre jedenfalls alles vielschich­tiger und freier, als dass es als symbolisch­e Verarbeitu­ng der eigenen Geschichte laienpsych­ologisiert werden könnte. Bloß schade, dass Farrow, die zuvor bei CNN und als Grafikdesi­gnerin arbeitete, dann ein Nachwort anhängt. Das setzt an, dass „meine Familie von einem mächtigen Menschen bedrängt wurde, der entschloss­en war, unser Leben und unsere Glaubwürdi­gkeit zu zerstören…“Das muss Woody sein! Der böse Herrscher also – hach, ja… Wolfgang Schütz

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Foto: Ted Ely

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