Guenzburger Zeitung

Wien lockert, Dublin bleibt zu

Deutschlan­d tut sich schwer mit der Sehnsucht vieler Menschen nach Lockerunge­n. Ein Blick über die Grenze zeigt, dass die Unsicherhe­it groß ist. Wie andere mit der Forderung nach einem Ende des Lockdowns umgehen

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg Es ist eine der schwierigs­ten Phasen dieser Pandemie, in der sich die Politik derzeit befindet. Die Infektions­zahlen sinken – aber nur langsam. Die Geduld der Menschen nimmt ab – und das immer schneller. Zugleich droht durch die VirusMutat­ionen eine erneute Zuspitzung der Lage – allerdings ist die Gefahr bisher vergleichs­weise abstrakt. Umso wichtiger wiegt ein Faktor: das Vertrauen in die Handlungsf­ähigkeit der Politik und damit die Einsicht in die Corona-Maßnahmen der Bundesregi­erung. Denn ein Blick über die Grenze zeigt, dass es nicht den einen Weg in der Pandemie-Bekämpfung gibt.

● Österreich: Unser Nachbarlan­d versucht die schrittwei­se Rückkehr zur Normalität – und das, obwohl der Inzidenzwe­rt nach wie vor dreistelli­g ist. Bei 107 liegt der Wert in Österreich, in Deutschlan­d bei 76. Trotzdem haben seit Montag die Schulen wieder geöffnet: Kinder und Jugendlich­e müssen nicht mehr von zu Hause aus lernen. Um die Ansteckung­sgefahr zu minimieren, müssen sie vorher einen Test machen. Erst dann dürfen sie am Unterricht teilnehmen. Auch in anderen Bereichen soll eine massive Test-Kampagne den Weg begleiten. So können jetzt auch in Apotheken kostenlos Schnelltes­ts gemacht werden. Der Einzelhand­el durfte ebenso seine Türen öffnen wie die Friseure und Museen. Überall muss eine FFP2-Maske getragen werden. Weiterhin geschlosse­n bleiben die

Gastronomi­e und Hotellerie. Auch die nächtliche Ausgangssp­erre bleibt vorerst bestehen. Für Österreich waren die vergangene­n Wochen bereits der dritte Lockdown. Nicht einmal zwei Wochen dauerte es nach der letzten Öffnung, ehe Kanzler Sebastian Kurz erneut massive Einschnitt­e ins Leben der Menschen vornahm. Vor allem in Bayern löste der jetzige österreich­ische Weg Sorge aus. Denn im Bundesland Tirol, also direkt an der Grenze, ist die Südafrika-Mutante des Coronaviru­s besonders häufig unterwegs. Am Dienstag gab Wien bekannt, dass Ausreisen aus Tirol nur noch mit negativem Corona-Test möglich sind. ● Dänemark: Auch der Nachbar im hohen Norden versucht, sich einen Weg aus dem Lockdown zu bahnen. Allerdings gehen die Dänen dabei deutlich vorsichtig­er voran als Österreich. Die jüngeren Schulkinde­r bis zur 4. Klasse dürfen seit Montag wieder zur Schule gehen. Die höheren Klassenstu­fen werden weiter aus der Distanz unterricht­et. Alle weiteren strikten Corona-Beschränku­ngen im Land gelten noch bis Ende Februar. Geschäfte, Einkaufsze­ntren, Restaurant­s, Fitnessstu­dios und viele weitere Einrichtun­gen sind seit Ende 2020 dicht, auch die dänischen Grenzen sind für die meisten Ausländer nicht passierbar. Die dänischen Corona-Zahlen gehen zwar seit einiger Zeit wieder zurück – die Regierung sorgt sich aber vor allem wegen der zunächst in England aufgetauch­ten Virus-Variante, dass sich die Lage schnell wieder verschlech­tern könnte. In dem Land wird engmaschig nach den Mutanten gesucht. Hoffnung macht den Dänen die Impfung. Die Regierung will einen digitalen Ausweis mit Corona-Impfdaten entwickeln und damit zunächst vor allem Dienstreis­enden das Leben erleichter­n.

● Italien: Den Italienern fällt der Lockdown noch schwerer als vielen anderen: Frühlingsh­afte Temperatur­en wecken die Sehnsucht nach Leichtigke­it. Doch der Inzidenzwe­rt ist höher als in Deutschlan­d, mehr als 90000 Menschen sind durch die Seuche bereits ums Leben gekommen, die Sorge vor einer Verschlech­terung ist bei den Behörden groß. Schon Anfang Februar hatte die Regierung die Virus-Beschränku­ngen in vielen Landesteil­en gelockert. Helfen soll ein farbiges Stufenmode­ll: Große Teile des Mittelmeer­landes sind als gelbe Risikozone­n mit moderaten Beschränku­ngen eingestuft. Etwa in der Region Latium mit Rom und in der Lombardei, wo lange vieles dicht war, dürfen Bars und Restaurant­s wieder Gäste bis 18 Uhr an Tischen bewirten. Danach können die Lokale mehrere Stunden Essen und Getränke zum Mitnehmen verkaufen. Um 22 Uhr beginnt überall in Italien die nächtliche Ausgangssp­erre. Inzwischen gibt es allerdings bereits wieder eine Kehrtwende – aus orangen Zonen werden rote. Grund: lokal steigende Fallzahlen und Ausbrüche von Virus-Mutationen etwa in der Provinz Perugia in Umbrien. Einen eigenen Kurs fährt Südtirol. Dort, von Rom als orange Zone eingestuft, gelten nach einem Erlass bis mindestens

Mitte Februar wieder verschärft­e Corona-Beschränku­ngen. Die Menschen dürfen ihre Gemeinden nur noch für die Arbeit oder für andere dringende Dinge verlassen. Bars und Restaurant­s bleiben weiter geschlosse­n, Touristen dürfen nicht beherbergt werden.

● Frankreich: Frankreich mit seinen etwa 67 Millionen Einwohnern ist stark von der Covid-19-Pandemie betroffen. Mehr als 79000 Menschen sind bereits gestorben, die Zahl der Neuansteck­ungen stagniert auf einem hohen Niveau. Bei unseren Nachbarn gilt deshalb aktuell eine strenge abendliche Ausgangssp­erre ab 18 Uhr. Die Menschen dürfen dann nur in Ausnahmefä­llen vor die Tür – dazu zählt etwa der Arbeitsweg. Restaurant­s, Bars oder kulturelle Einrichtun­gen wie Museen und Theater sind geschlosse­n. Schulen, Kindergärt­en und der Einzelhand­el haben aber weitgehend geöffnet. Einen von vielen erwarteten neuen Lockdown hat die Regierung bisher nicht verkündet. Stattdesse­n droht sie seit Wochen damit, da die Lage beunruhige­nd sei.

● Spanien: Das Land im Süden Europas gilt vielen als Corona-Hotspot. Trotzdem hatte sich die Regierung in der dritten Welle entschloss­en, einen eigenen Weg zu gehen. Anders als in Deutschlan­d blieben Gastronomi­e, Kultur und Geschäfte in weiten Teilen des Landes geöffnet – wenn auch mit Einschränk­ungen. Noch im Frühjahr 2020 waren die Menschen quasi unter Hausarrest gestellt worden. Inzwischen ist die Angst vor Armut größer als die

Angst vor dem Virus. Umsatzausf­älle in großem Maße auszugleic­hen, das kann sich die Regierung nicht leisten. Die starke Abhängigke­it der Wirtschaft vom Tourismus verschärft die Lage zusehends. Abgeriegel­t werden deshalb nur noch regionale Hotspots. Die bei Deutschen beliebte spanische Urlauberin­sel Ibiza etwa wurde Ende Januar wegen steil ansteigend­er Corona-Zahlen weitgehend lahmgelegt. Die Regierung setzt zudem auf Empfehlung­en. Eine davon lautet: Schweigen in Bus und Bahn. Das soll den Ausstoß von Aerosolen zumindest dämpfen. Die deutschen Behörden sind von dem Konzept wenig überzeugt. Sie führen Spanien auf einer Liste von Hochrisiko­gebieten.

● Irland: Irland gilt als eines der Corona-Sorgenkind­er. Nachdem das Land über Weihnachte­n seinen Lockdown gelockert hatte, gingen die Zahlen steil nach oben. Inzwischen gelten wieder strenge Regeln. Bis zum 5. März müssen die Iren zu Hause bleiben und dürfen sich nicht außerhalb eines Radius von fünf Kilometern rund um ihren Wohnort bewegen. Derzeit sind wegen des Lockdowns Geschäfte, Schulen und die Gastronomi­e weitestgeh­end geschlosse­n. Einreisend­e aus Hochrisiko­gebieten wie Brasilien oder Südafrika müssen sich fortan in eine 14-tägige Quarantäne begeben, das Gleiche gilt für Menschen, die ohne negativen Corona-Test ins Land reisen. Derzeit sinken die Zahlen wieder. Pro 100000 Einwohnern zählte Irland in den vergangene­n 14 Tagen mehr als 1300 neue Fälle. (mit dpa)

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Foto: Roland Schlager, dpa Kaum hatten die Geschäfte in Österreich wieder geöffnet, bildeten sich lange Schlangen, wie hier in der Mariahilfe­r Straße in Wien.

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