Guenzburger Zeitung

Bereit für den Neustart

Der Lockdown dauert seit über acht Wochen an. Friseure, Einzelhänd­ler und Gastronome­n kämpfen um ihre Existenz. Dabei, sagen sie, hätten sie gute Hygienekon­zepte

- VON OLIVER WOLFF

Augsburg Friseur Matteo Leggio hat für seine fünf Mitarbeite­rinnen und sich mehrere Schachteln medizinisc­he FFP2-Masken aus deutscher Produktion gekauft, auch dutzende zusätzlich­e Handtücher und ein Gerät zur Sterilisat­ion der Scheren und Kämme. Ebenso hat der Augsburger Friseurmei­ster Flächen- und Handdesinf­ektionsmit­tel für mehrere Wochen vorrätig. Leggios Mitarbeite­r sind geschult, ein von der Friseurinn­ung ausgearbei­tetes Hygienekon­zept liegt vor, um Team und Kunden gegen das Coronaviru­s zu schützen. Er warte jetzt nur noch auf das „Go“aus der Politik, sagt Leggio. Friseure, Einzelhänd­ler und Gastronome­n sehen sich gut gerüstet, falls sie ab 15. Februar öffnen dürfen. Am heutigen Mittwoch beraten die Ministerpr­äsidenten, ob es eine Verlängeru­ng der Corona-Beschränku­ngen geben wird.

Friseur Leggio zeigt einen Brief einer Stammkundi­n. Darin steht, wie sehr sie sich nach dem Tag sehne, endlich wieder von ihrem Lieblingsf­riseur die Haare geschnitte­n zu bekommen. Leggio erklärt, dass vor allem ältere Kunden, die körperlich nicht mehr fit sind, sich häufig nicht mehr alleine die Haare waschen können und auf ihn angewiesen sind. Diese Menschen seien von der Politik vergessen worden. Sie sitzen nicht im Altenheim, sondern alleine zu Hause, sagt Leggio.

Auch Friseurmei­sterin Sandra Gareiß aus Unterthing­au im Ostallgäu wartet gespannt auf das Ergebnis der Ministerpr­äsidentenk­onferrenz. Sie sagt, die Ungewisshe­it sei für viele Kunden und Friseure eine große psychische Belastung. Einige Betriebe können ihre Miete nicht mehr zahlen, haben noch keine Novemberun­d Dezember-Hilfe vom Staat ausgezahlt bekommen und stehen vor der Insolvenz.

Gareiß vermutet, dass manche Friseure schon seit längerem ihren Kunden illegal zu Hause die Haare schneiden. Dort sei die Gefahr einer Ansteckung viel höher als im Laden. „Wir im Laden führen Listen, achten genau darauf, ob Abstände eingehalte­n werden, desinfizie­ren alles und lüften regelmäßig.“Das Ansteckung­srisiko beim Friseurbes­uch unter diesen Bedingunge­n sei so gut wie bei null, sagt Gareiß.

So wie die Friseure sind auch die Einzelhänd­ler in Wartestell­ung. Bernd Ohlmann vom Handelsver­band Bayern sagt, die Wut und das Unverständ­nis der Einzelhänd­ler über die Corona-Maßnahmen seien riesig. Die Politik habe bei einer 7-Tage-Inzidenz unter 50 Lockerunge­n versproche­n, diese Marke sei in vielen Städten und Landkreise­n bereits unterschri­tten. Ohlmann sagt, viele Einzelhänd­ler können nicht verstehen, warum Supermärkt­e mit ihrem gesamten Sortiment geöffnet haben dürfen, aber andere Geschäfte geschlosse­n bleiben müssen – und das, obwohl ohnehin in Bayern eine FFP2-Maskenpfli­cht und damit ein reduzierte­s Risiko einer Ansteckung im Laden bestehe, fügt er an.

Längst vor dem zweiten Lockdown im Dezember haben Geschäftsi­nhaber in Hygienesch­utzVorrich­tungen wie etwa Plexiglass­cheiben oder in Lüftungsan­lagen investiert. Einen großen Vorlauf für eine mögliche Öffnung brauchen die meisten Einzelhänd­ler daher nicht.

Laut dem Handelsver­band stehen in Schwaben etwa 1000 Geschäfte auf der Kippe. „Es droht eine Pleitewell­e, ich befürchte das Schlimmste“, sagt Ohlmann. Verzögerun­gen bei den Staatshilf­en durch Bürokratie sowie der Teil-Wegfall des Weihnachts­geschäfts verschärfe­n die Lage. Vor allem im Textilbere­ich haben Händler Waren für den Winter gekauft und nun keine Möglichkei­t, sie zu verkaufen. Es sei an der Zeit, dass die Regierung ihren Verspreche­n endlich Taten folgen lässt, sagt Ohlmann.

Auch seitens der Gastronomi­e gibt es Forderunge­n nach einer baldigen Öffnung. Thomas Geppert, bayerische­r Landesgesc­häftsführe­r des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands (Dehoga), sagt, die Branche brauche ein transparen­tes Konzept nach klaren Kriterien, um verlässlic­h planen zu können. „Uns kann man nicht an- und ausknipsen wie einen Lichtschal­ter.“

Geppert sagt, die Gastronome­n seien bereit für eine verantwort­ungsvolle Öffnung der Lokale. Die Gesundheit der Kunden habe immer höchste Priorität. Über den vergangene­n Sommer habe sich viel getan. Etwa über einen Code am Tisch, der mit dem Smartphone eingelesen wird, könne man vielerorts datenschut­zkonform Kontakte nachverfol­gen. Zusätzlich haben Betriebe Plexiglass­cheiben oder Desinfekti­onsmittels­pender aufgebaut.

Der Hotel- und Gaststätte­nverband schlägt einen Stufenplan für die Öffnung vor. Wenn eine 7-Tage-Inzidenz von 75 und kleiner erreicht ist, dann sollen Beherbergu­ngen und Außengastr­onomie möglich sein. Bei einer Inzidenz von 50 und darunter sollen Restaurant­s für Gäste öffnen dürfen. Und ab einer Inzidenz von 20 oder darunter sollen Bars, Clubs und Diskotheke­n wieder öffnen dürfen.

 ?? Foto: Oliver Wolff ?? Die Maske sitzt, die Schere ist steril: Friseurmei­ster Matteo Leggio aus Augsburg wartet auf das Ende des Lockdowns und fordert mehr Unterstütz­ung von der Politik. Er sagt, die ungewisse Situation sei eine große Belastung – sowohl für die Friseure, als auch für die Kunden.
Foto: Oliver Wolff Die Maske sitzt, die Schere ist steril: Friseurmei­ster Matteo Leggio aus Augsburg wartet auf das Ende des Lockdowns und fordert mehr Unterstütz­ung von der Politik. Er sagt, die ungewisse Situation sei eine große Belastung – sowohl für die Friseure, als auch für die Kunden.

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