Bereit für den Neustart
Der Lockdown dauert seit über acht Wochen an. Friseure, Einzelhändler und Gastronomen kämpfen um ihre Existenz. Dabei, sagen sie, hätten sie gute Hygienekonzepte
Augsburg Friseur Matteo Leggio hat für seine fünf Mitarbeiterinnen und sich mehrere Schachteln medizinische FFP2-Masken aus deutscher Produktion gekauft, auch dutzende zusätzliche Handtücher und ein Gerät zur Sterilisation der Scheren und Kämme. Ebenso hat der Augsburger Friseurmeister Flächen- und Handdesinfektionsmittel für mehrere Wochen vorrätig. Leggios Mitarbeiter sind geschult, ein von der Friseurinnung ausgearbeitetes Hygienekonzept liegt vor, um Team und Kunden gegen das Coronavirus zu schützen. Er warte jetzt nur noch auf das „Go“aus der Politik, sagt Leggio. Friseure, Einzelhändler und Gastronomen sehen sich gut gerüstet, falls sie ab 15. Februar öffnen dürfen. Am heutigen Mittwoch beraten die Ministerpräsidenten, ob es eine Verlängerung der Corona-Beschränkungen geben wird.
Friseur Leggio zeigt einen Brief einer Stammkundin. Darin steht, wie sehr sie sich nach dem Tag sehne, endlich wieder von ihrem Lieblingsfriseur die Haare geschnitten zu bekommen. Leggio erklärt, dass vor allem ältere Kunden, die körperlich nicht mehr fit sind, sich häufig nicht mehr alleine die Haare waschen können und auf ihn angewiesen sind. Diese Menschen seien von der Politik vergessen worden. Sie sitzen nicht im Altenheim, sondern alleine zu Hause, sagt Leggio.
Auch Friseurmeisterin Sandra Gareiß aus Unterthingau im Ostallgäu wartet gespannt auf das Ergebnis der Ministerpräsidentenkonferrenz. Sie sagt, die Ungewissheit sei für viele Kunden und Friseure eine große psychische Belastung. Einige Betriebe können ihre Miete nicht mehr zahlen, haben noch keine Novemberund Dezember-Hilfe vom Staat ausgezahlt bekommen und stehen vor der Insolvenz.
Gareiß vermutet, dass manche Friseure schon seit längerem ihren Kunden illegal zu Hause die Haare schneiden. Dort sei die Gefahr einer Ansteckung viel höher als im Laden. „Wir im Laden führen Listen, achten genau darauf, ob Abstände eingehalten werden, desinfizieren alles und lüften regelmäßig.“Das Ansteckungsrisiko beim Friseurbesuch unter diesen Bedingungen sei so gut wie bei null, sagt Gareiß.
So wie die Friseure sind auch die Einzelhändler in Wartestellung. Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern sagt, die Wut und das Unverständnis der Einzelhändler über die Corona-Maßnahmen seien riesig. Die Politik habe bei einer 7-Tage-Inzidenz unter 50 Lockerungen versprochen, diese Marke sei in vielen Städten und Landkreisen bereits unterschritten. Ohlmann sagt, viele Einzelhändler können nicht verstehen, warum Supermärkte mit ihrem gesamten Sortiment geöffnet haben dürfen, aber andere Geschäfte geschlossen bleiben müssen – und das, obwohl ohnehin in Bayern eine FFP2-Maskenpflicht und damit ein reduziertes Risiko einer Ansteckung im Laden bestehe, fügt er an.
Längst vor dem zweiten Lockdown im Dezember haben Geschäftsinhaber in HygieneschutzVorrichtungen wie etwa Plexiglasscheiben oder in Lüftungsanlagen investiert. Einen großen Vorlauf für eine mögliche Öffnung brauchen die meisten Einzelhändler daher nicht.
Laut dem Handelsverband stehen in Schwaben etwa 1000 Geschäfte auf der Kippe. „Es droht eine Pleitewelle, ich befürchte das Schlimmste“, sagt Ohlmann. Verzögerungen bei den Staatshilfen durch Bürokratie sowie der Teil-Wegfall des Weihnachtsgeschäfts verschärfen die Lage. Vor allem im Textilbereich haben Händler Waren für den Winter gekauft und nun keine Möglichkeit, sie zu verkaufen. Es sei an der Zeit, dass die Regierung ihren Versprechen endlich Taten folgen lässt, sagt Ohlmann.
Auch seitens der Gastronomie gibt es Forderungen nach einer baldigen Öffnung. Thomas Geppert, bayerischer Landesgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), sagt, die Branche brauche ein transparentes Konzept nach klaren Kriterien, um verlässlich planen zu können. „Uns kann man nicht an- und ausknipsen wie einen Lichtschalter.“
Geppert sagt, die Gastronomen seien bereit für eine verantwortungsvolle Öffnung der Lokale. Die Gesundheit der Kunden habe immer höchste Priorität. Über den vergangenen Sommer habe sich viel getan. Etwa über einen Code am Tisch, der mit dem Smartphone eingelesen wird, könne man vielerorts datenschutzkonform Kontakte nachverfolgen. Zusätzlich haben Betriebe Plexiglasscheiben oder Desinfektionsmittelspender aufgebaut.
Der Hotel- und Gaststättenverband schlägt einen Stufenplan für die Öffnung vor. Wenn eine 7-Tage-Inzidenz von 75 und kleiner erreicht ist, dann sollen Beherbergungen und Außengastronomie möglich sein. Bei einer Inzidenz von 50 und darunter sollen Restaurants für Gäste öffnen dürfen. Und ab einer Inzidenz von 20 oder darunter sollen Bars, Clubs und Diskotheken wieder öffnen dürfen.