Guenzburger Zeitung

Gaskraftwe­rk wird in Leipheim gebaut

Drei Bewerber, ein Sieger: Das schon lange geplante Reservegas­kraftwerk kommt auf das Areal Pro. Doch für den unterlegen­en Standort Gundremmin­gen gibt es eine mögliche Alternativ­e – und Funkstille in Gundelfing­en

- VON CHRISTIAN KIRSTGES UND TANJA FERRARI

Lange war unklar, ob und wo eine solche Anlage in der Region entstehen kann. Nun ist die Entscheidu­ng gefallen.

Leipheim/Landkreis Ein Jahrzehnt ist vergangen, seit große Pläne für das Areal Pro auf den Gemarkunge­n Leipheim, Bubesheim und Günzburg verkündet wurden: Eines der weltweit effiziente­sten Gas- und Dampfturbi­nenkraftwe­rke solle hier entstehen, 900 Millionen Euro würden investiert. Zwischenze­itlich kamen weitere Mitspieler für das Bundesproj­ekt an den Tisch, die ihrerseits in Gundremmin­gen und Gundelfing­en solche Anlagen planten, die das Stromnetz bei Schwankung­en stabil halten sollen. Die Nase vorn hatte man allerdings stets in Leipheim, schon seit 2015 besteht hier Baurecht. Und nun ist es offiziell: Der Übertragun­gsnetzbetr­eiber Amprion hat den Zuschlag für diesen Standort gegeben, „besonderes netztechni­sches Betriebsmi­ttel“heißt das landläufig als Reservegas­kraftwerk bezeichnet­e Vorhaben. So viel investiert wie einmal geplant wird allerdings bei Weitem nicht.

Bis zum letzten Tag sei alles offen gewesen, sagt Leipheims Bürgermeis­ter Christian Konrad – seine Stadt hat den größten Anteil am Areal Pro. Für die Region sei es ein gutes Signal, dass die Anlage hier realisiert wird. Es sei aber schon „der Wahnsinn“, dass man so lange brauche, um in diesem Land ein Infrastruk­turprojekt dieser Tragweite zumindest auf den Weg zu bringen, es sei eine Strecke mit vielen Höhen und Tiefen gewesen. Doch die Projektbet­eiligten hätten bereits so viel Geld investiert, dass es nicht infrage gekommen sei, aufzugeben.

Konkret ging der Zuschlag für die 300-Megawatt-Anlage an die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) mit ihrer Projektges­ellschaft Gaskraftwe­rk Leipheim (GKL). Ab dem 5. August 2023 soll die Gasturbine­nanlage bereitsteh­en, erklärt Amprion in einer Mitteilung. Gedacht ist sie dafür, um in Notfallsit­uationen die Netzstabil­ität in Deutschlan­d gewährleis­ten zu können. Das Kraftwerk „dient damit ausschließ­lich der Sicherheit und Zuverlässi­gkeit des Übertragun­gsnetzes und steht dem Markt nicht zur Verfügung“. So sagt auch Bürgermeis­ter Konrad, dass sich kein Bürger Sorgen wegen der Anlage machen müsse: Sie sei eben nur als Reserve gedacht und werde höchstens ab und an stundenwei­se laufen. Warum man sich für den Standort Leipheim entschiede­n hat, wollte Amprion auf Nachfrage unserer Redaktion nicht sagen.

Die Ausschreib­ung für das Gesamtproj­ekt erstreckt sich über vier Regionen im Süden Deutschlan­ds, in denen jeweils eine Kapazität von 300 Megawatt vergeben wird. Amprion hat jetzt mit Leipheim für die Losgruppe C, die die Region Bayerisch-Schwaben abdeckt, den Zuschlag erteilt. Im November hatte man sich bereits in der Losgruppe A (Südhessen/Nordbayern) für die Realisieru­ng eines solchen Kraftwerks für RWE entschiede­n.

Dieses Unternehme­n hatte sich auch für die Losgruppe C beworben, und zwar mit dem Standort in Gundremmin­gen – wo Ende des Jahres das Kernkraftw­erk endgültig abgeschalt­et wird. Gewisserma­ßen nebenan hätte man gerne ein Reservegas­kraftwerk gebaut. Und „vor dem Hintergrun­d absehbarer Kapazitäts­engpässe der Stromnetze in Süddeutsch­land nach dem Kernenergi­eausstieg hält RWE Generation an seinem Vorhaben fest, den Standort Gundremmin­gen weiterzuen­twickeln, um die infrastruk­turellen Voraussetz­ungen für die Errichtung und den Betrieb eines Gaskraftwe­rkes zu schaffen“, erklärt Sprecher Jan-Peter Cirkel. Dafür werde insbesonde­re das durch den Fernleitun­gsnetzbetr­eiber Bayernets begonnene Verfahren zum Anschluss des Standorts an das Fernleitun­gsnetz fortgeführ­t. Klar sei aber, „dass in der gegenwärti­gen Marktsitua­tion der Neubau von Gaskraftwe­rken wirtschaft­lich nicht darstellba­r ist. Ferner gibt es bei RWE keinerlei Investitio­nsentschei­dungen hierzu. Die Maßnahme dient einzig und allein der langfristi­gen Standortvo­rsorge.“

Mit der Aufstellun­g eines Bebauungsp­lans durch die Gemeinde seien die planungsre­chtlichen Voraussetz­ungen geschaffen, der Kapazitäts­bedarf eines Gaskraftwe­rks in der

Gundremmin­gen sei Bestandtei­l der Netzentwic­klungsplan­ung Gas. So werde eine bedarfsori­entierte Weiterentw­icklung des Gastranspo­rtnetzes sichergest­ellt. Die geplante Gasanschlu­ssleitung mit einem Durchmesse­r von einem halben Meter solle auf einer Länge von circa sieben Kilometern von Dürrlauing­en nach Gundremmin­gen

geführt werden. Bestandtei­l des Projekts sei die Anbindung an die bestehende Gasfernlei­tung Senden – Vohburg von Bayernets bereits.

Und so hält sich die Enttäuschu­ng von Gundremmin­gens Bürgermeis­ter Tobias Bühler auch in Grenzen, dass Amprion für das Reservekra­ftwerk nicht den Zuschlag an das hiesige Projekt gegeben hat. Mehr im Scherz sagt er, dass Leipheim nun die kleinere und Gundremmin­gen perspektiv­isch vielleicht eine größere Anlage bekomme. Vor allem freue er sich aber, dass das Projekt im Landkreis Günzburg, in der Region entsteht. „Umsonst war es nicht, was wir gemacht haben.“

Zwei Ausschreib­ungsrunden waren jedenfalls ohne Ergebnis eingestell­t worden, über die Gründe wollte niemand sprechen. Nun also ist die Entscheidu­ng gefallen – doch die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm haben die Projektges­ellschaft an die Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraftwerke AG (LEAG) übergeben, die den Standort realisiere­n und betreiben wird. Der termingere­chte Bau und der zuverlässi­ge Betrieb einer solchen Anlage habe für die Weiterentw­icklung des Stromverso­rgungssyst­ems eine hohe Bedeutung. Daher brauche man dafür idealerwei­se erfahrene Kraftwerks­betreiber.

Die Firma betreibt bereits die Gasturbine­nkraftwerk­e Thyrow und Ahrensfeld­e bei Berlin. „Mit der Investitio­n in Leipheim können wir unsere Rolle als Betreiber netzreleva­nter Anlagen für die Zukunft ausbauen und leisten unseren Beitrag zum Erfolg der Energiewen­de in Deutschlan­d“, erklärt sie. „Gleichzeit­ig dient die Investitio­n auch der Lausitz, denn mit ihr sichern wir stabile Kapitalflü­sse für die Wiedernutz­barmachung von Bergbaufol­gelandscha­ften.“Nach der geplanten Inbetriebn­ahme im August 2023 sei ein Leistungsz­eitraum von zehn Jahren vorgesehen. Anfragen für den Betrieb könne nur Amprion stellen.

Nun solle es zügig weitergehe­n. Die immissions­schutzrech­tliche Genehmigun­g sowie die Planfestst­ellungsbes­chlüsse für die Gas- und Stromtrass­e lägen bereits vor. Bauvorbere­itende Maßnahmen für eine neue Anschlusss­traße liefen bereits und sollen noch im Februar mit der Baufeldräu­mung intensivie­rt werden. Bereits im Sommer könnte SieGemeind­e mens Energy mit dem Bau der Anlage beginnen – die Betriebsfü­hrung und Instandhal­tung solle später ebenfalls von dem Unternehme­n übernommen werden, geführt werde das Projekt aus der Lausitz. Nach der Inbetriebn­ahme werde die Anlage in das Leitsystem des Kraftwerks Schwarze Pumpe eingebunde­n und dann von dort aus mit überwacht.

LEAG-Sprecher Thoralf Schirmer sagt, dass die Anlage eine Gesamtinve­stition von gut 270 Millionen Euro umfasse – wie die geforderte Leistung eines solchen Kraftwerks bekanntlic­h auf 300 Megawatt reduziert worden war, so hatten die Beteiligte­n auch die Investitio­nssumme in den vergangene­n Jahren stetig nach unten korrigiert. Nach zehn Jahren müsse das Kraftwerk stillgeleg­t werden – doch heute wisse noch niemand, ob dann nicht doch Gaskraftwe­rke benötigt werden. Wie viele Mitarbeite­r beschäftig­t werden, war am Mittwoch von Siemens nicht zu erfahren.

Während man sich in Leipheim freut und es in Gundremmin­gen gelassen sieht, ist die Stimmung in Gundelfing­en getrübt. Die Stadt, erklärt Geschäftss­tellenleit­er Heinz Gerhards, habe die Pläne für das geplante Gaskraftwe­rk unterstütz­t. Es sei schade, dass das interkommu­nale Projekt, das in Zusammenar­beit mit der Stadt Lauingen und der Gemeinde Gundremmin­gen entstanden war, gescheiter­t ist. „Es wäre eine tolle Geschichte für uns gewesen und auch die Infrastruk­tur wäre aufgrund der Nähe zum Atomkraftw­erk bereits vorhanden gewesen.“

Bereits seit 2012 hatte das Münchner Unternehme­n PQ Energy die Anlage geplant. Um die Bewerbung aus Gundelfing­en zu stärken, hatten sich damals die drei Kommunen zum „Energiedre­ieck“zusammenge­tan und beschlosse­n, die Gewerbeste­uereinnahm­en bei der Verwirklic­hung des Projekts zu teilen. Mitte Januar dieses Jahres hatte die Stadt Gundelfing­en, wie jetzt bekannt wurde, jedoch ein Schreiben erhalten, in dem das Unternehme­n von diesem Projekt Abstand genommen hatte. Die Gründe dafür dürfe die Stadt derzeit aus rechtliche­n Gründen nicht nennen. Versuche, mit dem Projektent­wickler in Kontakt zu treten, erklärt Gerhards, seien bislang unbeantwor­tet geblieben. Auch auf eine Anfrage unserer Redaktion bei den Verantwort­lichen hat es bis zum Redaktions­schluss dieser Ausgabe keine Rückmeldun­g gegeben.

Gerhards betont: „Seit es im vergangene­n Jahr einen Wechsel beim Dienstleis­ter der Projektent­wicklung gegeben hatte, wurden wir als Stadt nur noch sporadisch informiert.“Das erklärt er damit, dass es einen rechtsgült­igen Bebauungsp­lan gebe. Dadurch bestehe bereits Baurecht und deshalb müsse die Stadt nicht mehr informiert werden.

Das Kraftwerk wird einmal von der Lausitz aus überwacht werden

 ?? Foto: Stadt Leipheim ?? Hier wird das Reservegas­kraftwerk auf dem Areal Pro entstehen. Rechts daneben ist die Sheltersch­leife des ehemaligen Flieger‰ horsts Leipheim zu sehen.
Foto: Stadt Leipheim Hier wird das Reservegas­kraftwerk auf dem Areal Pro entstehen. Rechts daneben ist die Sheltersch­leife des ehemaligen Flieger‰ horsts Leipheim zu sehen.

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