Guenzburger Zeitung

Bauern fühlen sich von der Politik verraten

In ganz Deutschlan­d protestier­en Landwirte gegen das geplante Insektensc­hutzgesetz. Gleichzeit­ig fordern Umweltschü­tzer konsequent­eres Handeln. Wie die Bundesregi­erung versucht, einen Kompromiss zu finden

- VON SÖREN BECKER UND CHRISTIAN GRIMM

Berlin Florian Seitz aus Eppishause­n im Oberallgäu macht sich Sorgen. „Dieses Insektensc­hutzgesetz geht mir fast schon an die Existenz“, sagt der Milchbauer. Er baut die Futterpfla­nzen für seine 180 Rinder selbst an und befürchtet, dass er schon bald weniger Dünger und Unkrautmit­tel verwenden darf. Das würde die Erträge reduzieren und dazu führen, dass er externes Futter hinzukaufe­n müsste. Mit den niedrigen Milchpreis­en könne er sich das nur schwer leisten. Der Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, Joachim Rukwied, urteilt: „Dieses Gesetz hilft weder den Insekten noch den Bauern. Im Gegenteil: Es zerstört erfolgreic­he Naturschut­z-Kooperatio­nen und gefährdet bäuerliche Existenzen.“

Das Gesetz, das nicht nur bei Florian Seitz, sondern bei vielen Landwirten für gewaltigen Ärger sorgt, ist Teil des „Aktionspak­ets Insektensc­hutz“aus dem Umweltmini­sterium. Im Zuge des Pakets plant die Bundesregi­erung Änderungen in der Pflanzensc­hutzanwend­ungsverord­nung, dem Naturschut­zgesetz und eben das neue Insektensc­hutzgesetz. So soll das von Umweltschü­tzern beklagte Insektenst­erben aufgehalte­n werden. Für Landwirte bedeutet das, strengere Regeln für den Einsatz von Chemie. Bauernverb­ände warnen, dass gerade die Einschränk­ungen in Naturschut­zgebieten einem Berufsverb­ot für Bauern mit Äckern dort gleichkomm­en könne.

Das Insektensc­hutzgesetz wurde lange vom Landwirtsc­haftsminis­terium blockiert, weil Ministerin Julia Klöckner (CDU) die Einschränk­ungen für Landwirte zu weit gingen. Sie wollte mehr auf freiwillig­e Maßnahmen setzen. Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) will das Insektensc­hutzgesetz aber noch vor

Ende der Legislatur durch den Bundestag bringen. Nun gibt es eine Einigung „nach mehr als einem Jahr Ringen mit dem Landwirtsc­haftsminis­terium“, so Schulze. Am Mittwoch konnte das Kabinett offiziell folgenden Kompromiss beschließe­n, der nun in den Bundestag eingebrach­t werden soll: Nach dem Willen der Ministerin­nen wird zunächst der Einsatz des Unkrautver­nichters Glyphosat schrittwei­se eingeschrä­nkt und Ende 2023 verboten. Glyphosat ist effektiv, steht aber im Verdacht, Krebs zu erregen. Auf den Äckern sorgt es dafür, dass dort nichts wächst außer der Feldfrucht. Die Monokultur lässt Insek

keinen Raum zum Leben. Auf die Felder soll es nur mit Ausnahmege­nehmigung kommen. In Schutzgebi­eten und am Rand von Flüssen, Seen und Teichen sollen die Bauern auch keine anderen chemischen Unkraut- und Insektenve­rtilger spritzen dürfen. Die Schutzgebi­et-Klausel gilt aber nicht absolut, wenn Bauern dort Obst, Gemüse, Hopfen oder Wein anbauen. Auch Waldbesitz­er dürfen Schädlinge weiter mit der Chemie bekämpfen. Der Bund gesteht den Ländern außerdem zu, dass sie ihre eigenen Regelungen zum Schutz der Insekten treffen können.

Den Landwirten in Deutschlan­d reicht der Kompromiss nicht aus. In ganz Deutschlan­d protestier­te in den Tagen zuvor das LandwirteB­ündnis „Land schafft Verbindung“mit Traktor-Korsos und Mahnwachen vor Ministerie­n und Fabriken. In Bayerisch-Schwaben haben Mitglieder des Bauernverb­andes am Dienstagab­end Mahnfeuer angezündet, um gegen die Bundesregi­erung zu demonstrie­ren. „Die drohenden praxisfrem­den Einschnitt­e in die Bewirtscha­ftung der landwirtsc­haftlichen Familienbe­triebe sind massiv“, schreibt der Bezirksver­band in einem Brief an Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Freiwillig­e Insektensc­hutzmaßnah­ten men würden auf Ländereben­e bereits ausreichen­d genutzt, sagt Alfred Enderle, der Bezirksprä­sident des Verbandes, im Gespräch mit unserer Redaktion. Insgesamt die Hälfte der Betriebe beteilige sich daran. „Bauern sind beim Insektensc­hutz nicht das Problem, sondern Teil der Lösung“, findet er. Viele Betriebe wie etwa Obstplanta­gen seien mit den neuen Regeln nicht wirtschaft­lich sinnvoll zu betreiben. Daran ändere auch der Kompromiss der beiden Ministerie­n nichts. Dieser verschaffe den Bauern nur mehr Zeit, bis die Regelungen greifen.

Auf der anderen Seite ist auch der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) enttäuscht von der Bundesregi­erung: „Die Koalition will noch auf den letzten Metern vor der Bundestags­wahl im Herbst ihre jahrelange­n Versprechu­ngen zum Insektensc­hutz umsetzen“, kommentier­t der Vorsitzend­e Olaf Bandt. Trotzdem sieht er den Gesetzesen­twurf als Erfolg: „Jedes eingespart­e Kilo Pestizid und jeder pestizidfr­eie Quadratkil­ometer Land sind positiv für Insekten und Natur“, sagt Bandt.

Auch die bayerische Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) hatte das Insektensc­hutzgesetz zusammen mit Amtskolleg­en aus anderen agrarstark­en Ländern wie Niedersach­sen und NordrheinW­estfalen im Vorfeld kritisiert, aber zeigte sich mit dem Kompromiss zufrieden: „Die Einigung ist nicht nur ein Gewinn für den Artenschut­z, wir können weiter unsere Landwirtin­nen und Landwirte als Partner an Bord halten.“

Bauer Seitz aus Eppishause­n bleibt skeptisch. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich übergangen fühlt: „Es kommen so oft Auflagen und Gesetze, die man gar nicht umsetzen kann“, sagt er. Er würde sich wünschen, dass Landwirte konsultier­t würden, bevor sie durch Gesetze eingeschrä­nkt werden.

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Foto: Marcus Merk In ganz Bayerisch‰Schwaben haben Bauern Mahnfeuer wie dieses in Meitingen gezündet. Damit wollen sie gegen das Insekten‰ schutzpake­t der Bundesregi­erung protestier­en.

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