Dann spielt doch, wo ihr wollt
Wegen der Corona-Einreisebeschränkungen weichen die Profiklubs im Europapokal auf Länder aus, die es damit nicht so eng nehmen. Das Echo von Fans und Politik ist verheerend
Nyon Für Freunde der gepflegten Abgabenoptimierung sind seit Jahren exotische Zwergstaaten wie Panama, die Cayman Islands oder die Schweiz die gelobten Länder. Schließlich nehmen es die Finanzbehörden dort nicht ganz so genau wie der in dieser Hinsicht gänzlich humorlose Deutsche. Im Februar 2021 schicken sich nun viele Länder an, zu Hochburgen für Fußball-Klubs zu werden, die unter den CoronaSchutzmaßnahmen leiden. Die neuen Hotspots heißen Ungarn, Rumänien, Italien und Spanien. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie nehmen es mit den Einreisebestimmungen in Zeiten der Pandemie nicht so streng. Ein unschätzbarer Vorteil, wenn in den kommenden Wochen Reisen im Europapokal anstehen. Insgesamt sechs Partien finden – Stand jetzt – in Drittländern statt, drei davon mit deutscher Beteiligung.
Während zum Beispiel Norwegen seit Ende Januar alle Grenzen geschlossen hat und viele Länder wegen der mutierten Coronavirus-Variante in Großbritannien keine Reisenden aus der Insel empfangen, hat die ungarische Regierung damit kein Problem. Zwar gelten auch dort bis mindestens zum 1. März Binnengrenzkontrollen und strenge
Einreisebestimmungen. Für Profisportler sind aber Ausnahmen vorgesehen. Für die Rückreise nach Deutschland reicht ein negatives Test-Ergebnis, da Ungarn anders als Großbritannien nicht als Hochrisikoland eingestuft ist. Als Belohnung finden im Reich des autoritären Regierungschefs Viktor Orban gleich zwei Spiele der europäischen Königsklasse statt: Am kommenden Dienstag trägt RB Leipzig in der Puskas-Arena sein Heimspiel gegen den FC Liverpool aus, eine Woche später wird die Arena zum Ausweichort für Borussia Mönchengladbach, das gegen Manchester City antritt. Die TSG Hoffenheim wiederum fliegt ans Mittelmeer: In Villarreal findet die Partie gegen den norwegischen Vertreter Molde statt.
Während also die Politik ihre Bürger bekniet, zu Hause zu bleiben, jetten Gehaltsmillionäre quer durch Europa, um Einreiseverbote zu umgehen. Die Vereine verweisen auf die Statuten des europäischen Verbands Uefa: Diese besagen, dass ein Spiel 0:3 für die gastgebende Mannschaft gewertet werden müsse, sofern es nicht stattfinden kann. Der Verband empfiehlt den Klubs zudem relativ unbescheiden, bei den zuständigen Behörden nach einer Ausnahme zu bitten. LiverpoolTrainer Jürgen Klopp sagte bereits, dass er nicht verstehen könne, warum es für seine Mannschaft keine Ausnahme geben könnte. Eine jener Regelungen etwa, die bewirkt, dass die Spieler des FC Bayern, die gerade in Katar bei der Klub-WM antreten, nach der Rückkehr nicht in Quarantäne müssen.
Jost Peter, Vorstandsmitglied des Fanbündnisses „Unsere Kurve“, kritisierte das Verhalten der Vereine scharf: „Vielleicht sollte man den beteiligten Vereinen noch mal das Pan in Pandemie erklären. Wer mitten im Lockdown in Austragungsorte mit höherer Inzidenz fährt, um Spiele mit britischen Vereinen auszutragen, hat nichts verstanden.“SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf dem Fußball Realitätsferne vor. „Es wäre ein stärkeres Signal, wenn dieses Spiel verschoben worden wäre oder gar ausgefallen wäre. Das ist auch mal verzichtbar an dieser Stelle. Der Wettbewerb darf da nicht an erster Stelle stehen.“Die Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestags, Dagmar Freitag (SPD), sagte: „Aufgrund der bekannten Mutationen des Virus ist jegliche Ein- und Ausreise in und aus anderen Ländern eine zu viel.“