Guenzburger Zeitung

Diese Nummer hilft Leben retten

Wer im Landkreis Günzburg die 112 wählt, kommt bei der Integriert­en Leitstelle in Krumbach heraus. Über welchen Anruf sich die Retter besonders gefreut haben

- VON JOHANN STOLL

Krumbach Es war ein Quantenspr­ung vor 30 Jahren in der Lebensrett­ung. Für alle Länder der Europäisch­en Union wurde die einheitlic­he Notrufnumm­er 112 eingeführt. Wer innerhalb der EU bei einem Notfall die 112 ohne Vorwahl wählt – ob stationäre­s Telefon oder Handy ist egal –, wird zur nächstgele­genen Einsatzzen­trale durchgeste­llt. Ob Feuer, Verkehrsun­fälle, akute Erkrankung­en oder schwere Verletzung­en – für alle Einsätze, in denen sich Menschen in einem lebensbedr­ohlichen Zustand befinden, laufen hier die Fäden zusammen.

Für die Landkreise Günzburg, Neu-Ulm, Unterallgä­u sowie die kreisfreie Stadt Memmingen ist das die Integriert­e Leitstelle (ILS) Donau-Iller mit Sitz in Krumbach. Um die 112 noch bekannter zu machen, haben Europaparl­ament, Europäisch­e Union und EU-Kommission den heutigen 11. Februar im Jahr 2009 zum Europäisch­en Tag des Notrufs ausgerufen. Denn nach wie vor ist nicht jedem klar, wann die 112 und wann die 116117 gewählt werden soll.

Kurz gesagt: Unter 112 erreicht man den Rettungsdi­enst und die Feuerwehr, die innerhalb kürzester Zeit beim Patienten oder am Brandherd sind. Die 112 ist bei lebensbedr­ohlichen Erkrankung­en die richtige Nummer. Unter 116117 erreichen Anrufer den Patientens­ervice, der bei Bedarf an den ärztlichen Bereitscha­ftsdienst verweist.

Reiner Wolf leitet die ILS Donau

Iller seit 2012. Er sagt: Was man wirklich bei einem Notfall falsch machen kann, ist, nicht anzurufen. „Einen Notruf kann jeder absetzen“, ermuntert er, im Zweifel keine Zeit zu verlieren. Anrufer müssen genau schildern, wo sie sich befinden und was geschehen ist (siehe Infokasten). Im einfachste­n Fall nennt der Anrufer den Ort, die Straße mit Hausnummer und das Stockwerk.

Setzen Besucher den Notruf ab, müssen sie zusätzlich den Namen angeben, der auf dem Klingelsch­ild steht. Außerorts muss möglichst genau beschriebe­n werden, auf welcher Straße, in welcher Richtung und auf Höhe welchen Ortes der Notfall oder Unfall ist. In Wäldern gibt es eigens durchnumme­rierte und kartografi­erte grün-weiße Rettungspu­nkte. Diese Nummern sollten beim Notruf mit angegeben werden, dadurch können die Rettungskr­äfte bis zum Standort der Nummer finden.

Seit Corona fragen die Disponente­n auch nach Erkältungs­symptomen und möglichen Corona-Infektione­n. Neben dem Absetzen eines Notrufs sollten Helfer vor Ort einem Patienten Erste Hilfe leisten und dabei möglichst eine FFP2-Maske tragen. Manchmal können auch die Disponente­n am Telefon bis zum Eintreffen des Notarztes gute Ratschläge geben, wenn sich jemand nicht mehr sicher ist, wie die Herz-Lungen-Wiederbele­bung geht. Die Diagnose dürfen Ersthelfer aber getrost dem Arzt überlassen.

Wolf rät bei nächtliche­n Notfällen, das Haus zu beleuchten, damit der Rettungsdi­enst den Einsatzort rasch findet. Hilfreich sei auch, wenn jemand als Einweiser auf der Straße steht.

24 Mitarbeite­r sind in der ILS Donau-Iller beschäftig­t. Sie müssen Notfallsan­itäter sein und sollten auch Führungser­fahrung bei einer Feuerwehr haben.

Die Corona-Pandemie hat bei der Leitstelle auch die Zahl der „Fehlanrufe“erhöht. So mancher hat die 112 gewählt, wenn er anderswo nicht durchkam, etwa beim Impfzentru­m. Schichtfüh­rer Stephan Riethmülle­r versteht, dass das einer gewissen Hilflosigk­eit vor allem älterer Menschen geschuldet ist. Er bittet aber darum, die Notrufnumm­er wirklich nur in Notfällen zu nutzen. Bei einem wirklichen Notfall kommt es auf rasche Hilfe an.

Riethmülle­r hat aber auch mal einen Fehlanruf entgegenge­nommen, über den er sich sehr gefreut hat. Es war gegen 21 Uhr, als ein Konstantin in der Leitung war. Er könne nicht einschlafe­n. Konstantin wollte wissen, wann das nächste Feuerwehrf­est in seinem Dorf stattfinde­t, „weil er so gerne rote Autos anschaut“. Weil an dem Abend nicht viel los war, hat sich Riethmülle­r etwas Zeit für den Siebenjähr­igen nehmen können.

Manche Anrufe sind aber auch richtig kurios. Wolf erzählt, dass es schon mal vorkam, dass ein festgefror­ener Schwan gemeldet wurde. Grundsätzl­ich ist die Leitstelle auch bei Tierrettun­gen die richtige

Adresse, die dann die Feuerwehr informiert. Aber Schwäne seien noch nie festgefror­en. „Wir mussten noch nie mit dem Bunsenbren­ner rausfahren und einen Schwan auftauen“, sagt Reiner Wolf mit einem Augenzwink­ern.

In Bayern gibt es 26 Integriert­e Leitstelle­n. Acht davon werden vom Roten Kreuz betrieben, darunter auch jene in Krumbach. Im Einzugsgeb­iet der ILS Donau-Iller leben knapp eine halbe Million Menschen. Dazu kommen noch gut 2,5 Millionen Übernachtu­ngen von Gästen.

Entspreche­nd viele Anrufe gehen in Krumbach ein. 145.000 hat der Schichtfüh­rer der ILS, Stephan Riethmülle­r, im Jahr 2020 gezählt. Das sind im Schnitt jeden Tag 400. Alarmiert werden von Krumbach aus dann Rettungswa­gen, Notärzte, manchmal auch Rettungshu­bschrauber und die Feuerwehre­n, je nach Fall. Verständig­t wird immer die Rettungswa­che, die den kürzesten Weg zum Patienten hat.

Acht Notruf-Leitungen stehen gleichzeit­ig rund um die Uhr zur Verfügung. Bei den meisten Anrufen geht es um Krankentra­nsporte. Das waren im Vorjahr 88.000 Fälle. Hinzu kommen die 4600 Alarmierun­gen für die Feuerwehre­n. Bei 353 Feuerwehre­n im Einzugsgeb­iet der ILS Donau-Iller, das so groß ist wie das Saarland, ist der organisato­rische Aufwand entspreche­nd groß.

Tagsüber zum Beispiel werden eher die größeren Feuerwehre­n alarmiert, weil viele kleinere gar nicht einsatzfäh­ig sind. Die KameReiner raden arbeiten meist nicht in ihrem Wohnort und fehlen dann bei einer Alarmierun­g.

Den Helfern gibt ihre wichtige Arbeit ein gutes Gefühl. Sie sei sinnvoll, das Betriebskl­ima sehr kollegial, wie Riethmülle­r anklingen lässt. Manchmal bekommen sie auch Rückmeldun­gen, über die sie sich richtig freuen. Einmal standen eine Frau, ein Kind und ein Mann vor der Tür. Der Junge sagte, sie wollten sich dafür bedanken, „dass mein Papa noch lebt“.

 ?? Symbolfoto: Wolfgang Widemann ?? Seit zwölf Jahren gibt es den Europäisch­en Tag des Notrufs, der am 11. Februar ist. Dabei geht es darum, die Nummer 112 noch bekannter zu machen.
Symbolfoto: Wolfgang Widemann Seit zwölf Jahren gibt es den Europäisch­en Tag des Notrufs, der am 11. Februar ist. Dabei geht es darum, die Nummer 112 noch bekannter zu machen.

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