Von der Anmeldung bis zum Pikser
Für die Impfung in den Zentren in Krumbach und Günzburg stehen rund 1800 Menschen auf der Warteliste, Tausende weitere sind registriert. Wie das in dieser Dimension funktioniert, und wer entscheidet, wer an der Reihe ist
Landkreis Nach dem öffentlichkeitswirksamen Corona-Impftermin von Theo Waigel in Krumbach kochten zuletzt die Emotionen hoch, es entwickelte sich eine hitzige Diskussion. Öl ins Feuer sind nun auch die Nachrichten, dass der Augsburger Bischof Bertram Meier und Landrat Stefan Rößle (Kreis Donau-Ries) bereits geimpft sind. Zumindest der Günzburger Landrat Hans Reichhart ist nach eigenen Angaben noch nicht gepikst (wir berichteten). Bei manchen Mitmenschen macht sich dennoch Ärger breit. Werden einige wenige beim Impfen bevorzugt? „Nein“, sagt Hermann Keller. Und es ist nicht die einzige Frage, auf die der Impfkoordinator für den Landkreis Günzburg im Gespräch mit unserer Redaktion eine eindeutige Antwort hat. Zum Beispiel: Warum dauert das mit dem Impftermin gerade so lange? Und wer entscheidet, wer wann geimpft wird? Dieser Artikel soll einen Einblick verschaffen: Von der Anmeldung bis zum Pikser – so läuft das mit dem Impfen im Kreis Günzburg ab.
Aktuell, berichtet Keller, seien im Kreisgebiet rund 1800 Bürger im Alter von über 80 Jahren auf einer Warteliste für eine Corona-Impfung. Bis 13. Januar war hier eine Anmeldung über das Landratsamt Günzburg, das eingerichtete Callcenter telefonisch sowie per E-Mail möglich. Anschließend sortierten der Impfkoordinator und seine Kollegen Mehrfach-Anmeldungen aus und sammelten die korrekten Meldungen in dieser Liste, streng sortiert nach Anmeldedatum. „Diese Liste wird nun – unabhängig vom Alter oder dem Gesundheitszustand der Person – von oben herab nach dem jeweiligen Anmeldedatum abgearbeitet“, berichtet Keller. Sprich: Wer sich zuerst angemeldet hat, wird derzeit auch zuerst geimpft. Das Impfzentrum nimmt dafür per SMS, E-Mail oder telefonisch mit den Menschen Kontakt auf, sobald sie an der Reihe sind.
Aber warum dauert das so lange? Bislang, so der Koordinator, war das Impfzentrum überwiegend mit der Impfung der Menschen, die in die Kategorie mit höchster Priorität eingestuft sind, beschäftigt. In diese Kategorie fallen die Bürger über 80 Jahre, aber auch die Bewohner und Mitarbeiter von stationären Einrichtungen wie Pflegeheimen, sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Keller: „Hier sind wir schon sehr weit gekommen. Mittlerweile haben wir fast alle betroffenen Personen aus dieser Kategorie in den 14 Heimen im Landkreis geimpft.“Demnach könne nun in den kommenden Wochen auch verstärkt die Warteliste abgearbeitet werden, wie es der Impfkoordinator nennt – insofern genügend Impfstoff verfügbar ist.
Das war bisher im Landkreis Günzburg nicht immer der Fall, berichtet Lutz Freybott, Leiter des
Impfzentrums in Krumbach und Stellvertreter von Impfkoordinator Keller. Bis vor Kurzem wurde im Kreisgebiet nur das Vakzin von Biontech/Pfizer eingesetzt. Zu Beginn dieser Woche traf dann erstmals ein zweiter Impfstoff ein, der des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Astrazeneca. Doch dieser Impfstoff darf nur an unter 65 Jahre alte Personen verimpft werden. Damit können demnach aktuell Hausärzte, Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten, Rettungsdiensten und Mitarbeiter der Krankenhäuser des Landkreises geimpft werden – also jene Personen, die in ihrem Beruf viel mit erkrankten oder verletzten Menschen zu tun haben.
Zuvor hieß es übrigens noch, der Kreis bekäme auch Impfstoff von Moderna – dieser ist, erst einmal ausgeliefert, nicht mehr transportfähig. Doch stattdessen kam weiteres Vakzin von Biontech/Pfitzer, das ist zwar transportfähig, aber selbst gekühlt maximal fünf Tage haltbar. Die ausgearbeiteten Pläne des Impfkoordinators wurden ein weiteres Mal über den Haufen geschmissen. „Es wird andauernd etwas umgestellt, da müssen wir jedes Mal spontan reagieren“, sagt Keller.
Dieser Impfstoff von Biontech/ Pfitzer, der im Landkreis angekommen ist, bleibt nun jedenfalls in größerem Maße den über 80-Jährigen, die zu den beiden Impfzentren nach Günzburg und Krumbach kommen. Etwas mehr als 600 Senioren haben bereits oder werden noch in dieser Woche nach Kellers Auskunft daprofitieren. Und etwa 150 weitere Zweitimpfungen erfolgen ebenfalls durch das Vakzin von Biontech/ Pfizer. Denn bei der zweiten Impfung muss der gleiche Impfstoff wie beim ersten Mal verwendet werden – und bisher gab es keinen anderen Impfstoff im Landkreis.
Die ständige Planungsunsicherheit ist eine Herausforderung für Keller und seine Kollegen, ob mobil oder in den Impfzentren. „Das ist ein unheimlicher logistischer Aufwand, den wir da betreiben müssen“, sagt er. Denn selbst wenn Impfstoff da ist, muss es oft ganz schnell gehen, wie ein Beispiel von Anfang dieser Woche zeigt. Da war das mobile Impfteam aus Krumbach in Ursberg für 234 Impfungen bei Menschen mit Behinderung im Dominikus-Ringeisen-Werk. Kurzfristig konnten acht Personen krankheitsbedingt nicht am Termin teilnehmen – es wurden acht Impfdosen frei. „Die Entscheidung, wer stattdessen geimpft wird, müssen wir innerhalb weniger Minuten treffen“, sagt Keller. Denn die zu verwendenden Impfdosen seien nur maximal zwei Stunden haltbar – und zu wertvoll, um nicht verabreicht zu werden. „Es darf keine Dosis verloren gehen. Wir haben ohnehin nur sehr wenig Impfstoff“, sagt der Impfkoordinator.
Bei dieser Entscheidung, wer nun geimpft wird, stellt sich jedoch nicht die Frage nach den Personen, so Keller, sondern vielmehr danach, welche Gruppe. Im Fall der acht Impfdosen aus Ursberg war zu entscheiden: Bekommen die acht Dosen Rettungskräfte oder Bürger über 80 Jahre von der Liste? Keller entschloss sich, acht Bürger von der Warteliste im Krumbacher Impfzentrum piksen zu lassen. „Denn für die Rettungskräfte haben wir nun ja den Impfstoff von Astrazeneca.“Also mussten die acht Impfdosen so schnell wie möglich von Ursberg nach Krumbach transportiert werden – und schnellstmöglich die acht Bürger von ganz oben auf der Liste benachrichtigt werden. „In manchen Fällen dauert es deshalb sehr lange, bis man einen Termin bekommt – aber dann kann es auch wieder ganz schnell gehen“, fasst es Keller zusammen. Und fügt hinzu: „Wir hatten anfangs etwas Probleme und kaum Personal. Aber wir passen uns an und lernen jeden Tag dazu – und das Team arbeitet top. Es ist in Krumbach und Günzburg sehr schnelllebig alles entstanden, aber mittlerweile sind wir gut vorbereitet und können die Liste abarbeiten, wenn Impfstoff frei wird.“
Überhaupt beschreibt Keller die die Situation insgesamt im Landkreis dank zweier Impfzentren als sehr gut. „Das bedeutet zwar einen massiv höheren logistischen Aufwand, ist aber eine gute Lösung. So haben alle Bürger maximal 15 Kilometer Anfahrtsweg, um sich impfen zu lassen – das ist nicht selbstvervon ständlich“, sagt der Koordinator und nennt das Impfzentrum in Ulm als Gegenbeispiel: „Dessen Einzugsgebiet geht bis nach Aalen und an den Bodensee.“Und das sei bei Weitem keine Seltenheit. Die Versorgung in Bayern, so Keller, sei hingegen gut. Das Problem sei hier vielmehr der fehlende Impfstoff.
Auch an der ausgewogenen Verteilung der Impftermine in den Zentren in Günzburg und Krumbach wird aktuell gearbeitet. Denn beide haben die gleiche Kapazität. Aber schließlich leben im nördlichen Teil des Kreises mehr Menschen als im Süden. In Günzburg sind dem Koordinator zufolge aktuell rund 1200 Termine angedacht, in Krumbach nur knapp die Hälfte. Deshalb wird Impfwilligen, die schon auf der Warteliste stehen und in der Landkreismitte leben, derzeit vorgeschlagen, sich in Krumbach impfen zu lassen, berichtet Keller: „Wenn wir es schaffen, die Termine gleichmäßig zu verteilen, könnten wir sogar früher fertig werden.“
Dass nach der Diskussion um die Impfung von Theo Waigel in Krumbach bei manchen Menschen nun aber offenbar sogar das Vertrauen in das gesamte System erschüttert ist, kann Keller nicht nachvollziehen. „Diese Debatte tut mir persönlich weh“, sagt er. Und Freybott fügt hinzu: „Wir arbeiten hier alle hart an der Belastungsgrenze und dann wird das alles wegen so etwas infrage gestellt.“
Die viele Arbeit wird wohl auch nicht so bald weniger. Denn nach den 1800 Impfwilligen im Alter von über 80 Jahren, die sich derzeit auf der Warteliste tummeln, und der Angestellten in den Krankenhäusern, sind die – Stand jetzt – knapp 10000 Menschen aus dem Kreisgebiet an der Reihe, die sich unabhängig ihres Alters bereits über das Internetportal www.impfzentren.bayern für einen Impftermin registriert haben. Nach welcher Reihenfolge dann geimpft wird, entzieht sich auch der Kenntnis von Keller: „Das macht dann alles die Software vom Freistaat. Wir bekommen nur Bescheid, wer an der Reihe ist.“Bevorzugt – und da ist sich Keller ganz sicher – werde aber auch dann keiner.
Planungsunsicherheit ist große Herausforderung
Termine werden auf beide Impfzentren verteilt