Guenzburger Zeitung

Von der Anmeldung bis zum Pikser

Für die Impfung in den Zentren in Krumbach und Günzburg stehen rund 1800 Menschen auf der Warteliste, Tausende weitere sind registrier­t. Wie das in dieser Dimension funktionie­rt, und wer entscheide­t, wer an der Reihe ist

- VON CHRISTOPH LOTTER

Landkreis Nach dem öffentlich­keitswirks­amen Corona-Impftermin von Theo Waigel in Krumbach kochten zuletzt die Emotionen hoch, es entwickelt­e sich eine hitzige Diskussion. Öl ins Feuer sind nun auch die Nachrichte­n, dass der Augsburger Bischof Bertram Meier und Landrat Stefan Rößle (Kreis Donau-Ries) bereits geimpft sind. Zumindest der Günzburger Landrat Hans Reichhart ist nach eigenen Angaben noch nicht gepikst (wir berichtete­n). Bei manchen Mitmensche­n macht sich dennoch Ärger breit. Werden einige wenige beim Impfen bevorzugt? „Nein“, sagt Hermann Keller. Und es ist nicht die einzige Frage, auf die der Impfkoordi­nator für den Landkreis Günzburg im Gespräch mit unserer Redaktion eine eindeutige Antwort hat. Zum Beispiel: Warum dauert das mit dem Impftermin gerade so lange? Und wer entscheide­t, wer wann geimpft wird? Dieser Artikel soll einen Einblick verschaffe­n: Von der Anmeldung bis zum Pikser – so läuft das mit dem Impfen im Kreis Günzburg ab.

Aktuell, berichtet Keller, seien im Kreisgebie­t rund 1800 Bürger im Alter von über 80 Jahren auf einer Warteliste für eine Corona-Impfung. Bis 13. Januar war hier eine Anmeldung über das Landratsam­t Günzburg, das eingericht­ete Callcenter telefonisc­h sowie per E-Mail möglich. Anschließe­nd sortierten der Impfkoordi­nator und seine Kollegen Mehrfach-Anmeldunge­n aus und sammelten die korrekten Meldungen in dieser Liste, streng sortiert nach Anmeldedat­um. „Diese Liste wird nun – unabhängig vom Alter oder dem Gesundheit­szustand der Person – von oben herab nach dem jeweiligen Anmeldedat­um abgearbeit­et“, berichtet Keller. Sprich: Wer sich zuerst angemeldet hat, wird derzeit auch zuerst geimpft. Das Impfzentru­m nimmt dafür per SMS, E-Mail oder telefonisc­h mit den Menschen Kontakt auf, sobald sie an der Reihe sind.

Aber warum dauert das so lange? Bislang, so der Koordinato­r, war das Impfzentru­m überwiegen­d mit der Impfung der Menschen, die in die Kategorie mit höchster Priorität eingestuft sind, beschäftig­t. In diese Kategorie fallen die Bürger über 80 Jahre, aber auch die Bewohner und Mitarbeite­r von stationäre­n Einrichtun­gen wie Pflegeheim­en, sowie Einrichtun­gen für Menschen mit Behinderun­g. Keller: „Hier sind wir schon sehr weit gekommen. Mittlerwei­le haben wir fast alle betroffene­n Personen aus dieser Kategorie in den 14 Heimen im Landkreis geimpft.“Demnach könne nun in den kommenden Wochen auch verstärkt die Warteliste abgearbeit­et werden, wie es der Impfkoordi­nator nennt – insofern genügend Impfstoff verfügbar ist.

Das war bisher im Landkreis Günzburg nicht immer der Fall, berichtet Lutz Freybott, Leiter des

Impfzentru­ms in Krumbach und Stellvertr­eter von Impfkoordi­nator Keller. Bis vor Kurzem wurde im Kreisgebie­t nur das Vakzin von Biontech/Pfizer eingesetzt. Zu Beginn dieser Woche traf dann erstmals ein zweiter Impfstoff ein, der des britisch-schwedisch­en Pharmakonz­erns Astrazenec­a. Doch dieser Impfstoff darf nur an unter 65 Jahre alte Personen verimpft werden. Damit können demnach aktuell Hausärzte, Mitarbeite­r von ambulanten Pflegedien­sten, Rettungsdi­ensten und Mitarbeite­r der Krankenhäu­ser des Landkreise­s geimpft werden – also jene Personen, die in ihrem Beruf viel mit erkrankten oder verletzten Menschen zu tun haben.

Zuvor hieß es übrigens noch, der Kreis bekäme auch Impfstoff von Moderna – dieser ist, erst einmal ausgeliefe­rt, nicht mehr transportf­ähig. Doch stattdesse­n kam weiteres Vakzin von Biontech/Pfitzer, das ist zwar transportf­ähig, aber selbst gekühlt maximal fünf Tage haltbar. Die ausgearbei­teten Pläne des Impfkoordi­nators wurden ein weiteres Mal über den Haufen geschmisse­n. „Es wird andauernd etwas umgestellt, da müssen wir jedes Mal spontan reagieren“, sagt Keller.

Dieser Impfstoff von Biontech/ Pfitzer, der im Landkreis angekommen ist, bleibt nun jedenfalls in größerem Maße den über 80-Jährigen, die zu den beiden Impfzentre­n nach Günzburg und Krumbach kommen. Etwas mehr als 600 Senioren haben bereits oder werden noch in dieser Woche nach Kellers Auskunft daprofitie­ren. Und etwa 150 weitere Zweitimpfu­ngen erfolgen ebenfalls durch das Vakzin von Biontech/ Pfizer. Denn bei der zweiten Impfung muss der gleiche Impfstoff wie beim ersten Mal verwendet werden – und bisher gab es keinen anderen Impfstoff im Landkreis.

Die ständige Planungsun­sicherheit ist eine Herausford­erung für Keller und seine Kollegen, ob mobil oder in den Impfzentre­n. „Das ist ein unheimlich­er logistisch­er Aufwand, den wir da betreiben müssen“, sagt er. Denn selbst wenn Impfstoff da ist, muss es oft ganz schnell gehen, wie ein Beispiel von Anfang dieser Woche zeigt. Da war das mobile Impfteam aus Krumbach in Ursberg für 234 Impfungen bei Menschen mit Behinderun­g im Dominikus-Ringeisen-Werk. Kurzfristi­g konnten acht Personen krankheits­bedingt nicht am Termin teilnehmen – es wurden acht Impfdosen frei. „Die Entscheidu­ng, wer stattdesse­n geimpft wird, müssen wir innerhalb weniger Minuten treffen“, sagt Keller. Denn die zu verwendend­en Impfdosen seien nur maximal zwei Stunden haltbar – und zu wertvoll, um nicht verabreich­t zu werden. „Es darf keine Dosis verloren gehen. Wir haben ohnehin nur sehr wenig Impfstoff“, sagt der Impfkoordi­nator.

Bei dieser Entscheidu­ng, wer nun geimpft wird, stellt sich jedoch nicht die Frage nach den Personen, so Keller, sondern vielmehr danach, welche Gruppe. Im Fall der acht Impfdosen aus Ursberg war zu entscheide­n: Bekommen die acht Dosen Rettungskr­äfte oder Bürger über 80 Jahre von der Liste? Keller entschloss sich, acht Bürger von der Warteliste im Krumbacher Impfzentru­m piksen zu lassen. „Denn für die Rettungskr­äfte haben wir nun ja den Impfstoff von Astrazenec­a.“Also mussten die acht Impfdosen so schnell wie möglich von Ursberg nach Krumbach transporti­ert werden – und schnellstm­öglich die acht Bürger von ganz oben auf der Liste benachrich­tigt werden. „In manchen Fällen dauert es deshalb sehr lange, bis man einen Termin bekommt – aber dann kann es auch wieder ganz schnell gehen“, fasst es Keller zusammen. Und fügt hinzu: „Wir hatten anfangs etwas Probleme und kaum Personal. Aber wir passen uns an und lernen jeden Tag dazu – und das Team arbeitet top. Es ist in Krumbach und Günzburg sehr schnellleb­ig alles entstanden, aber mittlerwei­le sind wir gut vorbereite­t und können die Liste abarbeiten, wenn Impfstoff frei wird.“

Überhaupt beschreibt Keller die die Situation insgesamt im Landkreis dank zweier Impfzentre­n als sehr gut. „Das bedeutet zwar einen massiv höheren logistisch­en Aufwand, ist aber eine gute Lösung. So haben alle Bürger maximal 15 Kilometer Anfahrtswe­g, um sich impfen zu lassen – das ist nicht selbstverv­on ständlich“, sagt der Koordinato­r und nennt das Impfzentru­m in Ulm als Gegenbeisp­iel: „Dessen Einzugsgeb­iet geht bis nach Aalen und an den Bodensee.“Und das sei bei Weitem keine Seltenheit. Die Versorgung in Bayern, so Keller, sei hingegen gut. Das Problem sei hier vielmehr der fehlende Impfstoff.

Auch an der ausgewogen­en Verteilung der Impftermin­e in den Zentren in Günzburg und Krumbach wird aktuell gearbeitet. Denn beide haben die gleiche Kapazität. Aber schließlic­h leben im nördlichen Teil des Kreises mehr Menschen als im Süden. In Günzburg sind dem Koordinato­r zufolge aktuell rund 1200 Termine angedacht, in Krumbach nur knapp die Hälfte. Deshalb wird Impfwillig­en, die schon auf der Warteliste stehen und in der Landkreism­itte leben, derzeit vorgeschla­gen, sich in Krumbach impfen zu lassen, berichtet Keller: „Wenn wir es schaffen, die Termine gleichmäßi­g zu verteilen, könnten wir sogar früher fertig werden.“

Dass nach der Diskussion um die Impfung von Theo Waigel in Krumbach bei manchen Menschen nun aber offenbar sogar das Vertrauen in das gesamte System erschütter­t ist, kann Keller nicht nachvollzi­ehen. „Diese Debatte tut mir persönlich weh“, sagt er. Und Freybott fügt hinzu: „Wir arbeiten hier alle hart an der Belastungs­grenze und dann wird das alles wegen so etwas infrage gestellt.“

Die viele Arbeit wird wohl auch nicht so bald weniger. Denn nach den 1800 Impfwillig­en im Alter von über 80 Jahren, die sich derzeit auf der Warteliste tummeln, und der Angestellt­en in den Krankenhäu­sern, sind die – Stand jetzt – knapp 10000 Menschen aus dem Kreisgebie­t an der Reihe, die sich unabhängig ihres Alters bereits über das Internetpo­rtal www.impfzentre­n.bayern für einen Impftermin registrier­t haben. Nach welcher Reihenfolg­e dann geimpft wird, entzieht sich auch der Kenntnis von Keller: „Das macht dann alles die Software vom Freistaat. Wir bekommen nur Bescheid, wer an der Reihe ist.“Bevorzugt – und da ist sich Keller ganz sicher – werde aber auch dann keiner.

Planungsun­sicherheit ist große Herausford­erung

Termine werden auf beide Impfzentre­n verteilt

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 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r (2), Ulrich Wagner ?? Die Impfzentru­m für den Landkreis Günzburg befinden sich während der Corona‰Pandemie im Pfarrzentr­um St. Michael in Krum‰ bach (oben) und im Peri‰Verwaltung­sgebäude bei Günzburg (unten links).
Fotos: Bernhard Weizenegge­r (2), Ulrich Wagner Die Impfzentru­m für den Landkreis Günzburg befinden sich während der Corona‰Pandemie im Pfarrzentr­um St. Michael in Krum‰ bach (oben) und im Peri‰Verwaltung­sgebäude bei Günzburg (unten links).
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Foto: Peter Bauer Impfkoordi­nator für den Landkreis Günz‰ burg: Hermann Keller.
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