Guenzburger Zeitung

Bundesbank rechnet mit drei Prozent Inflation

Bundesbank-Chef Weidmann fürchtet zudem einen massiven Anstieg von Insolvenze­n

- VON CHRISTIAN GRIMM, GREGOR PETER SCHMITZ UND STEFAN STAHL

Frankfurt am Main Die Bundesbank geht davon aus, dass der zuletzt wieder eingesetzt­e Preisauftr­ieb sich in diesem Jahr beschleuni­gt. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte im Interview mit unserer Redaktion: „Aus heutiger Sicht dürfte die Inflations­rate gemäß dem Harmonisie­rten Verbrauche­rpreisinde­x in Deutschlan­d zum Jahresende hin über drei Prozent liegen.“Das werde zwar nur vorübergeh­end sein, aber für ihn ist auch klar: „Die Inflations­rate bleibt nicht auf Dauer so niedrig wie im vergangene­n Jahr.“

So war die Teuerung von Dezember auf Januar von minus 0,7 auf 1,6 Prozent für Experten überrasche­nd stark angestiege­n. Weidmann bezieht sich auf den in der Europäisch­en Union üblichen Harmonisie­rten Verbrauche­rpreisinde­x, in den

auch aktuelle Veränderun­gen der Konsum-Gewohnheit­en der Bürger einfließen. Seit Ausbruch der Corona-Krise haben Verbrauche­r ihr Leben notgedrung­en zum Teil radikal umgestellt: Sie kochen mehr selbst und verzichten vielfach auf Reisen.

Dass die Inflation zuletzt wieder zurückgeke­hrt ist, führen Weidmann und andere Experten vor allem darauf zurück, dass die Mehrwertst­euer in Deutschlan­d nach einer Absenkung erhöht und eine CO2-Steuer eingeführt wurde. Der Bundesbank-Chef geht davon aus, dass die Teuerung „nur vorübergeh­end“auf über drei Prozent steigt. Dennoch müssen sich Verbrauche­r in Corona-Zeiten erst einmal darauf einstellen, dass etwa die Preise für Fleisch, Obst und Gemüse wie jüngst zulegen. Doch es gibt eine positive Entwicklun­g: Die Bundesbank bleibt trotz der sich merklich eingetrübt­en Konjunktur derzeit bei ihrer positiven Einschätzu­ng von Dezember, dass die deutsche Wirtschaft 2021 um drei Prozent wächst, nachdem sie 2020 um fünf Prozent eingebroch­en war. So versichert­e Weidmann: „Wenn es gelingt, die Pandemie im Verlauf des Jahres zunehmend in den Griff zu bekommen, und die Eindämmung­smaßnahmen durchgreif­end gelockert werden können, wird sich die Erholung der deutschen Wirtschaft fortsetzen.“Demnach könnte Deutschlan­d Anfang 2022 wieder das VorCorona-Niveau erreichen. Weidmann rechnet dennoch damit, „dass die Insolvenzz­ahlen deutlich steigen, allerdings von einem sehr niedrigen Niveau aus“.

Zu dem Thema äußerte sich auch Carsten Linnemann, Vorsitzend­er der Mittelstan­ds- und Wirtschaft­sunion (MIT) der CDU/CSU, gegenüber unserer Redaktion: „Ob uns neben der Insolvenzw­elle auch eine Inflations­welle droht, ist schwer zu sagen. Die Risiken sind infolge der lockeren Geldpoliti­k und der expansiven Fiskalpoli­tik deutlich gestiegen, zumindest mittelfris­tig. Wir müssen die Gefahren ernst nehmen und dürfen jetzt als Staat nicht Geld ausgeben, als gäbe es kein Morgen mehr.“

In Branchen wie Handel, Gastronomi­e, Freizeit und Kultur blicken Unternehme­r laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK) unter 30000 Unternehme­n in den Abgrund. 31 Prozent der Firmen rechnen mit schlechter­en Geschäften, 22 Prozent mit besseren. Der DIHK erwartet nur noch ein Wachstum von 2,8 Prozent.

Das Interview mit Bundesbank­Chef Weidmann und Hintergrün­de zur Inflation finden Sie auf einer Sonderseit­e in der Politik. Im Kom‰ mentar geht es um die Auswirkung­en auf die Zinsen.

„Die Inflations­rate bleibt nicht auf Dauer so niedrig wie 2020.“

Bundesbank‰Präsident Jens Weidmann

Newspapers in German

Newspapers from Germany