Guenzburger Zeitung

Beppe Grillo ist der Guru im Hintergrun­d

Der Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung schwört die Bewegung auf eine Große Koalition unter Mario Draghi ein

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Rom Wenn man italienisc­he Politiker als Clowns bezeichnet, dann macht man bei Beppe Grillo keinen Fehler. Der 72-jährige Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung ist ein Komiker, der im Laufe seiner Karriere immer politische­r wurde und nun die entscheide­nde Figur bei der Bildung einer neuen italienisc­hen Regierung unter Mario Draghi ist. Und die Fünf-Sterne-Bewegung hat sich in einer Abstimmung am Donnerstag für die Unterstütz­ung einer geplanten Regierung des Ex-Zentralban­kchefs Mario Draghi entschiede­n. Demnach stimmten rund 59 Prozent der Mitglieder, die eine Stimme abgegeben hatten, mit Ja. Nun ist der Weg für den Ex-EZBChef an die Spitze der italienisc­hen Politik frei.

Seine Karriere als Komiker begann Grillo beim italienisc­hen Staatsfern­sehen in den 1980er Jahren. „Wenn die Chinesen alle Sozialiste­n sind, wen bestehlen sie dann?“, provoziert­e der gebürtige Genuese 1987 den damaligen sozialisti­schen und der Korruption beschuldig­ten Ministerpr­äsidenten Bettino Craxi. Seine satirische­n Proteste mündeten 2009 in die Gründung der Fünf-Sterne-Bewegung, die sich fünf Themen verschrieb: Wasser, Umwelt, Transport, Netz und Entwicklun­g. Vielen Italienern sprach Grillo mit seiner Kritik aus der Seele. Ebenso legendär wie ordinär waren seine V-Days („Vaffanculo“für „Leck mich am Arsch“), auf denen Tausende gegen korrupte und vorbestraf­te Politiker protestier­ten.

Seit 2018 sind die „Grillini“stärkste Partei im Parlament. Der Gründervat­er selbst bekleidete jedoch nie ein Amt. Grillo ist vorbestraf­t und darf den Statuten seiner Bewegung zufolge damit nicht für politische Ämter kandidiere­n. 1981 verschulde­te er fahrlässig einen Unfall, bei dem drei Menschen ums Leben

kamen. Für ihn wurde deshalb die Rolle des „Garanten“der Bewegung geschaffen, eine Art Übervater und Koordinato­r im Hintergrun­d. Jetzt, da der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi an der Bildung einer Regierung arbeitet, ist Grillo als Guru im Hintergrun­d besonders gefragt. Er ist so etwas wie der letzte gemeinsame Nenner in der zerstritte­nen Bewegung. Und vielen Mitglieder­n waren der Ex-Bankier Draghi und andere Koalitionä­re in spe nicht einfach zu vermitteln.

Zweimal ist Grillo nach Rom zu den Sondierung­sgespräche­n mit Draghi gereist. Der 72-Jährige aus Genua begleitete den Interimsvo­rsitzenden der Sterne, Vito Crimi, sowie die Fraktionsc­hefs. Die Verschleiß­erscheinun­gen bei den Sternen sind nach drei Jahren in der Regierung deutlich, nach Umfragen kämen sie heute auf weniger als die Hälfte der Stimmen von 2018. Die Partei ist nach der Regierungs­erfahrung zuerst mit der rechten Lega und anschließe­nd mit den Sozialdemo­kraten in einem Linksbündn­is weiter auf der Identitäts­suche. Während die Führungsri­ege um Grillo den Eintritt in die Koalition unter Draghi befürworte­t, gibt es auch kritische Stimmen. Der Partei droht der Bruch.

„Ich habe den Bankier Gottes erwartet, aber er ist ein Grillino und will Mitglied werden“, scherzte Grillo über die Sondierung­en mit Draghi, der im linken Flügel der Bewegung als Ausdruck des Großkapita­ls regelrecht verachtet wird. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Draghi offenbar die Idee der Fünf Sterne eines Superminis­teriums zur ökologisch­en Wende aufnehmen will. „Ich habe mit ihm gesprochen und er hat immer genickt“, sagte Grillo, der auf die Regierungs­beteiligun­g drängt, um mit den EUHilfsgel­dern die grüne Wende für Italien einzuleite­n und damit endlich eine seiner Ur-Ideen zu verwirklic­hen.

Die Lage der Grillini ist aus einem weiteren Grund nicht einfach. Vor allem Silvio Berlusconi galt ihnen als Inbegriff einer verkommene­n Politikerk­aste, Grillo bezeichnet­e ihn jahrelang als „Psychozwer­g“. Nachdem die Mitglieder also nun in die Regierung einwillige­n, gehen die einst systemkrit­ischen Sterne nun auch mit ihm, der Lega und den Sozialdemo­kraten in eine Koalition. Wohlwissen­d, dass die Zentrifuga­lkräfte stärker werden, wurde Grillo aktiv, um die Spaltung seiner vor zwölf Jahren gegründete­n Bewegung zu verhindern – und sie auf ein neues Abenteuer einzuschwö­ren.

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Foto: dpa Beppe Grillo – wird der ehemalige Ko‰ miker zum Königsmach­er für Mario Draghi?

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