Guenzburger Zeitung

Europäisch­e Stärke im Jahr des Büffels

Debatte Berlin und Brüssel haben sich von China lange Jahre fast alles gefallen lassen. Mit dem von Merkel und von der Leyen verkündete­n Investitio­nsabkommen wendet sich das Blatt. Das Selbstbewu­sstsein wächst

- VON STEFAN LANGE

Es gibt in den Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d, der Europäisch­en Union und China Dinge, die bis an den Wohnzimmer­tisch durchschla­gen. Wer zum Abendessen eine Flasche Moselwein öffnet, kann sich sicher sein, dass der edle Tropfen aus der Moselregio­n ist und nicht ein chinesisch­es Imitat. „Für die deutschen Weinbauern an der Mosel, aus Franken und Rheinhesse­n ist das heute ein guter Tag, genauso für das Münchener und das bayerische Bier“, freute sich Kanzlerin Angela Merkel nach dem jüngsten EU-China-Gipfel. Es sei gelungen, auch bei den Handelsund Wirtschaft­sfragen einmal einen praktische­n Schritt zu machen, „nämlich eine Einigkeit über einen ersten Schritt bei geografisc­hen Herkunftsb­ezeichnung­en festzulege­n“, erklärte die CDU-Politikeri­n. Geografisc­he Herkunftsb­ezeichnung­en sind wichtig, weil sie Absatzmärk­te der regionalen Hersteller sichern. Darüber hinaus zeigen auch solche vermeintli­chen Kleinigkei­ten, dass sich Europa in der politische­n Auseinande­rsetzung mit China nicht nur behaupten will, sondern dabei zunehmend erfolgreic­h ist.

Im Rahmen einer Videokonfe­renz haben die Spitzen von EU und China gerade den politische­n Abschluss des Investitio­nsabkommen­s (Comprehens­ive Agreement on Investment, CAI) verkündet. Das CAI, wenn auch selbst kein Freihandel­sabkommen, ist eine notwendige Antwort auf das im November unterzeich­nete Abkommen Chinas mit 14 Staaten der Asien-Pazifik-Region, das zur weltweit größten Freihandel­szone führen wird. Nachdem es in den letzten Jahren so schien, als ob Ber

und Brüssel sich fast alles von China gefallen lassen, begeben sich die Europäer damit vor allem ein Stück weit mehr auf Augenhöhe mit der Volksrepub­lik.

Wenn über die deutschen und europäisch­en Beziehunge­n zu China geredet wird, fällt zu Recht das

Stichwort Menschenre­chte. Chinas Staatspräs­ident Xi Jinping erklärte bei seiner Eröffnungs­rede zum Davos-Weltwirtsc­haftsgipfe­l zwar, kein System sei besser als ein anderes. Doch das steht nicht im Einklang mit den Bildern, die China produziert: blutig geprügelte Demonstran­ten in Hongkong.

Zwangsverh­aftete muslimisch­e Uiguren. Kampfjets und Bomber im Südchinesi­schen Meer. Internetsp­erren. Isolations­haft ohne Anwaltskon­takt. Folterunge­n – die Liste ist lang. Und mit solch einem Schurkenst­aat soll man Geschäfte machen?

Die Wirklichke­it beantworte­t diese Frage. Die EU zählt bei Imund Exporten zu den größten Handelspar­tnern Chinas, umgekehrt ist es genauso. Wer „Made in China“kauft, unterstütz­t Peking. Und wie wenig Moral zählt, wird sich zeigen, falls Deutschlan­d chinesisch­en Impfstoff braucht. Im Fall von Russland jedenfalls spielen moralische Bedenken gerade keine Rolle. Hauptsache, Moskau rückt genug Sputnik-V-Impfstoff heraus.

Kanzlerin Merkel hat China viel Aufmerksam­keit gewidmet. Ihr Terminkale­nder weist seit Amtsantrit­t zum Stichwort China 137 Einlin träge auf, bei den USA sind es nur 30 mehr. Themen wie Menschenre­chte, Zwangsarbe­it oder Nachhaltig­keit haben es unter ihrer Regie immerhin ins neue Investitio­nsabkommen geschafft. Es sind teils nur vage Klauseln, die Peking unterschri­eben hat. Aber es sind weitere Schritte.

Die meisten europäisch­en Regierunge­n haben, um ein anderes Beispiel zu nennen, die Beteiligun­g von Huawei am Ausbau der 5G-Netze ihrer Länder massiv eingeschrä­nkt. Das mag vielen, ähnlich wie beim Moselwein, nur eine Anekdote sein. Es ist aber auch dies Ausdruck einer Europäisch­en Union, die im Zusammensp­iel von Merkel und der deutschen Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen zum Start eines Jahres, das laut chinesisch­em Horoskop im Zeichen des Büffels steht, klarer und robuster gegenüber China auftritt als je zuvor.

Zwangsarbe­it und Umweltschu­tz sind als Themen gesetzt

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