„Es ist viel, viel besser geworden“
Erstmals seit langer Zeit zeigt sich Ministerpräsident Söder vorsichtig optimistisch. Stufenpläne für die Lockerung der Corona-Regeln lehnt er ab. Bayern werde sich an der „Ampel“mit drei Inzidenzwerten orientieren
Augsburg Vier Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren hätten das perfekte Familienglück sein können. Dann ereilte die Familie die furchtbare Diagnose: Die Mutter hat Brustkrebs. Eine Heilung ist ausgeschlossen. Sie erhält Medikamente nur noch zur Lebensverlängerung. Hoffnung können die Ärzte der Familie nicht machen.
Die Mutter musste eine Chemotherapie durchlaufen. Ihren Beruf kann sie nicht mehr ausüben. Sie bekommt noch für die nächsten Monate Krankengeld. Wie es danach weitergeht, ist noch unklar.
Weil auch der Vater erkrankt ist und eine weitere Operation über sich ergehen lassen muss, ist die Situation sehr angespannt. Auch er kann nicht mehr voll arbeiten. Das Einkommen ist entsprechend zurückgegangen. Die Kartei der Not ist mit einer Soforthilfe beigesprungen. Die Kinder haben zusätzlich eine Beihilfe erhalten, damit die Familie wenigstens ein paar unbelastete Stunden miteinander verbringen kann. (jsto)
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München Das sind ganz neue Töne. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) tritt am Donnerstag nach der Kabinettssitzung vor die Presse und sagt nicht: „Die Lage ist leider weiter sehr ernst.“Er sagt: „Eine gute Nachricht. Die Lage hat sich für Bayern deutlich verbessert. Es ist nicht vorüber, aber es ist viel, viel besser geworden.“Und – erkennbar erleichtert – fügt er gleich noch hinzu: „Die Strategie war komplett richtig.“Der strenge Kurs bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie sei „nicht umsonst“gewesen. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts hätte der strenge Lockdown in Bayern rund 1000 Menschen das Leben gerettet. „Also, es wirkt.“
Tatsächlich sieht es so aus, als gäbe es im Freistaat endlich mehr Licht als Schatten. Zum Höhepunkt der zweien Corona-Welle vor Weihnachten lagen in Bayern 95 der 96 Landkreise und kreisfreien Städte über einem Corona-Inzidenzwert von 100. Jetzt sind es nach Söders Worten noch 16. Zeitweise sei Bayern mit einem durchschnittlichen Inzidenzwert von 217 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen auf Platz eins in Deutschland gelegen. Mittlerweile sei dieser Durchschnittswert auf 63 gesunken. Bayern liege damit im Bundesvergleich auf Platz neun unter den 16 Bundesländern. München sei sogar die erste Großstadt mit einem Inzidenzwert unter 50. Das freue ihn ganz besonders, sagt Söder, und wagt sogar die Prognose, dass Bayern insgesamt „noch im Februar oder Anfang März“unter diese Grenze kommt.
Erst nach diesen hoffnungsvollen Prognosen kommt Söder auf die Entwicklungen zu sprechen, die ihm Sorge bereiten. Er wisse, dass viele
Menschen „müde, gestresst und genervt“seien und dass es Frustrationen über die schleppende Auszahlung der staatlichen Finanzhilfen an Unternehmer und Selbstständige gebe. Er wisse aber auch, dass viele Menschen nach wie vor in großer Sorge vor den Mutationen des Virus seien. Diese Sorge ist nach seinen
Worten berechtigt – insbesondere mit Blick auf Hotspots in Tschechien und Tirol. Etwa 40 bis 70 Prozent der Einreisenden aus Tschechien, die positiv getestet wurden, hätten sich mit der britischen Mutation des Coronavirus infiziert. Ein Einreiseverbot, wie es für andere Mutationsgebiete bereits gilt, ist aus
Söders Sicht deshalb zu begrüßen. Umfassende Erkenntnisse darüber, wie sich die Mutationen in Bayern insgesamt ausbreiten, so ergänzt Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), gebe zwar noch nicht. Man habe aber die Meldepflichten noch einmal nachgeschärft und werde „in Kürze“eine Übersicht haben.
An der Gefährlichkeit der Mutationen besteht laut Holetschek kein Zweifel: „Durch die Mutationen hat der Virus noch einmal einen Raketenantrieb bekommen.“
Die Mutationen sind nach Aussage Söders auch der Hauptgrund dafür, dass Bayern weiterhin nur vorsichtig lockert. Die zweite CoronaWelle sei zwar gebrochen. „Wir sollten jetzt aber nicht in die dritte Welle hineinstolpern.“Aus diesem Grund lehnt er auch die vielfach geforderten Stufenpläne als „Perspektivstrategie“ab. „Stufenpläne“, so Söder, „orientieren sich an Zeitachsen – Ampeln, und darauf konzentrieren wir uns wieder, orientieren sich an der Inzidenz. Die Inzidenz ist das Entscheidende.“In Bayern seien deshalb die drei Stufen 35, 50 und 100 so wichtig. „Ab 100 beginnt es irgendwann zu fliegen und ist nicht mehr zu kontrollieren. Unter 35 hat man eine dauerhafte Basis“, sagt Söder. Je besser der Wert, umso mehr sei möglich. Das gelte allerdings auch umgekehrt.
Diesem Prinzip sollen nun auch die ersten Lockerungen in Bayern folgen. Neben der Öffnung der Kitas und der schrittweisen Öffnung der Schulen ab 22. Februar kippt das Kabinett bereits am kommenden Montag die bayernweite Ausgangssperre (mit Ausnahme der Hotspots, dort aber erst ab 22 Uhr) und lässt Fahrschulen (ab 22. Februar) und Friseure (ab 1. März) wieder arbeiten.
Die Beschlüsse im Kabinett wurden einstimmig gefasst. Auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der zuvor für schnellere Lockerungen plädiert hatte, stimmt zu. Er sagt zwar, die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz seien nicht in seinem Sinne gewesen. Den Kompromiss in Bayern aber nennt er tragbar.