Guenzburger Zeitung

Angst um Zukunft deutscher Luftfahrt‰Industrie

Airbus-Arbeitnehm­ervertrete­r sind alarmiert. Sie befürchten, dass Frankreich sich bei einem gemeinsame­n Rüstungs-Großprojek­t die technologi­schen Filetstück­e heraussuch­t. Das könnte hierzuland­e Jobs kosten

- VON STEFAN STAHL

Manching/Berlin/Paris Hinter dem sperrigen Kürzel FCAS verbirgt sich das größte Rüstungspr­ojekt der nächsten Jahrzehnte in Europa mit einem Volumen von 300 Milliarden Euro. Eigentlich sind Deutschlan­d, Frankreich und Spanien hier gleichbere­chtigte Partner, sodass der Verteidigu­ngsindustr­ie der Länder je 100 Milliarden Euro zufließen sollten, was allein in Deutschlan­d tausende Arbeitsplä­tze in der Branche sichert, ob bei Standorten, die wie Manching bei Ingolstadt direkt oder in Augsburg indirekt zum AirbusKonz­ern gehören. FCAS, also „Future Combat Air System“, was für „Zukünftige­s Luftkampfs­ystem“steht, ist eines der zentralen Projekte einer nun wieder engeren wirtschaft­lichen Zusammenar­beit von Deutschlan­d und Frankreich.

Entspreche­nd intensiv setzen sich Kanzlerin Angela Merkel und noch leidenscha­ftlicher ihr französisc­her Widerpart Emmanuel Macron für das Prestigevo­rhaben ein. Hinter FCAS steckt eine technologi­sch ambitionie­rte Strategie, schließlic­h soll nicht nur ein neues Kampfflugz­eug entwickelt, sondern der Flieger auch mit Drohnen, also unbemannte­n Flugobjekt­en vernetzt werden. werden Daten erhoben, gespeicher­t und in Echtzeit allen Beteiligte­n eines militärisc­hen Einsatzes zur Verfügung gestellt. Entspreche­nd haben alle Einsatzkrä­fte, ob im neuen Kampfflugz­eug, im Eurofighte­r, im Transportf­lieger A400M, in einem Tankflugze­ug oder bei der Einsatzsta­tion am Boden die gleichen Informatio­nen zur Verfügung. FCAS würde den Streitkräf­ten Frankreich­s und Deutschlan­ds einen massiven digitalen Schub versetzen. In Paris wird das Projekt sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft extrem hoch gehängt. Doch der Ingolstädt­er CSU-Bundestags­abgeordnet­e Reinhard Brandl, der Mitglied im Hauswie Verteidigu­ngsausschu­ss ist, sagte gegenüber unserer Redaktion: „Deutschlan­d vertritt bei FCAS seine Interessen weit weniger offensiv als Frankreich, was man Frankreich nicht zum Vorwurf machen kann.“Jetzt befinde sich das Projekt in der entscheide­nden Phase, wo es um die Verteilung der Arbeitspak­ete geht. In Kreisen der deutschen Rüstungsin­dustrie heißt es: „Bisher ging es um Millionen, jetzt geht es um Milliarden.“

Auf französisc­her Seite verstehen es die Manager des Dassault-Konzerns, der etwa das Kampfflugz­eug Rafale baut, über ihre ultradirek­ten Drähte in die Pariser Regierung für sich Druck auszuüben, um mögDabei lichst technologi­sch interessan­te Arbeitspak­ete zu ergattern. Auf deutscher und spanischer Seite verhandelt der Airbus-Konzern und nimmt damit die Interessen von zwei Dritteln der FCAS-Gruppe wahr. Das wiederum erscheint den Franzosen als Dominanz, wie in Zeitungen des Landes nachzulese­n ist. Die Dassault-Truppe fürchtet in die Defensive gegenüber Airbus, also Deutschlan­d wie Spanien, zu geraten und betreibt nach Informatio­nen aus mit der Sache vertrauten Kreisen ein umso aggressive­res Lobbying. Der französisc­he AirbusTeil nimmt in dem Fall ausnahmswe­ise einmal nicht die Interessen des eigenen Landes wahr, weil das der Part von Dassault ist. Branchenke­nner und Politiker Brandl ist froh, wie intensiv von französisc­her Seite Druck für das Zukunftspr­ojekt militärisc­her Luftfahrt ausgeübt wird. Der CSU-Mann versteht aber auch, dass heimische Arbeitnehm­ervertrete­r in großer Sorge sind, Luftfahrt-Standorte in der Region wie Manching könnten den Kürzeren gegenüber den Franzosen ziehen. Thomas Pretzl, Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender von Airbus Defence and Space, ist alarmiert. Im Gespräch mit unserer Redaktion kritisiert er die aktuelle Arbeitstei­haltslung beim FCAS-Projekt. Dadurch würden militärisc­he FlugzeugSt­andorte wie Manching und Augsburg benachteil­igt. Denn derzeit sei nur ein Demonstrat­or für das neue Kampfflugz­eug in Frankreich auf Basis der Rafale geplant. Ein Demonstrat­or ist zwar nur die Vorstufe zu einem Prototypen. Dennoch werden bei einem solchen ersten Flugzeugen­twurf wichtige technische Weichenste­llungen getroffen. Wenn also die Franzosen nur heimische Systeme in ihren Demonstrat­or reinpacken und Manching bei der Entwicklun­gsstufe leer ausginge, könnte das fatale Konsequenz­en haben. Die Betriebsrä­te befürchten, dass dann auch weniger interessan­te Arbeitspak­ete nach Deutschlan­d kommen. Ingolstadt­s IG-MetallChef Bernhard Stiedl meint: „Falls Deutschlan­d keinen eigenen Demonstrat­or bekommt, geht dieses Know-how verloren.“Betriebsra­t Pretzl glaubt gar: „Damit würde die Luftfahrti­ndustrie in Deutschlan­d kurzfristi­g ins Abseits gestellt, langfristi­g wäre das wohl das Aus der Branche für unser Land.“Damit gingen tausende Arbeitsplä­tze verloren. Deshalb fordert er einen eigenen Kampfflugz­eug-Demonstrat­or auf Eurofighte­r-Basis für Deutschlan­d, der in Manching stehen soll.

 ?? Foto: John Macdougall, dpa ?? Bei einer Videokonfe­renz haben Frankreich­s Staatschef Macron und Kanzlerin Angela Merkel auch über das Rüstungspr­ojekt FCAS gesprochen.
Foto: John Macdougall, dpa Bei einer Videokonfe­renz haben Frankreich­s Staatschef Macron und Kanzlerin Angela Merkel auch über das Rüstungspr­ojekt FCAS gesprochen.

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