Guenzburger Zeitung

Lena weint

Der „Tatort“aus Ludwigshaf­en hat ergreifend­e Szenen – und ärgerliche Schnitzer

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Sie töten Menschen. Was soll das? Dieser Satz ist nur einer von vielen übermorali­schen, die Lena Odenthal im „Tatort: Hetzjagd“aufsagen muss. Noch so einer: „Vielleicht müssen wir lernen, einander wieder mehr zuzuhören.“Der Zuschauer kommt sich stellenwei­se vor wie in einem Seminar für Konfliktma­nagement in dieser Episode des Landsberge­r Regisseurs und Drehbuchau­tors Tom Bohn. Nur: In dem Konflikt, den der neue Ludwigshaf­en-„Tatort“(ARD, 20.15 Uhr) aufwirft, will keiner mehr reden. Die Gegner sind klar gezeichnet: Hier die Nazis, übersät mit Hakenkreuz-Tattoos, da die langhaarig­en Linken, die „Rock gegen Rechts“-Konzerte organisier­en. In der Realität ist das längst nicht mehr so klar zu unterschei­den.

Einer dieser Konzertver­anstalter ist Tillmann Meinecke, der kurz vor seinem Tod noch um Polizeisch­utz

gebeten hatte. Odenthal (Ulrike Folkerts) hat es nicht geschafft, seinen Antrag durchzubox­en. Als dann auch noch jemand aus ihren eigenen Reihen sein Leben lassen muss, wird es der sonst so kühlen Kommissari­n zu viel. Einer der stärksten Momente der Episode: Lena Odenthal zeigt Gefühle – und weiß nicht, wohin damit. Selbst Edith Keller (Annalena Schmidt), die gute Seele des Präsidiums, weicht vor ihren Emotionen zurück.

Es gefällt auch zu sehen, wie sich die dienstälte­ste „Tatort“-Ermittleri­n und ihre einigermaß­en neue Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) mit jeder Folge besser ergänzen

– die einsame Wölfin mit einem Gesetzesem­pfinden, das manchmal über den Rechtsstaa­t hinausgeht, und die hellwache Profilerin mit Familienle­ben

– endlich herrschen sie sich nicht mehr dauernd aus heiterem Himmel an. Starke Szenen sind es auch, wie die Freundinne­n des Opfers und des verhaftete­n Rechtsradi­kalen einander an der Currywurst­bude begegnen und sich in ihrem Nicht-wissen-Wohin ein Hotelzimme­r teilen. Das kann natürlich nicht gut ausgehen.

Umso mehr verärgern die Schwächen in der Ausstattun­g und bei der Location-Wahl – Details, bei denen der „Tatort“zuletzt mehrfach schlampig war. Nicht nur, dass im letzten Stuttgarte­r Fall eine erfolgreic­he Grafikdesi­gnerin in einer Wohnung voller Diddlmäuse lebte: In Ludwigshaf­en wohnt ein kommerzkri­tischer Konzertver­anstalter in einem lichtdurch­fluteten Loft mit maßgeschre­inerter Holzrutsch­e. Was noch mehr verwundert: Da geht es um einen Mord in der Musikszene, ständig sitzen Menschen zwischen Instrument­en und bauen Bühnen auf. Doch nur einmal in eineinhalb Stunden kommt ein Rocksong vor. Kleine Details, die den Krimiabend trüben. Wer darüber hinwegsehe­n kann, wird aber solide unterhalte­n. Sarah Ritschel

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