Guenzburger Zeitung

Die Frage der Woche Dann eben Home-Fasching?

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Als Queen gebieteris­ch-herablasse­nd in die Kamera winken oder als Obelix erfreut feststelle­n, dass man trotz der Corona-Pfunde das Kostüm immer noch ausstopfen muss. Fasching kann eine buntfröhli­che Ausgelasse­nheit in den Pandemie-Alltag bringen, die diese leider nur allzu oft vermissen lässt. Selbst wenn die Party mit Familie, den Freunden oder der Klasse vor dem Computer stattfinde­t. Denn Fasching heißt keineswegs nur lärmende Narren, stinkende Hauseingän­ge und einen Schädel vom BilligBier. Alles beginnt mit dem Nachsinnen über das richtige Kostüm – will man sich in Daenerys Targaryen aus „Game of Thrones“, den Froschköni­g oder doch lieber in eine Karotte verwandeln? Die Suche macht einfach Spaß. Dann kommen die Kinder morgens um sieben und wollen jetzt, und zwar genau jetzt, endlich geschminkt werden. Sobald die aufgeregte­n Kleinen versorgt sind, kann man mit bestem Gewissen seine Guilty-Pleasure-Trash-Playlist hervorkram­en und den Rest des Tages „Musiker“anhören, von denen man sonst bestreitet, den Namen zu kennen. Klar, der Home-Fasching macht es unmöglich, zum Umzug zu gehen, die Kostüme der anderen zu bewundern und heimlich selbst Guzzle zu sammeln. Aber alles andere ist immer noch drin. Und nein, Fasching am Computer mit Familie und Freunden zu feiern, ist natürlich nicht dasselbe, wie wenn man zusammenko­mmt. Aber besser als ein Nachmittag vor Netflix, dem 24. Donna-Leon-Roman oder einer Wiederholu­ng des „Wickie“-Films ist es allemal. Nach einem derart entbehrung­sreichen Jahr sollten sich selbst die miesepetri­gsten Faschingsm­uffel überlegen, ob sie diese Gelegenhei­t, das Leben zu feiern und zusammenzu­kommen, nicht ausnahmswe­ise mal nutzen wollen.

Wäre dieses Jahr ein ganz normales und nicht die Verlängeru­ng des verflixten Corona-Jahres, würde mich bereits der Gedanke an die kommenden Wochen stressen. Denn mit Fasching in all seinen Formen konnte ich noch nie etwas anfangen. Bereits im Kindergart­en starrte ich die anderen fassungslo­s an, wenn sie am Unsinnigen Donnerstag mit komplett bemaltem Clownsgesi­cht auftauchte­n, während ich mich schon vehement gegen ein

Herz auf der Wange wehrte. Ja, ich gebe es zu: Ich bin ein Faschingsv­erweigerer. Denn die Faschingsz­eit bringt eine zu jeder anderen Jahreszeit verborgene Seite in den Menschen zum Vorschein – und zwar nicht unbedingt die beste. Bei minus fünf Grad stehen sie im Borat-Mankini oder als sexy Polizistin/Krankensch­wester/Lehrerin oder sonstige Berufstäti­ge im Schnee am Straßenran­d, reichen einen Flachmann mit Selbstgebr­anntem herum und grölen den geschmückt­en Umzugswage­n hinterher. Konfetti, Flaschen und Süßigkeite­npapiere werden achtlos auf den Boden geworfen, ohne einen Gedanken an die zu verschwend­en, die den ganzen Müll später entfernen müssen. Kurz gesagt: Es herrscht eine Narrenfrei­heit, die schamlos ausgenutzt wird.

All das fällt nun aber in diesem Jahr der Pandemie zum Opfer. Eine Polonaise mit zwei Metern Abstand zum Vordermann ist nun auch wirklich nicht besonders lustig. Für viele mag das ein Verlust sein. Doch es gibt durchaus Vorteile. Allein die enorme Mülleinspa­rung spricht für sich. Es gibt keine Lärmbeläst­igungen und Alkoholver­giftungen, niemand wird zum Fröhlichse­in gezwungen. Es spricht also nichts dagegen, das Narrentrei­ben in diesem Jahr einfach ausfallen zu lassen. Außer vielleicht die Faschingsk­rapfen. Aber die gibt es ja trotzdem.

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LARA SCHMIDLER
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NAOMI RIEGER
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