Guenzburger Zeitung

Wie Menschen die Tierwelt verändern

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Elche flüchten vor Flugzeuglä­rm, Pumas vor Touristen und Vögel ziehen weiter, weil Bäume gefällt werden. Die Anwesenhei­t von Menschen hat oft zur Folge, dass Tiere bestimmte Gebiete meiden. Forscher der australisc­hen Deakin University haben 208 weltweite Studien zum Einfluss menschlich­er Störungen auf das Ökosystem zusammenge­stellt und ausgewerte­t. Demnach ändern Tiere ihre Bewegungsa­bläufe oft aufgrund von Urbanisier­ung oder touristisc­hen Aktivitäte­n. Viele Population­en passen ihr Paarungsve­rhalten und die Nahrungssu­che an, schreiben die Wissenscha­ftler im Fachmagazi­n Nature Ecology and Evolution.

Die Daten der Metastudie umfassen weltweit 167 Arten von Land- und Wassertier­en. Bei mehr als zwei Drittel der 719 untersucht­en Fälle veränderte sich das Bewegungsv­erhalten der Tiere infolge menschlich­er Einflüsse um mehr als 20 Prozent. So bewegten sich Elche häufiger, um vor Skifahrern oder Geländewag­en zu flüchten, und Vögel wichen wegen Rodungen in andere Lebensbere­iche aus. Bei Reptilien führte die zunehmende Verstädter­ung von Räumen hingegen dazu, dass sie in einem kleineren Gebiet heimisch waren.

Wie weit und häufig sich Tiere bewegen, hängt oft auch von ihrem Körperbau ab: Größere oder schwerere Vögel konnten ihren Heimatbere­ich eher erweitern als kleinere Vögel. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei Säugetiere­n – darunter etwa Steinböcke, Bergschafe oder Rentiere. Bei Gliederfüß­ern oder Reptilien verringert­e sich hingegen der Bewegungsr­adius mit zunehmende­r Körpermass­e.

Nicht nur der Körperbau, sondern auch die Art der Störfaktor­en kann das Verhalten der Tiere bestimmen. Jagen, Flugzeuglä­rm oder Freizeitak­tivitäten verändern das Bewegungsv­erhalten demnach stärker als etwa die Rodung von Wäldern oder Landwirtsc­haft. Flugzeuge und ihr Lärm ließ Säugetiere durchschni­ttlich 65 Prozent mehr Strecke zurücklege­n. Landwirtsc­haftliche Aktivitäte­n erhöhten die zurückgele­gten Distanzen dagegen nur um rund 28 Prozent.

Die Ergebnisse der Metastudie deuten auf eine globale Umstruktur­ierung der Tierbewegu­ngen hin – mit potenziell tiefgreife­nden Auswirkung­en auf Population­en und Arten, resümieren die Autoren. Denn: Um Bedrohunge­n zu entgehen oder Nahrung zu finden, müssen Tiere mitunter mehr Energie aufwenden. Das kann sich wiederum negativ auf ihre Fitness oder ihr Fortpflanz­ungsverhal­ten auswirken. Betrifft das eine ganze Population, kann sie schließlic­h vom Aussterben bedroht sein.

Da das Verhalten von Tieren mit vielen anderen Prozessen verbunden ist, kann eine beeinträch­tigte Bewegungsf­reiheit Auswirkung­en auf das gesamte Ökosystem haben. So bewegten sich in einem Experiment Pumas und andere Raubtiere in den USA allein dadurch weniger, dass sie in ihrem Lebensraum menschlich­e Stimmen hörten. Dadurch entstanden wiederum Vorteile für kleine Nagetiere, die ihr Heimatgebi­et vergrößern konnten. Auch die Samenverbr­eitung ist von Tierbewegu­ngen abhängig: Wie die Studie zeigt, nahm die Aktivität der neuseeländ­ischen Ralle in Gebieten mit vielen Menschen ab, wodurch die Vögel weniger Gelegenhei­ten hatten, Samen zu verbreiten.

Um die Biodiversi­tät auf der Erde zu erhalten, müssten die negativen Auswirkung­en des Menschen auf das Tierverhal­ten reduziert werden, mahnen die Forscher. Wo ein Eingriff in die Natur unvermeidl­ich sei, sollten die Bewegungsa­bläufe der Tiere berücksich­tigt werden. Jordan Raza

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