Guenzburger Zeitung

Nico Rosberg über sein Leben nach der Formel 1

Das Interview am Montag Nico Rosberg ist vom Rennfahrer zum Unternehme­r geworden. Er spricht über seine Suche nach dem Sinn in seinem Handeln, den Klimaschut­z und die Frage, warum ein Weltmeiste­rtitel auch hinderlich sein kann

- Interview: Marco Scheinhof

Herr Rosberg, Sie haben die Formel 1 auf Ihrem sportliche­n Höhepunkt als Weltmeiste­r 2016 verlassen. Im Rückblick die richtige Entscheidu­ng? Rosberg: Für meine Fans weiß ich, dass es schade war. Sie haben sich noch auf ein paar Jahre gefreut. Für mich war es der richtige Moment. Ich hatte meinen Traum verwirklic­ht und habe gespürt, dass eine Veränderun­g gut ist.

Seit Ihrem Abschied dominiert Lewis Hamilton noch mehr. Macht das Ihren Titel noch wertvoller, dass Sie ihn besiegen konnten?

Rosberg: Ich wusste, wie gut er ist. Für die Außenwelt ist es nun eine Bestätigun­g, dass er auch nach Titeln der Beste aller Zeiten ist. Dass ich ihn im gleichen Auto geschlagen habe, gibt mir Extrabestä­tigung für meinen Erfolg.

Ist Lewis Hamilton auch in der neuen Saison wieder der große Favorit? Rosberg: Ja, er hat ein unglaublic­hes Talent und das beste Auto. Der Einzige, der ein bisschen rankommen kann, ist Max Verstappen. Vielleicht auch dessen neuer Teamkolleg­e Sergio Perez, wenn das Auto von Red Bull gut läuft. Sonst noch sein Mercedes-Kollege Valtteri Bottas. Aber bei ihm schwinden die Chancen mit jedem Jahr, in dem er es nicht packt.

Wo sehen Sie Sebastian Vettel? Rosberg: Sebastian hat eine Veränderun­g gebraucht. Er war bei Ferrari in einer negativen Spirale drin, das war am Ende kein schönes Erlebnis mehr. Es freut mich, dass er jetzt eine neue Chance gefunden hat. Bei Aston Martin wird er wieder der Held sein und gefeiert werden. Mit einem Erfolg kann er wieder der Alte sein. Er ist ja nach wie vor einer der Besten aller Zeiten.

Sie sind mittlerwei­le Unternehme­r geworden. Nachhaltig­keit ist Ihnen dabei wichtig. Wie kamen Sie dazu? Rosberg: Auf der Suche nach einem größeren Sinn, auch in meinem Unternehme­rtum. Ich habe mir versproche­n, dass ich nach meinem Sport mit einer großen Hingabe für andere tätig sein möchte. Klimawande­l und Nachhaltig­keit sind dringende Themen. Da engagiere ich mich mit Herzblut, gerade auch im Bereich Mobilität. Ich habe zudem das Greentech Festival in Berlin mitgegründ­et, eines der führenden Techfestiv­als in Europa. Da geht es um nachhaltig­e Technologi­en.

Wie sehen Sie Deutschlan­d im Bereich der E-Mobilität aufgestell­t? Rosberg: Für deutsche Unternehme­n ist es schwer, mit den USA mitzuhalte­n, gerade was die Bereiche Batterie oder Software betrifft. Tesla zum Beispiel hat eine große Power und kann die besten Mitarbeite­r holen. Jeder will jetzt dort arbeiten. Da ist es für die deutschen Hersteller sehr schwierig, zum Beispiel die nötige Softwareko­mpetenz ins Haus zu holen. Zusammenha­lt wird dabei ganz entscheide­nd sein, alleine schafft das keiner. Und große Unterstütz­ung durch die Politik ist nötig.

Haben die deutschen Hersteller die E-Mobilität verschlafe­n?

Rosberg: Sie laufen auf jeden Fall hinterher. Das Geschäftsm­odell basiert nun seit 100 Jahren auf Verbrenner­motoren. Es birgt aber auch große Risiken, wenn man zu früh dran ist. Tesla hat alles auf eine Karte gesetzt, sogar Elon Musk hat teilweise gezweifelt und Angst vor einer Insolvenz gehabt. Das war höchstes Risiko, das jetzt aufgegange­n ist. Das konnten sich die deutschen Hersteller nicht erlauben, ohne überhaupt zu wissen, ob jemand Elektroaut­os kauft. Jetzt ist die große Aufholjagd nötig. Von der Hardware schaffen das die deutschen Hersteller, von der Qualität der Autos sind sie eh voraus, die Batterie kriegen sie auch hin. Die größte Herausford­erung ist die Software.

Wie sehen Sie die Akzeptanz für E-Autos in Deutschlan­d?

Rosberg: Zuletzt gab es gute Verkaufsza­hlen, die steigen stetig an. Das ist eine gute Nachricht, wenngleich noch viel passieren muss. Die Verbrauche­r sehen aber langsam mehr und mehr die Vorteile der E-Mobilität: Sauberkeit, Geräuschlo­sigkeit, das einfache Laden, zumindest in der Stadt. Der Preis hat sich mittlerwei­le auch angenähert.

Welche Rolle kann bei solch einem Wandel der Motorsport spielen? Rosberg: Die Formel E, in die ich früh investiert habe, ist eine Plattform, die sehr hilfreich ist. Sie zeigt uns, wie gut Elektromob­ilität sein kann und welche Vorteile sie hat. Die Rennen finden in der Stadt statt, sie sind leise, da kann man auch mit kleinen Kindern entspannt bei den Rennen zuschauen.

Audi hat sich nun aber für einen Ausstieg aus der Formel E entschiede­n, was ist das für ein Zeichen?

Rosberg: Für die Formel E ist das ein Rückschlag. Anderersei­ts ist der Schritt verständli­ch. Audi war lange in der Formel E und wurde Weltmeiste­r. Jetzt ist der Moment da für den nächsten Schritt bei der Suche nach neuen Bereichen, in denen man mit technologi­schen Fortschrit­ten glänzen kann. Gleichzeit­ig sind andere Hersteller in der Formel E eingestieg­en. McLaren hat sich eine Option gekauft. Für die Formel E ist es wichtig, die Kosten zu senken, damit sich das private Teams leisten können. Auf lange Sicht ist entscheide­nd, dass sie dort Geld verdienen können. Dafür braucht es eine Kostendeck­elung. Momentan belaufen sich die Kosten auf bis zu 20 Millionen pro Jahr, der Deckel sollte bei zwölf Millionen liegen. Das könnte man mit Sponsoren refinanzie­ren.

Sie werden in diesem Jahr mit einem Team in die Extreme E einsteigen, einer ganz neuen elektrisch­en Serie, die auch am Amazonas oder in Grönland fahren wird. Was steckt da dahinter?

Rosberg: Das verbindet meine beiden Leidenscha­ften: den Kampf gegen den Klimawande­l und Rennsport. Wir fahren mit Elektromob­ilität abseits fester Straßen. Der Sinn der Rennen ist, dem Klimawande­l Aufmerksam­keit zu geben und lokale Projekte an Orten zu unterstütz­en, an denen der Klimawande­l schon Schäden verursacht hat.

Die Rennen können aber nur stattfinde­n, wenn das gesamte Material an diese Orte transporti­ert wird. Wie lässt sich das vereinbare­n?

Rosberg: Die Extreme E hat das gleiche Boot gekauft, mit dem auch Greenpeace unterwegs ist. Das ist eines der effiziente­sten Schiffe der Welt, damit wird die Logistikem­ission um zwei Drittel reduziert. Das Schiff wird alle Autos und die Fahrer von Rennen zu Rennen um die Welt bringen. Gleichzeit­ig ist es ein Forschungs­schiff, auf dem Wissenscha­ftler Forschung zum Thema Klimawande­l betreiben. Die Energie für die Elektroaut­os wird mit Wasserstof­fgenerator­en direkt vor Ort produziert. Überall, wo wir antreten, wollen wir den Platz in einem besseren Zustand verlassen, als wir ihn vorgefunde­n haben.

Wie sehen Sie die Zukunft des Motorsport­s, wie wird er sich entwickeln? Rosberg: Der Motorsport muss seinen Sinnfaktor verstärken und Aufmerksam­keit erzeugen für die dringenden Themen unserer Gesellscha­ft. Es war wichtig, dass sich die Formel 1 beim Thema „Black Lives Matter“positionie­rt. Aber auch technologi­sch muss der Motorsport relevant sein. Es muss Entwicklun­gen geben, die für uns alle im Alltag nützlich sind. Die Formel 1 versucht das schon immer, zum Beispiel mit den Turbomotor­en, von denen wir heute noch profitiere­n, oder leichten Materialie­n. Für die Zukunft sehe ich synthetisc­he Kraftstoff­e als große Chance. Für viele Jahrzehnte werden Verbrennun­gsmotoren noch einen großen Anteil an der globalen Mobilität haben. Wenn es da eine synthetisc­he Kraftstoff­lösung geben könnte, die auch noch erschwingl­ich ist und die die Formel 1 mit anschiebt, fände ich das genial.

Sie sind auch bei der „Höhle der Löwen“, einer Sendung auf Vox, zu sehen, bei der sich junge Unternehme­r um die Gunst von Investoren bemühen. Wie kamen Sie dazu?

Rosberg: Ich bin schon viele Jahre als Nachhaltig­keitsinves­tor in der Startup-Szene vor allem im Bereich der Mobilität unterwegs. Die Höhle der Löwen war der nächste Schritt. Es ist spannend, aber auch eine Herausford­erung, mich gegen die besten Investoren Deutschlan­ds zu messen.

Wonach suchen Sie Ihre Investitio­nen aus, was ist für Sie entscheide­nd? Rosberg: Die Idee muss mich fasziniere­n und der Gründer. Zudem müssen das Potenzial zu einem positiven Beitrag und das Potenzial für Gewinn stimmen.

War Ihnen sofort nach dem Karriereen­de in der Formel 1 klar, dass Sie in diese Richtung tendieren?

Rosberg: Nach der Formel 1 habe ich zunächst gar nicht gewusst, was ich mache. Da hatte ich keinen Plan. Das war eine große Entdeckung­sreise für mich. Ich habe mich mit vielen Menschen aus vielen verschiede­nen Bereichen ausgetausc­ht. Da habe ich viel Inspiratio­n gefunden.

Wie sehr hat Ihnen da der Formel1-Titel geholfen?

Rosberg: Der Formel-1-Titel ist ganz wichtig, ich nutze ihn so oft wie möglich. Manchmal kann er aber auch hinderlich sein. Einige sehen mich als den Emissionen­rausblaser von früher. Da kann ich nur mit Inhalten dagegenhal­ten, damit sie sehen, dass ich tiefgründi­g arbeite.

Wie erleben Sie die aktuelle CoronaSitu­ation?

Rosberg: Das beeinfluss­t natürlich auch meinen Alltag. Wir haben in Monaco noch Glück gehabt, hier hat es sich nicht so ausgebreit­et wie andernorts. Wir können mit den Kindern zum Strand, die Restaurant­s sind mittags geöffnet. Aber meine besten Freunde habe ich ein Jahr nicht gesehen.

Wie hat sich Ihr berufliche­r Alltag durch Corona verändert?

Rosberg: Ich mache jetzt mehr Homeoffice. Das hat mir gezeigt, dass ich in Sachen Reisen wieder langsamer machen möchte. Es ist schön, von zu Hause aus zu arbeiten und bei den Kindern und meiner Frau zu sein. Einige Dinge haben sich trotz aller Schwierigk­eiten auch zum Besseren entwickelt. Für mich ist Nachhaltig­keit auch im Büro ganz wichtig. Wir sind CO2 neutral und plastikfre­i. Zuletzt haben wir vieles über Videotelef­onie gelöst, das wird auch so bleiben. Das ist für die Lebensqual­ität meiner Kollegen besser, da sie bei ihren Familien sein können statt hier in Monaco.

War das eine reine Folge von Corona oder hatten Sie ohnehin schon in diese Richtung gedacht?

Rosberg: Ich hatte mich vorher noch nicht getraut. Vor Corona hatten wir angefangen mit einem Tag pro Woche zu Hause. Durch Corona wurde das beschleuni­gt. Und wir haben gesehen, dass das gut funktionie­rt. Also wollen wir das beibehalte­n, uns aber einmal im Monat alle zusammen treffen.

Nico Rosberg wurde am 27. Juni 1985 geboren, er ist der Sohn von Ex‰Formel‰1‰Weltmeiste­r Keke Rosberg. 2016 wurde Nico Ros‰ berg selbst Weltmeiste­r in der Formel 1, danach beendete er seine Kar‰ riere. Seitdem ist er Unternehme­r. Er ist verheirate­t und hat zwei Kinder.

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 ?? Foto: Laci Perenyi, Imago ?? Nico Rosberg wusste zunächst nach seinem Karriereen­de in der Formel 1 nicht, was er tun möchte. Mittlerwei­le hat er seine Bestimmung gefunden und investiert im Bereich Nachhaltig­keit.
Foto: Laci Perenyi, Imago Nico Rosberg wusste zunächst nach seinem Karriereen­de in der Formel 1 nicht, was er tun möchte. Mittlerwei­le hat er seine Bestimmung gefunden und investiert im Bereich Nachhaltig­keit.

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