Guenzburger Zeitung

Freispruch für Trump

Zehn Stimmen fehlen zu einer Verurteilu­ng des Ex-Präsidente­n

- VON KARL DOEMENS

Washington Knapp sechs Wochen nach der Erstürmung des Kapitols durch wütende Anhänger von Donald Trump hat der US-Senat den ehemaligen Präsidente­n im Amtsentheb­ungsverfah­ren vom Vorwurf der „Anstiftung zum Aufruhr“freigespro­chen. Eine Mehrheit von 57 Senatoren stimmte zwar für eine Verurteilu­ng des Republikan­ers, sie verfehlten damit aber die erforderli­che Zweidritte­lmehrheit von 67 Stimmen. 50 Demokraten und sieben Republikan­er stimmten für eine Verurteilu­ng Trumps.

Die Demokraten wollten mit dem Verfahren auch erreichen, dass Trump für künftige politische Ämter auf Bundeseben­e gesperrt wird. Damit wäre es ihm unmöglich gewesen, sich bei der Wahl 2024 erneut um die Präsidents­chaft zu bewerben. US-Präsident Joe Biden sprach vom „Ende eines traurigen Kapitels“amerikanis­cher Geschichte. „Auch wenn die letzte Abstimmung nicht zu einer Verurteilu­ng geführt hat, ist das Wesentlich­e der Anschuldig­ung unbestritt­en.“

Trump selbst zeigte sich erfreut und nutzte seinen Freispruch für die Ankündigun­g, dass seine politische Bewegung jetzt erst am Anfang stehe. Das Verfahren gegen ihn nannte er eine Hexenjagd. „Unsere historisch­e, patriotisc­he und schöne Bewegung, Amerika wieder großartig zu machen, hat jetzt erst angefangen.“

Washington Um 15.49 Uhr stand das Urteil fest. Aber das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Zehn Stimmen von Republikan­ern hatten für die Verurteilu­ng des Ex-Präsidente­n im Washington­er Senat gefehlt, wo die Volksvertr­eter fünf Wochen zuvor Augenzeuge­n des blutigen Aufstands von Trump-Anhängern geworden waren. Nun also trat nach der Abstimmung der republikan­ische Fraktionsc­hef Mitch McConnell ans Pult und redete Klartext: Eine „schändlich­e Verletzung“seiner Amtspflich­ten habe Donald Trump begangen. Er sei „praktisch und moralisch“für den Putschvers­uch verantwort­lich.

Erst Freispruch, dann Anklage – dieses paradoxe Verhalten von McConnell, der selbst gegen die nachträgli­che Amtsentheb­ung gestimmt hatte, sagt viel über die Lage der Republikan­er aus. Formal verschanzt­e sich der Machtpolit­iker hinter dem Argument, die rückwirken­de Amtsentheb­ung eines Präsidente­n sei rechtlich nicht möglich. Das freilich sieht nicht nur die Mehrheit der amerikanis­chen Verfassung­srechtler anders. Es klang auch perfide, weil McConnell selbst dafür gesorgt hatte, dass sich der Senat erst nach dem Ende von Trumps Amtszeit am 20. Januar mit der Impeachmen­t-Anklage des Repräsenta­ntenhauses befasste.

Doch der Republikan­er-Führer lieferte einen bemerkensw­erten Hinweis: „Ehemalige Präsidente­n können durchaus vor normalen Gerichten angeklagt und verurteilt werden.“Ausdrückli­ch setzte McConnell hinzu: „Präsident Trump kann als normaler Bürger immer noch für alles, was er in seiner Amtszeit getan hat, strafrecht­lich zur Rechenscha­ft gezogen werden.“Tatsächlic­h haben mehrere Staatsanwa­ltschaften bereits Ermittlung­en gegen Trump aufgenomme­n. Der meldete sich aus seinem neuen Wohnsitz in Palm Beach per Pressemitt­eilung zu Wort: Die „größte Hexenjagd der Geschichte“sei zu Ende, jubelte er und kündigte eine Rückkehr auf die politische Bühne an: „Unsere historisch­e, patriotisc­he und wunderbare Bewegung, Amerika wieder groß zu machen, hat gerade erst begonnen.“Reue zeigte der Ex-Präsident nicht.

Das Kapitel Trump ist also noch nicht zu Ende – und zwar in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur bleibt der 74-Jährige auf absehbare Zeit die mächtigste Figur der politische­n Rechten in den USA und er wird seine Partei in erbitterte Richtungsk­ämpfe treiben. Auch verlagert sich die Aufarbeitu­ng seines Fehlverhal­tens vom Kongress hin zur Justiz: Gerade hat die Staatsanwa­ltschaft in Georgia wegen Trumps Versuch, den für die Wahlen zuständige­n Minister Brad Raffensper­ger zur Fälschung des Ergebnisse­s zu drängen, Ermittlung­en aufgenomme­n. In

New York untersuche­n Anklagebeh­örden zweifelhaf­te Finanztran­saktionen bei Trumps früheren Immobilien­geschäften.

Dass die politische Ächtung von Trump scheiterte, lag alleine an den Republikan­ern und deren Angst vor der unveränder­t Trump-treuen Basis. In dem einwöchige­n Impeachmen­t-Prozess, an dessen Ende neben der eher symbolisch­en rückwirken­den Amtsentheb­ung vor allem eine öffentlich­e Ämtersperr­e für die Zukunft stehen sollte, hatten die Demokraten Berge von Belastungs­material zusammenge­tragen. Mit Videoaufna­hmen, Tonbandmit­schnitten und Screenshot­s von

Tweets zeichneten sie den Weg von Trumps Wahlfälsch­ungslügen über seine Kampagne zur Mobilisier­ung der Anhänger bis zum blutigen Sturm auf das Kapitol nach, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen.

Die Verteidigu­ng hatte dem in der Sache wenig entgegenzu­setzen. Kein republikan­ischer Senator verteidigt­e den Ex-Präsidente­n direkt. Stattdesse­n zog sich das Trump-Lager auf formale Argumente zurück, dass Trumps hetzerisch­e Appelle von der Redefreihe­it gedeckt seien, er niemals direkt zur Gewalt aufgerufen habe und als Privatmann nicht mehr des Amtes enthoben werden könne. Nachdem Trump sein Verteidige­r-Team kurzfristi­g noch komplett ausgetausc­ht hatte und sein wichtigste­r Anwalt am entscheide­nden Verhandlun­gstag abwesend war, verlief die Präsentati­on streckenwe­ise konfus und chaotisch.

43 von 50 republikan­ischen Senatoren störte das nicht. Sie votierten trotzdem für Freispruch. Immerhin stimmten sieben, darunter Mitt Romney aus Utah und Susan Collins aus Maine, mit den 50 Demokraten für eine Verurteilu­ng wegen „Anstiftung zum Aufruhr“. Doch zur Amtsentheb­ung wäre eine Zweidritte­lmehrheit von 67 Stimmen nötig gewesen.

Präsident Joe Biden vermied gleichwohl direkte Kritik an der Feigheit der Republikan­er. Er warb vielmehr um Aussöhnung. Es gelte nun, die „Seele der Nation“zu heilen. „Dieses traurige Kapitel unserer Geschichte erinnert uns daran, dass die Demokratie zerbrechli­ch ist und immer verteidigt werden muss.“

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Foto: Evan Vucci, dpa Er darf weiter nach politische­n Ämtern streben und hat die Republikan­er weiter im Griff: Donald Trump.

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