Guenzburger Zeitung

Unter lauter Opportunis­ten

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN redaktion@augsburger‰allgemeine.de

Italien, die EU und die Finanzmärk­te können fürs Erste aufatmen. Nach dem politische­n Außenseite­r und Rechtsprof­essor Giuseppe Conte führt mit Mario Draghi nun ein internatio­nal anerkannte­r Fachmann die Geschicke der Regierung in Rom. Er hat für die Schlüsselp­ositionen Experten um sich geschart, sein Vertrauens­vorschuss ist groß. Vergessen wird darüber leicht, dass Draghi nicht als Alleinherr­scher Entscheidu­ngen treffen kann, sondern auf (zu?) viele Koalitionä­re angewiesen ist. Beim Eintritt in die Große Koalition sind die Parteien wohl weniger dem Appell des Staatspräs­identen zur nationalen Einheit gefolgt, sondern weil der Schritt politisch opportun war.

Doch die Fliehkräft­e sind schon heute zu groß, um langfristi­g stabiles Regieren zu gewährleis­ten. Zu sehen ist das an der Fünf-SterneBewe­gung, die vor der Spaltung steht. Die Sterne haben ihr letztes Tabu gebrochen: Nach Bündnissen mit Lega und Sozialdemo­kraten sind sie nun auch mit Silvio Berlusconi in einer Regierung, also der Figur, die die Gründung der Sterne mit auslöste. Der noch größere Unsicherhe­itsfaktor ist Lega-Chef Matteo Salvini, dessen Ziel die Nachfolge Draghis als Premier ist.

So werden die Unwägbarke­iten der Pandemie für Draghi zum Schlüssel des Erfolgs: Je schwierige­r die Corona-Lage wird, desto mehr ist politische Stabilität gefragt. Bekommt die Regierung die Pandemie dagegen bald und gut in den Griff, dürfte auch ihr Ende näher rücken. So paradox es klingen mag.

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