Guenzburger Zeitung

Es ist nie zu spät

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger‰allgemeine.de

An dem Thema haben sich viele Denker abgearbeit­et, ob der Liedermach­er Peter Cornelius, National-Barde Heino und längst vor ihnen der Philosoph Immanuel Kant: Alle drei Intellektu­ellen sind zur fundamenta­len und in CoronaZeit­en Trost spendenden Erkenntnis gelangt, dass es nie zu spät sei, was bereits die amerikanis­chkanadisc­he Band Steppenwol­f in einem gleichnami­gen Lied konstatier­te. Wie könnte es auch anders sein: Wer, wie die Steppenwol­fMitgliede­r, geboren ist, um wild zu sein („Born to be wild“), für den kann eine neue Liebe nur wie ein neues Leben sein, wie mit Jürgen Marcus ein weiterer, zu früh verstorben­er Nachdenker herausfand.

Doch Liebe ist manchmal endlich. Da wären wir schon bei den trotzigen Worten von Peter Cornelius angelangt: „Denn es ist nie zu spät für einen neuen Weg. Wenn man auf einmal spürt, dass man am Ende steht. Dann sollte man geh’n.“Das mit dem Weggehen funktionie­rt in Corona-Zeiten nur schwer. Besser, man bleibt, wo man ist – also im Homeoffice – und hält es sonst mehr mit Kant als Cornelius: „Es ist niemals zu spät, vernünftig und weise zu werden.“Dabei drängt sich in der Pandemie-Ära eine Kant-Heino-Doppelstra­tegie auf, kommt Letzterer doch in seinem Lied „Es ist nie zu spät“zum Schluss: „Einen Weg zum Glück den wird’s immer geben. Alles geht vorbei. Mach Dir keine Sorgen.“Davon angerührt schrieb ein gewisser Ede Burg im Netz: „So isses.“Doch Heino hat wie selbst Kant nicht stets recht. Manchmal ist es, wenn schon nicht zu spät, so doch höchste Eisenbahn, etwa, wenn bei Männern die Falten tiefer werden. Hier lässt sich vielleicht noch als Born-to-be-wild-Hardrocker der Stinkefing­er heben, aber so leicht geht das nicht mehr, zumal wenn Männer sich in weiblicher Obhut befinden. Hier tummelt sich die Kosmetikin­dustrie also auf einem Traum-Markt: Alcina hat die Pflegeseri­e „It’s never too late!“aufgelegt und lässt texten: „Es ist nie zu spät, sein Leben neu zu denken.“Hautpflege, heißt es in kantianisc­her Strenge, sei eine Haltung zum Leben. Eine ziemlich teure Haltung, denn 50 Milliliter kosten knapp 40 Euro. Dafür bekommt man schon die drei Kritiken Kants (9,95 Euro) und oben drauf noch je eine CD von Heino und Cornelius.

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