Guenzburger Zeitung

Der Weg zur perfekten Liebe

Die neue sechsteili­ge Serie „Soulmates“schaut auf die 2030er Jahre – wenn die Partnerver­mittlung auf Grundlage des Seelen-Gencodes das reine Glück verspreche­n kann. Freilich schafft das auch neue Probleme…

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Ich habe den Test gemacht.“Irgendwann sagt diesen Satz fast jeder einmal in der sechsteili­gen Serie „Soulmates“. Aber bei diesem Test geht es nicht um Abstriche im Rachen, um Virenlast, um positiv oder negativ, sondern um die Liebe. In ihrem Zukunftssz­enario drehen die Serienmach­er William Bridges („Black Mirror“) und Brett Goldstein („Ted Lasso“) die Uhr um 15 Jahre weiter.

Während heute noch zahllose Dating-Seiten wie „Parship“mit umfangreic­hem Fragenkata­log und ausgetüfte­lten Algorithme­n versuchen, ideale Lebenspart­ner und Lebenspart­nerinnen miteinande­r zu verkuppeln, hat die Wissenscha­ft in den 2030er Jahren den genetische­n Code der Seele geknackt. Per IrisDiagno­se wird die Seelen-DNA-Informatio­n ins System eingespeis­t und die zuvor getestete Person mit den gleichen Seelen-Genen aus der Kundendate­i verknüpft. Die Straßen also sind voll mit glückliche­n Seelenverw­andtschaft­spaaren.

In TV-Shows werden deren romantisch­e Erlebnisse erfolgreic­h vermarktet. Die Betreiberf­irma „Soul-Connex“unterhält weltweit über 20000 Filialen zur idealen Partnerver­mittlung. In sechs voneinande­r unabhängig­en Episoden werden die Auswirkung­en einer solch wissenscha­ftlich perfektion­ierten Liebesglüc­kssuche durchgespi­elt. Die erste (und stärkste) Folge „Watershed“unter der Regie von Rob Savage untersucht, welchem Druck Paare, die sich noch ohne genetische Hilfsmitte­l kennen und lieben gelernt haben, durch die neue Technik ausgesetzt sind.

Nikkie (Sarah Snook) und Franklin (Kingsley Ben-Adir) sind seit dem College zusammen und bei zwei Kindern glücklich verheirate­t. Aber was heißt glücklich? Könnte es nicht noch glückliche­r sein? Diese Frage beschäftig­t Nikkie zunehmend, wenn sie all diese scheinbar perfekten Seelenbezi­ehungen um sich herum sieht und mit der eigenen, gut funktionie­renden Normalität ihres familiären Alltags vergleicht. Sogar ihr älterer Bruder, der sich nie binden konnte, hat sein Liebesglüc­k per DNA-Diagnose gefunden.

Eine Nachbarin Nikkies hat von einem Tag auf den anderen die Ehe aufgegeben, um mit ihrem Seelenverw­andten zusammenzu­ziehen. Irgendwann sagt auch Nikkie zu ihrem Mann: „Ich habe den Test gemacht“– und muss mit den überraKons­equenzen leben. Und auch Libby (Laia Koster) und Adam (Shamier Anderson) in der Folge „Little Adventures“des deutschen Regisseurs Marco Kreuzpaint­er sind ein glückliche­s Paar, das die eigene Beziehung mit gelegentli­chen Tinder-Affären auffrischt.

Libby hat den Test gemacht, bevor sie Adam kennenlern­te – ohne dass eine genetische Übereinsti­mmung gefunden werden konnte. Aber als nun plötzlich Miranda (Georgina Campbell) als Seelenverw­andte mit ihrem frischen Testergebn­is vor der Tür steht, kann Libby der Versuchung nicht widerstehe­n. Sie stürzt sich in die neue Beziehung, um irgendwann feststelle­n zu müssen, dass Seelenverw­andtschaft allein kein Garant für eine gute Liebesbezi­ehung ist und das Glück in unkonventi­onellen Lösungen liegt.

Über die sechs Episoden wird die interessan­te Prämisse aus verschiede­nsten Blickwinke­ln auf den Prüfstand gebracht, wobei vom analytisch­en Drama über die Beziehungs­komödie

bis hin zum psychologi­schen Horrorfilm auch sehr unterschie­dliche Genres bedient werden. In „Break on Through“geht Regisseuri­n Andrea Harkin der Frage nach, was mit denen geschieht, die den Test zu spät gemacht haben und feststelle­n müssen, dass ihr genetische­r Lebenspart­ner bereits gestorben ist. Das Trauma des verpassten Glücks führt in eine geschäftst­üchtischen­den ge Christense­kte, die durch kollektive­n Selbstmord die Seelenverw­andten im Jenseits zusammenbr­ingen will ...

In „The (Power) Ballad of Caitlin Jones“muss Caitlin (Betsy Brandt) feststelle­n, dass ihr Seelenverw­andter ein soziopathi­scher Mörder ist. Und sie muss sich ihren Ängsten und der eigenen dunklen Seite stellen.

Die unterschie­dlichen Herangehen­sweisen sind eine Bereicheru­ng für die Serie und gleichzeit­ig ihr Problem. Einzelne Episoden driften zu weit von der eigentlich­en Themenstel­lung ab und setzen sich unter angestreng­ten Originalit­ätsdruck, so wie in Marco Kreuzpaint­ers „Layover“, in dem eine schwule Liebesgesc­hichte vor der Kulisse eines Klischee-Mexikos mit plumpen Genremätzc­hen verpufft.

So wirkt „Soulmates“über weite

Strecken eher wie eine Loseblatts­ammlung, der ein gemeinsame­s Erkenntnis­interesse fehlt. Aber die originelle Prämisse bleibt auch in den eher mittelmäßi­gen Episoden ein interessan­tes Gedankenex­periment, das gesellscha­ftliche Tendenzen der Gegenwart weiterdenk­t. Hier wird der moderne Optimierun­gswahn auf die Spitze getrieben, romantisch­e Vorstellun­gen und die Sehnsucht nach der perfekten Liebe vor einem nahe liegenden Zukunftssz­enario grundlegen­d befragt.

Eine zweite Staffel von „Soulmates“, die sich hoffentlic­h wieder näher an dieser spannenden Kernidee zur Serie bewegt, ist bereits in Planung.

Soulmates bei Amazon von William Bridges und Brett Goldstein mit Sarah Snook, Kingsley Ben‰Adir, Betsy Brandt, insgesamt sechs Episoden.

Pech nur, wenn der ideale Partner schon verstorben ist

 ?? Foto: ?? Nikkie (Sarah Snook) ist eigentlich glücklich mit Franklin verheirate­t. Aber könnte es nicht doch noch einen besseren Mann für sie geben? Das ist die Frage in der ersten Folge von „Soulmates“, als Stream auf Amazon.
Jorge Alvarino/AMC
Foto: Nikkie (Sarah Snook) ist eigentlich glücklich mit Franklin verheirate­t. Aber könnte es nicht doch noch einen besseren Mann für sie geben? Das ist die Frage in der ersten Folge von „Soulmates“, als Stream auf Amazon. Jorge Alvarino/AMC

Newspapers in German

Newspapers from Germany