Guenzburger Zeitung

Wenn Silber wie Gold glänzt

Mit ihrem zweiten Platz in der Abfahrt der Frauen schreibt die 23-jährige Kira Weidle ein WM-Märchen. Dabei ist die gebürtige Schwäbin selbst am wenigsten überrascht von ihrem Coup

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Cortina d’Ampezzo Umringt von Trainern und Betreuern feierte Kira Weidle im Teamhotel ihr Sensations-Silber in der WM-Abfahrt von Cortina d’Ampezzo – erst im Skiraum, dann an der Bar. Eine exzessive Party war in Corona-Zeiten zwar nicht drin. Aber ganz ohne Anstoßen wollte die Starnberge­rin ihren zweiten Platz und das kleine Kapitel deutscher Ski-Geschichte nicht zelebriere­n. 25 Jahre nach Katja Seizinger hat Deutschlan­d wieder eine Vizeweltme­isterin in der alpinen Königsdisz­iplin. „Ein Traum“, sei das, sagte der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier und geriet regelrecht ins Schwärmen. „Eine Hammerleis­tung, Weltklasse!“

Hinter der Schweizeri­n Corinne Suter und vor deren Landsfrau und Super-G-Weltmeiste­rin Lara GutBehrami raste Weidle zum größten Erfolg ihrer Karriere. Die zweite Medaille für den Deutschen Skiverband im dritten WM-Rennen: Darauf hätte kaum jemand zu hoffen gewagt, zumal bei den vorigen Weltmeiste­rschaften jeweils nur einmal Edelmetall rausgespru­ngen war.

Zielgenau hatte Weidle den ganzen Winter über auf den Saisonhöhe­punkt

hingearbei­tet und das auch mehrfach gesagt. Dass es mit Edelmetall bei der WM klappen könnte, sei ihr „schon die ganze Saison bewusst“gewesen, betonte sie nach ihrer Traumfahrt am Samstag dann erneut. „Auch wenn ich keinen Podestplat­z hatte, waren richtig gute Rennen dabei“. In Val d’Isère und Crans-Montana etwa, wo sie im Weltcup jeweils Fünfte geworden war. Und so wirkte die gebürtige Schwäbin selbst nun auch am wenigsten überrascht von ihrem Coup in Cortina.

Von Tag zu Tag trat sie in den Dolomiten überzeugte­r auf – erst recht nach der Silbermeda­ille von Romed Baumann im Super-G am Donnerstag, die dem DSV-Team schon den größten Druck genommen hatte. Auch nach ihrer famosen Fahrt auf der „Olimpia delle Tofane“, bei der sie sich nur einen kleinen Fehler geleistet hatte, wirkte Weidle sehr gefasst. Sie vergoss keine Tränen, rang nicht nach Atem. Golden glänze ihr Silber fast schon, sagte sie später einfach glücklich und zufrieden.

„Sie ist als Persönlich­keit gereift“, lobte Bundestrai­ner Jürgen Graller, „sie ist schon ziemlich abgebrüht und fokussiert.“Im Schatten, aber auch unterstütz­t von Riesenslal­om-Olympiasie­gerin Viktoria Rebensburg war Weidle in den vergangene­n Wintern vom Talent zur

Top-Athletin herangewac­hsen. „Bin stolz auf dich, Bambino“, schrieb die langjährig­e deutsche Vorzeigefa­hrerin ihr nun.

Nach Rebensburg­s Rücktritt im

Herbst und den Verletzung­en anderer deutscher Speedspezi­alistinnen tingelte Weidle weitgehend allein durch die bisherige Saison. Doch gestört hat sie das offenbar nicht. Auch aus dem Austausch mit den Amerikaner­n oder der zweimalige­n Abfahrts-Weltmeiste­rin Ilka Stuhec aus Slowenien scheint Weidle viel mitzunehme­n. Jedenfalls habe sie sich auch technisch verbessert, findet Graller. Und: Mit 24 Jahren ist sie für eine Abfahrerin noch jung, steht daher womöglich erst am Anfang einer großen Karriere.

Zu ihrer Bronzemeda­ille von der Junioren-WM 2017 ist jetzt jedenfalls bereits eine „Big Sister“dazugekomm­en, wie Weidle es ausdrückte. Und in einer Reihe illustrer Namen steht sie, die bis dato zwei dritte Plätze in den Weltcup-Abfahrten von Lake Louise (2018) und Garmisch (2019) als beste Ergebnisse vorweisen konnte, nun auch. Die bis dahin letzte Deutsche, die in einer WM-Abfahrt aufs Podest raste, war Maria Höfl-Riesch als Dritte 2013. „Super stark“nannte sie in ihrem WM-Blog Weidles Leistung nun. Letztmals Silber hatte es 1996 durch Seizinger gegeben – sechs Tage vor Weidles Geburt.

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Foto: Christophe Bott, dpa Kira Weidle bestaunt ihre erste WM‰Medaille, auf die sie in dieser Saison akribisch hingearbei­tet hatte.

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