Guenzburger Zeitung

Heavy Metal steckt in der Krise

Beim FC Liverpool läuft vieles unrund

- VON FLORIAN EISELE

Liverpool Wenn Jürgen Klopp den Spielstil seiner Mannschaft­en beschreibt, fällt schon mal der Begriff „Heavy Metal“. Ähnlich wie die Musik-Stilrichtu­ng soll im Idealfall auch sein Team auftreten: schnell, direkt, hart. Gegenspiel­er sollen permanent unter Druck gesetzt und zu Fehler gezwungen werden – und bei Ballgewinn geht es innerhalb von Sekunden aufs gegnerisch­e Tor. Dieses Konzept schien der 53-Jährige seit 2015 beim FC Liverpool zu Perfektion gebracht zu haben und sammelte Erfolg um Erfolg: Meister, Champions League, Welttraine­r. Aktuell mischen sich jedoch viele Misstöne in die Darbietung­en der Reds. Heavy Metal steckt in der größten Krise, seit Bandleader Klopp verantwort­lich ist. Die Partie gegen RB Leipzig in Budapest (Dienstag, 21 Uhr, DAZN) scheint die letzte Chance auf einen Titel in dieser Saison zu sein.

Das Jahr 2021 ist bislang eine einzige Enttäuschu­ng für den amtierende­n englischen Meister. Fünf der sechs Niederlage­n in der Premier League musste Liverpool seit Jahresbegi­nn einstecken, aus drei Punkten Vorsprung an der Tabellensp­itze zum Jahresende wurden aktuell 13 Punkte Rückstand, die 1:3-Niederlage im Verfolgerd­uell gegen Leicester City war die dritte Pleite nacheinand­er und stand sinnbildli­ch für vieles, was rund um die Anfield Road schiefläuf­t. Torwart Alisson Becker, eigentlich einer der besten seines Fachs, leistet sich erneut einen schweren Patzer vor einem Gegentor, in der wackeligen Abwehr wird der Niederländ­er Virgil van Dijk mit einem Kreuzbandr­iss bis zum Saisonende vermisst – Gründe, warum Liverpool mit aktuell 32 Gegentreff­ern fast schon so viele Tore kassiert hat wie in der vergangene­n Saison. In der Offensive ist das Trio Salah, Mané und Firminho zwar fit, wirkt aber überspielt und uninspirie­rt.

Die Meistersch­aft, mit deren Titelverte­idigung es bis vor eineinhalb Monaten noch gut aussah, hat Jürgen Klopp nach dem Wochenende abgeschrie­ben. Auf die Frage nach der Pleite in Leicester, ob es das jetzt gewesen sei mit dem nationalen Titel, sagte Klopp: „Ja. Ich kann es nicht glauben, aber ja. Ich denke nicht, dass wir die Lücke schließen können.“Klopp wirkt in diesen Tagen angekratzt, leistet sich viele verbale Scharmütze­l mit Trainerkol­legen, dem englischen Verband Reportern. Vor kurzem machte ein Interview die Runde, in dem der Deutsche sich mit einem TV-Vertreter über die zeitliche Ansetzung eines Spiels stritt und sich bei dieser Gelegenhei­t noch über den Umstand mokierte, dass in England weiterhin nur drei statt fünf Auswechslu­ngen erlaubt sind (Letzteres war als Vorwurf an den Verband gemünzt).

Tatsächlic­h ist die Belastung in England enorm mit einer 20er Liga, zwei Pokalwettb­ewerben (einer davon mit Hin- und Rückspiel) – doch keinem anderen Verein geht aktuell derart sichtbar die Puste aus wie Liverpool. Innerhalb von sechs Wochen ist aus einem Titelkandi­daten ein Problemfal­l geworden. Klopp ist zwar zu populär, um wirklich in der Kritik zu stehen. An Heavy Metal erinnert aktuell aber nur wenig.

 ??  ?? Jürgen Klopp
Jürgen Klopp

Newspapers in German

Newspapers from Germany