Wenn aus dem Rückraum Socken fliegen
Der Landesverband will seine Mitglieder mit Online-Training bei Laune halten. Zehn Vereine, unter ihnen der VfL Günzburg, teilen sich die Übungseinheiten. Auch Familie Lewe steht dabei vor der Kamera
Günzburg/Dirlewang Die Halle ist mein Wohnzimmer – ein Spruch, den Handballer gerne verwenden, um zu zeigen, dass ihr Sport zu ihrem Lebensmittelpunkt gehört. Umgekehrt hört sich der Satz erst einmal komisch an: Mein Wohnzimmer ist die Halle. Aber er wird in diesen Tagen ungleich wahrer.
Denn der Bayerische HandballVerband (BHV) versucht seit einiger Zeit, seine aktiven Mitglieder über Online-Training zu begeistern. Schließlich fürchten Verband und Vereine mit jedem Tag Lockdown mehr, dass die Zahl der aktiven Spieler vor allem im Jugendbereich schmilzt. Dagegen helfen soll nun HOT, das Handball-Online-Training. Dazu braucht es engagierte Übungsleiter. Fündig wurde der BHV bei zehn bayerischen TopVereinen. Einer davon ist Drittligist VfL Günzburg.
Dort spielt Paul Lewe aus Dirlewang in der Bayernliga-C-Jugend. Trainerin dieses Teams ist seine Mutter Stefanie Lewe.
Sie hat bereits einige Erfahrungen mit Online-Handball gesammelt. „Während des ersten Corona-Lockdowns habe ich beim VfL Günzburg schon ein Online-Training angeboten, ab dem zweiten Lockdown nun auch bei meinem Heimatverein TSV Mindelheim“, sagt Lewe. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde sie nun vom VfL Günzburg dazu auserkoren, den Verein beim BHV-OnlineTraining zu vertreten. „Das ist dann schon etwas anderes, als wenn man seine bekannten 14, 15 Gesichter vor sich hat. Plötzlich sind das 300 Spieler aus ganz Bayern. Und das dann auch noch live“, berichtet die Trainerin.
Der Andrang war in der Tat enorm. „Zu Beginn ist der BHV regelrecht überrannt worden“, erinnert sich Lewe an den ersten HOTAuftritt vor wenigen Wochen. Der Verband habe gleich einen Techniker kommen lassen, um die Plattform stabiler aufzubauen. „Man merkt, dass die Nachfrage da ist, etwas für sich zu tun“, sagt Lewe.
Im zweiwöchigen Rhythmus ist sie mit ihren Trainingsstunden beim BHV dran. Beim TSV Mindelheim und VfL Günzburg bietet sie das Training jede Woche an. Ihre Söhne Paul und Titus geben dann die „Vorturner“, wie Lewe es nennt.
Kraft- und Koordinationsübungen wie die obligatorischen Liegestütze oder Übungen für die HandAugen-Koordination finden sich im abwechslungsreichen Trainingsplan. „Wir machen viel mit dem eigenen Körpergewicht“, sagt der 14-jährige Paul Lewe, der auch bemerkt, das Training dürfe nicht raumintensiv sein. Denn nicht jeder habe einen eigenen Kellerraum oder ein großes Wohnzimmer, das als Ersatzhalle herhalten könne. Um das heimische Mobiliar zu schonen, werden für Wurfübungen außerdem lieber Sockenpäckchen statt Bälle genommen.
Der Trainingsplan ist grundsätzlich eher auf jüngere Handballer ausgerichtet. „Trotzdem sind die 45 Minuten dann schon anstrengend“, berichtet Paul Lewe. Die Ideen sammelt seine Mutter aus ihrer eigenen Erfahrung oder dem Internet. Grundsätzlich aber stellt jeder HOT-Trainer seine Trainingsstunde selber zusammen. Für sie sei es anstrengender als in der Halle. „Im Online-Training muss ich jeden Schritt kommentieren. Man ist nur am Reden“, sagt Stefanie Lewe und lacht.
Ob die Teilnehmer die Übungen letztlich richtig machen, bleibt im
Verborgenen. Doch es liege in ihrem Interesse, bekräftigt Stefanie Lewe, die wegen der großen Zahl der Teilnehmer nicht korrigierend eingreifen kann. Den Spielern soll HOT eine regelmäßige Struktur bieten und ihnen helfen, nach der Pandemie schneller und verletzungsfrei zu starten. Die Trainerin ist von der Sache überzeugt und sagt: „Online-Training ist vielleicht nicht für jeden das Richtige. Aber wer es zweimal gemacht hat, der bleibt auch dabei.“
OnlineInformationen zu HOT unter www.bhvonline.de