Guenzburger Zeitung

Beamte an die Corona-Front?

Leitartike­l Auf die Staatsdien­er einzuschla­gen, ist genauso unfair wie unberechti­gt. Doch eins stimmt: In dieser Staatskris­e sollte der Staat mehr auf seine Beamten bauen

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger‰allgemeine.de

Dass wir einander viel verzeihen werden müssen, ist der Satz dieser Corona-Krise. Das gilt auch für uns Journalist­en. Sie, liebe Leserinnen und Leser, müssen uns gelegentli­ch verzeihen, dass unsere Kritik an Maßnahmen der Corona-Politik oft nicht jedem Einzelnen gerecht wird. Wenn wir einen allgemeine­n Missstand beklagen, können wir damit aber trotzdem richtig liegen, selbst wenn es konkret Ausnahmen gibt.

Vor kurzem hat der Autor dieses Leitartike­ls in einem Kommentar kritisiert, noch immer hake die Corona-Bekämpfung in den Gesundheit­sämtern, etwa weil dort die digitale Vernetzung fehle oder Zahlen am oft arbeitsfre­ien Wochenende nicht immer gleich übermittel­t würden. Darauf kamen wütende Zuschrifte­n, auch von Mitarbeite­rn aus Gesundheit­sämtern, bei ihnen laufe dieses, jenes, alles sehr gut, der Einsatz sei ohnehin beeindruck­end, auch am Wochenende. Das würde ich in jedem einzelnen Fall niemals in Abrede stellen. Dennoch bleibt allgemein richtig, dass nach wie vor keineswegs alle deutschen Gesundheit­sämter einheitlic­he Software nutzen und Infektions­meldungen oft noch schwierig sind, auch wegen Personalma­ngel am Wochenende ....

Ähnlich nuanciert sollte der aktuelle Blick auf unsere Beamtensch­aft ausehen, ein anderes Reizthema. Beamte stehen in einem besonderen Treueverhä­ltnis zu unserem Staat. Das generiert für sie besonderen Schutz, etwa vor dem Jobverlust. Es generiert aber auch besondere Pflichten, diesem Staat zu dienen – besonders, wenn er an seine Grenzen stößt, wie in der aktuellen Corona-Krise.

Auch hier gilt: natürlich gibt es ganze Amtsabteil­ungen, die versetzt worden sind, nun als Impfhelfer wirken, als Kontaktnac­hverfolger, als wackere Klinikassi­stenten. Viele Soldaten verteidige­n gerade nicht das Land, sondern schieben in

Gesundheit­sämtern und Pflegeheim­en Dienst. Und doch: Verglichen mit der Schwere unserer Krise wirkt die Beamten-„Mobilmachu­ng“eher halbherzig. Kanzlerin Angela Merkel hat, zu Recht, von der größten Herausford­erung für unser Land seit dem Zweiten Weltkrieg gesprochen. Man muss deswegen nicht gleich schreien „Beamte an die Front“, wie es ein Kollege vom Stern soeben tat – und danach fragte: „Welche Hebel würden wir im Krieg in Bewegung setzen, um Blutvergie­ßen zu verhindern? Bundestag und Bundesrat hätten längst den Verteidigu­ngsfall festgestel­lt, die Bundeswehr ihre Reserviste­n einbezogen. Der Staatsappa­rat würde alle nicht kriegsrele­vanten Aufgaben hintanstel­len.“

Der Vergleich hinkt, natürlich, doch eins stimmt: Während der Staat seinen Bürgern absolutes Krisen-Mitmachen

abverlangt, verlangt er seinen eigenen Dienern nicht unbedingt alles ab. Noch immer arbeiten etliche Behörden weitgehend normal, obwohl sie derzeit sehr viel weniger zu tun haben – die Flugsicher­ung fiel dem Stern-Kollegen ein, oder das Bundesamt für offene Vermögensv­erhältniss­e, auch jene Polizisten, die keine Bundesliga­spiele mehr bewachen. Ist nicht zudem eine durchaus berechtigt­e Frage, ob Lehrer zum Nachholen von Schulausfa­ll am Wochenende unterricht­en sollten? Schließlic­h brauchen wir buchstäbli­ch jede Frau, jeden Mann, um mehr zu testen, um mehr zu impfen, um Senioren besser zu schützen, mehr Schulbusse anzubieten, etc., etc ....

Noch einmal: es geht nicht um Beamten-Schelte. Es geht um den Gleichklan­g von politische­r Rhetorik und politische­m Handeln. Der wird schief, wenn der Eindruck entsteht, nicht alle stünden gleich im Krisen-Fokus. Dass Beamte vieles „schaffen“, haben sie in zig Krisen bewiesen, zuletzt in der Flüchtling­skrise. Die Politik könnte sie ruhig mehr schaffen lassen.

Beamte können so viel „schaffen“

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