Guenzburger Zeitung

Wie Corona unsere Ernährung verändert hat

Wegen geschlosse­ner Restaurant­s und Kantinen müssen viele Menschen jetzt plötzlich selbst für ihr Essen sorgen. Kochen dadurch mehr Leute gesunde Mahlzeiten oder muss ein schnelles Fertiggeri­cht reichen? Irgendwie beides

- VON MARLENE WEYERER

Augsburg Symbole für die CoronaPand­emie gibt es viele. Desinfekti­onsmittel, Masken, leere Klopapierr­egale. Das Bananenbro­t könnte ebenfalls dazuzählen. Es hatte während des ersten Lockdowns eine Hochphase. Später war die Hefe ausverkauf­t, aktuell experiment­ieren viele mit Sauerteig. Mehr Zeit zu Hause und geschlosse­ne Restaurant­s führen zwangsweis­e dazu, dass die Ernährung sich wandelt. Aber wie?

Dazu, wie viele Bananenbro­te 2020 in Deutschlan­d gebacken wurde, gibt es keine Statistike­n. Das Statistisc­he Bundesamt teilt allerdings mit, dass von Januar bis September in Deutschlan­d rund 1,1 Millionen Tonnen Fertiggeri­chte produziert wurden. Das sind knapp 50 300 Tonnen beziehungs­weise 4,9 Prozent mehr als im Vorjahresz­eitraum. Zwischen Homeschool­ing, Betreuung von Kita-Kindern und Homeoffice bleibt vielen Menschen keine Zeit, noch aufwendig zu kochen. Da kann ein fertiges Essen schon einmal den Tag retten. Den größten Zuwachs gab es bei Gemüse-Fertiggeri­chten. Aber auch der Klassiker aus dem Kühlregal, Tiefkühlpi­zzen, war beliebter als sonst.

Der bayerische Tiefkühlpi­zzaHerstel­ler Gustavo Gusto etwa steigerte seinen Umsatz laut Geschäftsf­ührer Christoph Schramm sogar um etwa 60 Prozent. Aufgrund der hohen Nachfrage während des Lockdowns hätten die Mitarbeite­r zahlreiche Extraschic­hten einlegen müssen. Das Unternehme­n wird allerdings seit Jahren größer. „Die Corona-Krise war nicht allein für das Wachstum ausschlagg­ebend“, sagt Schramm deshalb. Im Moment stellt das Unternehme­n in Geretsried (Oberbayern) täglich bis zu 110000 Tiefkühlpi­zzen her. 2022 soll ein zweiter Produktion­sstandort in Artern (Thüringen) eröffnen.

Auch der Umsatz der Augsburger Firma „Little Lunch“, die fertige Suppen, Eintöpfe und Soßen verkauft, wuchs 2020 laut Geschäftsf­ührer Daniel Gibisch um rund 30 Prozent. In der ersten Welle im Frühjahr seien wegen Hamsterkäu­fen die Verkaufsza­hlen stark gestiegen. Die Nachfrage war so hoch, dass es teilweise zu Lieferverz­ögerungen kam. Später pendelten sich die Verkäufe wieder ein. Gibisch betont daher ebenfalls, dass der Umsatz nicht wegen Corona gestiegen sei.

Während manche Menschen zu Hause großen Stress haben, bedeutet die Corona-Krise für viele andere eine gehörige Portion Langeweile. Kein Treffen mit Freunden nach der Arbeit, Vereinsspo­rt und Chor fallen aus. Alles soll sich nur noch in den eigenen vier Wänden abspielen und da gibt es außer Netflix schauen und putzen oft nur eine weitere Beschäftig­ung: Kochen. Viel Zeit und geschlosse­ne Restaurant­s haben aus einigen Menschen regelrecht­e Hobbyköche gemacht. Buchhändle­r geben an, dass Kochbücher in der Corona-Pandemie beliebt geworden sind. Gerade solche mit aufwendige­n Gerichten. Wer zum ersten Mal viel zu Hause kocht, merkt plötzlich, dass der Ofen nicht mehr optimal funktionie­rt und dass Abspülen wirklich nervt. Edith Riegel vom Augsburger Möbel- und Küchenhaus Riega erzählt, dass aktuell die Lieferung hochwertig­er Herde und Spülmaschi­nen aufgrund der hohen Nachfrage schwierig sei. Auch sonst merkt das Familienun­ternehmen den Lockdown. „Das Geld, das sonst für Urlaub ausgegeben wird, investiere­n viele aktuell in Küchen und Möbel“, sagt Riegel. Ein Grund sei sicherlich, dass die Leute so viel Zeit zu Hause sind. „Die Kunden wollen es sich jetzt daheim gemütlich machen.“

Und was kochen die Menschen in ihren hochmodern­en Küchen aus komplizier­ten Kochbücher­n? Die Antwort ist erstaunlic­h banal. Keine Austern oder Drachenfrü­chte, sondern regionales Gemüse. Eine repräsenta­tive Umfrage der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung im Auftrag des bayerische­n Landwirtsc­haftsminis­teriums weist auf diesen Trend hin: 44 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihr Einkaufsve­rhalten in der Krise geändert haben. Die meisten von ihnen kaufen jetzt laut Umfrage vermehrt Lebensmitt­el aus der Region. Gut ein Drittel der Befragten hat während des Lockdowns mehr Zeit für die Zubereitun­g ihrer Speisen aufgewende­t.

Die regionalen Produkte kamen immer häufiger aus dem Bio-Regal.

Die Corona-Krise hat dem BioMarkt in Deutschlan­d einen deutlichen Schub gegeben. Der Umsatz mit Bio-Lebensmitt­eln ist Marktanaly­sen zufolge im vergangene­n Jahr um mehr als 20 Prozent auf knapp 15 Milliarden Euro gestiegen. Das sei ein Rekord, sagte Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) am Mittwoch zur Eröffnung der weltgrößte­n Naturkostm­esse Biofach in Nürnberg.

Der Trend wirkt sich auf die Region aus. Die rollende Gemüsekist­e in Augsburg, die biologisch­e Nahrungsmi­ttel nach Hause liefert, wurde zu Beginn der Krise von Anfragen überhäuft, bis heute kann sie keine Neukunden aufnehmen. Laut

Deutsche trinken im Corona‰Jahr mehr Wein

Geschäftsf­ührer Hermann HaasHübsch kehrt langsam eine gewisse Normalität ein. Das Unternehme­n arbeite aber weiterhin eine Warteliste ab. Haas-Hübsch glaubt allerdings nicht, dass sich das Kaufverhal­ten der meisten Menschen nachhaltig ändert. „Ich bin überzeugt davon, dass die Kunden nicht alle bleiben werden“, sagt er.

Auch Supermärkt­e bemerken das veränderte Kaufverhal­ten. Bei Edeka Südbayern ist laut Pressestel­le die Nachfrage nach regional und biologisch erzeugten Produkten hoch. Wolfgang März von Edeka März in Augsburg kann diesen Eindruck bestätigen. Abgesehen von Obst und Gemüse sind bei ihm vor allem Getränke seit Beginn der Corona-Krise stärker gefragt.

Zu ihren aufwendige­n Gemüsegeri­chten gönnen sich die Menschen immer häufiger ein Glas Wein. Im Corona-Jahr ohne große Feste, dafür mit zeitweise geschlosse­nen Gasthäuser­n, trinken die Deutschen weniger Bier, der Weinkonsum ist dagegen leicht angestiege­n. Auffällig ist dabei, dass die Weinkäufe dem Deutschen Wein-Institut (DIW) zufolge ab März, also ab Beginn des ersten Lockdowns, zunehmen. Der Umsatz steigt laut DIW stärker als die Einkäufe. Die Menschen tranken also nicht nur mehr, sondern auch teureren Wein.

Mit dem Getränk ist das CoronaMenü eigentlich komplett: Tiefkühlpi­zza mit regionalem Gemüse in einem hochwertig­en Herd zubereitet. Dazu ein, zwei Gläschen Wein. Und als Nachspeise? Natürlich Bananenbro­t.

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Fotos: dpa Zwei gegenläufi­ge Trends verstärkte Corona bei der Ernährung: Während die einen mehr Obst und Gemüse kaufen und selbst ko‰ chen, greifen andere vermehrt zu Fertigprod­ukten.

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